VOLXSTURM

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Massenuntaugliches Szene-Unikum

Die fünfköpfige Schweriner/Berliner Band VOLXSTURM ist ein altgedientes Szene-Unikum. Gestartet Mitte der 1990er mit zwei Punks und zwei Skins in der Gruppe, wandte sie sich von Beginn an gegen jedweden Radikalismus – gegen Nazis, aber auch gegen Restausläufer der alten SED-Diktatur („Rote Idioten“). Das Hauptanliegen war jedoch immer, die beiden Subkulturen Punk und Skinhead weiter zu vereinen. Die Zeichen dafür standen auch gut angesichts der damaligen SHARP-Bewegung („Skinheads against racial prejudice“), aber der starke Rechtsdrall in der ehemaligen DDR war immer ein gefährlicher Faktor für die Band, die somit großen Mut bewies. Auch das neue Album „Massenuntauglich“ bietet in dieser Hinsicht wieder viel Positives, musikalisch wie inhaltlich. Ich sprach mit Gitarrist Robert, der von Beginn an zur Besetzung von VOLXSTURM gehört.

Robert, im Intro eurer neuen Scheibe hören wir Demo-Geräusche und Politikerstimmen zum PEGIDA-Unfug, zumindest würde ich das so deuten, gefolgt vom Song „Massenuntauglich“. Das kommt alles aussagetechnisch etwas kryptisch rüber. Oder wollt ihr nur zum Ausdruck bringen, dass in der Masse generell das Übel steckt?


Richtig erkannt. Im Intro werden Stimmen laut, die zur aktuellen Lage gehören. Der darauf folgende Song „Massenuntauglich“ ist unsere direkte Antwort auf diesen Bockmist. Von der Politik entfacht und von den Medien teilweise verzerrt an die Allgemeinheit weitergeleitet. Der „Gutbürger“ wird aus seinem Sessel gerissen und zum „Wutbürger“. Die Zeit des Populismus erlebt eine neue Renaissance. Solch ein Herdentrieb kotzt uns an. Aber auch in unserer Szene, damals wie heute, gibt es Aussagen und Meinungen, denen man eher kritisch bis ablehnend gegenübertreten sollte.

Vom Song „Ich hab es satt“ gibt es ja ein Video im Netz und da kommt dann zweifellos euer Einsatz gegen Rechts gut rüber. Oder soll man erst mal besser das Lied als solches ohne Bilder auf sich wirken lassen?

Ich finde, das ist eh immer der bessere Weg. Hör dir das Lied an und finde für dich selbst heraus, welche Aussage darin steckt. Das Video zeigt klar unsere Interpretation von Lied und Text. In erster Linie geht es immer um den Song, das Video ist ein zusätzlicher Gimmick. Es sollte den Inhalt und den Charakter des Liedes widerspiegeln.

Zwei Grundaussagen schälen sich auf eurer neuen Platte heraus, zum einen dieses „Ich bereue nichts und bleibe immer wie ich bin“, andererseits dann dieses „lass uns was verändern“. Was überwiegt für dich denn im Moment? Vor allem eine Zufriedenheit mit dem Status quo im Privaten?

In den zwei „Grundaussagen“, die du angesprochen hast, geht es um zwei grundverschiedene Themen und um zwei komplett unterschiedliche Songs. „Ich bereue nichts“ erzählt von mir persönlich, von Vergangenem und dem Heute mit einem ordentlichen Schuss Melancholie. Dagegen geht es bei „Mutbürger“ um die Allgemeinheit. Speziell um das Thema Wutbürger, der von Angst zerfressen ist und sich nicht aus seinem genormten und von Doppelmoral geprägten Leben herauswagt. Da sollte jeder bei sich selbst anfangen. Ich bin froh, dass meine Familie und meine Freunde gesund sind, nicht hungern müssen und ihr Leben so weit im Griff haben. Das ist in der heutigen Welt mit den vielen Krisenherden absolut nicht selbstverständlich, und deshalb einem werden die Vorzüge der westlichen Welt wieder sehr schnell bewusst.

Du kommst von der Küste, von dort, wo andere Urlaub machen. Wie stehst du zu Lokalpatriotismus, den ihr ja auch immer wieder in euren Songs unterbringt?

Lokalpatriotismus bezieht sich auf die Gegend, wo ich aufgewachsen bin und die für mich immer noch das schönste Fleckchen Erde ist. Seit 15 Jahren lebe ich jetzt schon in Berlin, doch die Verbundenheit zur Heimat ist nie abgerissen. Alleine durch die Familie und die Band bin ich oft noch dort und jedes Mal befällt mich ein Gefühl von Wehmut, wenn ich wieder fortfahre. Leider ist der Arbeitsmarkt dort nicht der Beste, was mich damals zwang dort wegzugehen. Dieser Aspekt schlägt vielen dort oben auf die „Urlaubsstimmung“.

Mir geht es häufig so, dass neue Scheiben nicht sofort beim ersten Anhören zünden. Seht ihr euch da als altgediente bekannte Band im Vorteil, weil ihr euer Stammpublikum habt und davon ausgeht, dass sich die Platte sowieso verkaufen wird?

Das geht mir auch häufig so, dass neue Songs nicht gleich „einschlagen“. Wenn sie dann aber nach mehrmaligem Anhören zum Ohrwurm werden, sind sie dann oftmals jene, die am längsten im Gedächtnis bleiben. Gegenüber einer neueren Band haben wir sicherlich den kleinen Vorteil, eine feste Hörerschaft zu haben. Doch die ist meist kritisch und vergleicht gerne alles mit älteren Tonträgern. Die Anspannung ist bei jeder Platte deshalb sehr hoch. Man versucht, neue Sachen einzubringen, um nicht genauso wie auf dem Vorgängeralbum zu klingen und sich damit auch selbst zufrieden zu stellen. Wir sind keine Berufsmusiker und damit ist der Zeit- und Energieaufwand doch ziemlich hoch, neben Job und Familie eine gute Platte zu machen. Wenn man dann diejenigen positiv überrascht, die einen schon immer begleitet haben und dazu noch neue Hörer gewinnen kann, glaube ich schon, dass man einiges richtig gemacht haben muss.

Viele Leute posten bewusst alte Punk-Songs im Internet, vor allem aus der Zeit von 1978 bis 1983, als ob es danach qualitätsmäßig für sie nichts mehr gegeben hätte. Wozu tendiert ihr? Seid ihr noch so richtig neugierig auf aktuelle Punk- und Oi!-Bands oder ist es leichter, einfach weiter COCKNEY REJECTS anzuhören?

Von dieser ständigen Posterei halte ich eh nicht so viel. Mal einen alten Song der Erinnerungen wegen, warum nicht, war es doch der „Soundtrack der Jugend“. Ich höre mir gerne die alten Schmonzetten an, doch musikalisch stehen geblieben bin ich dort nicht. Ich denke auch, das hört man gut auf unserer neuen Platte heraus. In der Band hat jeder seine eigenen musikalischen Vorlieben, die sich treffen, aber auch wieder auseinanderdriften. Gerade das macht das Arbeiten an neuen Songs interessant, viele Ideen und Einflüsse auf einen Nenner zu bringen und dann doch wie VOLXSTURM zu klingen. Ich bin froh über neue gute Bands in der Szene, sind sie es doch, die diese am Laufen halten und oftmals frischen Wind reinbringen.

Im Song „Anders“ taucht das altbekannte Skinhead-Thema „Lügen in den Medien“ auf. Aber es hat doch über die Punk- und Skin-Szene, soweit ich es mitbekommen habe, aktuell keine tendenziöse Berichterstattung mehr gegeben, oder? Eher haben das zur Zeit ja diese PEGIDA-Typen im Sprachgebrauch ...

In „Anders“, oder auch dem Song „Gegenschlag“, geht es nicht speziell um unsere Szene, sondern abermals um die Allgemeinheit, zu der auch PEGIDA gehört. In unserem Text sprechen wir von „Lügen in den Medien“, was aber keine Verallgemeinerung sein soll. Dass es aber bei einigen Medien Meinungsmache und einseitige Berichterstattung gibt, sollte wohl jedem mittlerweile bekannt sein. Man muss sich nur mal die TV-Berichterstattung zur Ukraine-Krise in Erinnerung rufen, wo nachweislich einiges beschönigt und sogar nachweislich gelogen wurde. Alles probate Mittel, um die Massen zu aktivieren oder eben ruhig zu stellen. Gerade als Band will man dazu Stellung beziehen – ob es nun durch die Songs geschieht oder in Interviews.

Was macht euch zur Zeit so richtig Freude, neben der Zufriedenheit wegen des neuen Albums? Was läuft abseits der Band bei dir?

Ja, wegen des neuen Albums herrscht in der Tat große Zufriedenheit und Erleichterung. Endlich geschafft und es ist verdammt gut geworden. Als Band lieben wir es, Konzerte zu spielen, erst recht, wenn es wie dieses Jahr dafür auch mal nach New York und Moskau geht. Wahnsinnserlebnisse! Ansonsten gehe ich meinem Job in der Gastronomie nach und spiele bei den MADLOCKS, die Anfang nächsten Jahres eine neue Platte rausbringen werden.

Und wer hatte die Idee für das tolle Artwork des neuen Albums?

Ideen für das Artwork entstehen in der Band. Der Künstler heißt Mark Freiboth und unser Bassist Boris hatte den Kontakt hergestellt. Wir unterbreiteten ihm unsere Vorstellungen und er kam mit gezeichneten Vorschlägen. Wir mochten schon immer nicht-szenetypisches Artwork. Wir haben uns für dieses Bild entschieden, weil wir der Meinung sind, dass es am besten den Geist und den Charakter der Platte widerspiegelt.