SLEEP KIT

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Band-Leben als politischer Akt

Die niederländische Band SLEEP KIT mag es vielleicht nicht darauf anlegen, sich geheimnisvoll zu geben, der Eindruck könnte sich dennoch aufdrängen, angefangen bei einem Song über ihre dörfliche Herkunft, dessen Text in limburgischem Platt vorgetragen wird, bis hin zu einer Platte die den sehr schlichten und auskunftsarmen Namen „II“ trägt. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so entscheidend. Denn viel offensichtlicher ist, dass es sich bei SLEEP KIT um eine Band handelt, die unermüdlich durch die Gegend tourt, als gäbe es kein Morgen, und die versucht, ihre eigene Ästhetik zu finden, und dabei das eine oder andere Experiment wagt.

II“ ist euer erstes richtiges Album. Eure EP „Sleep Kit“ erschien erst vor einem knappen Jahr. Das ging ja alles ziemlich fix bei euch.


Erik: Die EP haben wir bereits Mitte 2013 aufgenommen und im Dezember auf Tape selbst rausgebracht. Also ist die schon etwas älter. Mitte 2014 hat Big Scary Monsters sie dann noch mal auf Vinyl veröffentlicht.

Was ist für euch die wichtigste Entwicklung von der EP hin zum Album?

Erik: Vorher haben wir noch gesucht, was wir genau machen wollen.

Nick: Ich glaube wir haben auf vielen verschiedenen Ebenen eine Entwicklung durchlaufen. Beim Songwriting zum Beispiel. Früher hat Erik sehr viel geschrieben, für mich war das Ganze noch relativ neu. Diesmal haben wir uns häufiger zu zweit hingesetzt. Das Album ist besser produziert und wir wussten genauer, was wir selbst zu tun haben. Es klingt insgesamt mehr nach der gleichen Band, das wirkte auf der EP noch sehr divers. Jetzt war schon vorher klar, was wir machen wollen.

Mir erscheint die Platte wie eine Einheit, ich könnte da nur schwer einzelne Hits rauspicken, weil sie als Ganzes funktioniert. Gibt es eine Art roten Faden, der sich durch die Platte zieht?

Erik: Beim Hören der fertigen Aufnahmen war es für uns tatsächlich so, dass wir dachten: Wow, das sind alles Hits. Wir wollten die Platte eigentlich auch „The Best of Music“ nennen. Das haben wir uns dann doch nicht getraut.

Nick: Jeder Song war ein eigenes Projekt, das war alles eher konzeptionslos. Der rote Faden ist, wenn überhaupt, dass wir uns nicht auf ein bestimmtes Konzept geeinigt haben. Musikalisch ist den Songs wohl eine gewisse Melancholie gemeinsam. Vorher gab es durchaus die Befürchtung, dass das Album nicht zu einem Ganzen wird. Aber in unseren Augen funktioniert es. Wir mögen jedes Stück der Platte.

Patrick: Als der Neue in der Band habe ich die Songs einzeln bekommen, um die Schlagzeugparts zu lernen. Aber nicht in der Reihenfolge, wie sie jetzt auf der Platte sind und habe darum zuerst nicht ganz gerafft, wie das funktionieren soll. In der jetzigen Reihenfolge macht es nun doch Sinn.

Die Platte ist inhaltlich eher persönlich gehalten. Wie kann man sich als Band dennoch politisch positionieren?

Erik: Wir bewegen uns natürlich in diesen linksradikalen Kreisen.

Nick: Band-Politik spielt sich ja auf verschiedenen Ebenen ab. Wir sprechen viel über politische Themen und auch darüber, Teil einer Band zu sein. Also nicht nur über solche Dinge wie Asylpolitik, sondern auch darüber, wie man als Band funktioniert. Das ist auch politisch und hängt alles miteinander zusammen. Wir sind da, glaube ich, schon ziemlich selbstreflektierend. Die Texte sind eher persönlich, das ist eben das, was sich hauptsächlich bei mir im Kopf abspielt, und nur darüber kann ich wirklich kompetent Songs schreiben. Die politische Dimension ist für mich sehr präsent bei dem, was wir als Band machen, zum Beispiel drei Wochen lang auf Tour gehen. Das ist sehr zeitintensiv und risikoreich. Das ist inhärent subversiv und auch eine Positionierung, auch wenn das vielleicht nicht so ausgesprochen ist. Wir wurden politisch sehr links sozialisiert und versuchen immer, aufmerksam zu bleiben. Für mich ist das Band-Leben deshalb an sich schon ein politischer Akt.

Beim letzten Song „t’Dörp“ des Albums werden dem Hörer die Lyrics auf dem Textblatt vorenthalten. Warum?

Erik: Der Songtext ist im limburgischen Dialekt. Es gibt Regeln, wie man das schreiben soll, aber um die mit jemandem zu prüfen, hatten wir keine Zeit. Es gibt den niederländischen Künstler Wim Sonneveld und der hat einen Song geschrieben namens „Et Dorp“, also „das Dorf“. Darin singt er so Sachen wie: Früher war alles besser und heute stehe ich im Garten und kann den Kirchturm von meiner Oma nicht mehr sehen. Wir kommen beide vom Dorf und empfinden diese Gedanken gar nicht als so nostalgisch, wie es da vielleicht rüberkommt.

Nick: Den Song einfach auf Platt zu machen war eine total absurde Idee. Im Endeffekt ist das der melancholischste Song auf dem Album und ich glaube, der Vibe ist da sehr wichtig. Man kann ja nicht leugnen, dass man in so einem Dorf aufgewachsen ist. Und auf der emotionalen Ebene ist das gleichzeitig eine Distanzierung und eine Umarmung. Distanzierung vor allem von so einem Blödsinn wie Fremdenhass. Ich finde es supercool, dass wir das gemacht haben. Das war der riskanteste Song. Der Typ, der das aufgenommen hat, hat sich total darauf gefreut, im Glauben, das wäre eine Art Karnevalslied. Als Punkband ist es manchmal schwierig, was wirklich Neues zu machen und zu experimentieren, wie wir es da getan haben, und sich damit gegen eine gewisse Ästhetik zu wenden. Ich glaube, der Zeitgeist ist gerade sehr nostalgisch. Vielleicht ist es sogar mein Lieblingslied auf der Platte.