Lesens- und Sehenswert: DORFPUNKS

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Buch: 2004 • Rowohlt • 208 S., 8,99 Euro / Film: D 2009 • Regie: Lars Jessen

Und jetzt erstmal alle so: „Wie lange soll das her sein? 12 Jahre? Nie und nimmer!“ Doch, es war 2004, als Rocko Schamoni, Jahrgang 1966, „Dorfpunks“ veröffentlichte, seine weitgehend autobiografischen Erinnerungen an seine Punk-Jugend im fiktiven Örtchen Schmalenstedt in Schleswig-Holstein, das in echt Lütjenburg heißt. Die Erzählung setzt 1976 ein, und Schamoni erzählt von seiner Jugend auf dem Land, wohin es ihn verschlagen hat, als seine wohlmeinenden Eltern sich dort in der Provinz einen alten Bauernhof gekauft hatten. Was für Erwachsene die Realisierung eines Traums ist, ist für Jugendliche die Hölle – speziell dann, wenn man „anders“ ist, nicht so recht zu den anderen, „normalen“ passt. Wer selbst entsprechend provinziell aufgewachsen ist, kann davon ein Lied singen ... Das Problem, sich nicht anpassen zu wollen und zu können, verschärft sich mit fortschreitender Pubertät, und als dann noch Punk dazukommt, wird es teilweise grenzwertig. Auch diese Stories von bisweilen körperlichen Auseinandersetzungen mit der tumben Landjugend kennen viele von uns aus ihrer eigenen Jugend, ganz gleich, ob die in den Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern oder „Nullern“ war. Manche Dinge ändern sich eben nie.

Besser wird das Leben für den Protagonisten des Buches erst, als er mit Gleichgesinnten eine (völlig erfolglose) Band gründet und eine Töpferlehre beginnt, die ihm zumindest Freiraum und Freiheit verschafft, bis er schließlich Mitte der Achtziger den Absprung in die Großstadt schafft. Das Beeindruckende an Schamonis Roman ist die universelle Gültigkeit des hier Geschriebenen. Fast jede der Situationen, ob Alk-Exzess oder Stress mit Dorfprolls, Eltern oder Schule, das generelle Gefühl des Nicht-Dazugehörens, hat jeder von uns einst erlebt, es hat uns geprägt. Schamoni schrieb das durchaus humorvoll nieder, aber nie klamaukig – „Dorfpunks“ ist eines jener Bücher, die all jenen aus der Seele sprechen, die dabei waren.

Fünf Jahre später verfilmte Lars Jessen das Buch, und erfreulicherweise gelang ihm die exakte Transformation des Geschriebenen. Die Schauspieler, allen voran Hauptdarsteller Cecil von Renner, sind glaubwürdig. Jessens nahm das Buch ernst und verzichtete auf Klamauk, legte dagegen viel Wert auf authentische Ausstattung dieser Coming of Age-Geschichte, die an Originalschauplätzen gedreht wurde. Sehr gelungen ist auch der mit reichlich Punkhits versehene Soundtrack (u.a. BUZZCOCKS, STIFF LITTLE FINGERS, FEHLFARBEN). Deshalb: Unbedingt sehenswert.