FRANK POPP

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Hardcore, Soul und Coca-Cola

Berlin-Kreuzberg im Lido, Ende 2015, Festival mit HAMMERHEAD, SVFFER, SNIFFING GLUE und anderen. Hardcore-Punk also. In vielen Gesprächen kommt man immer wieder auf den Veranstalter zu sprechen: Frank Popp. Kaum einer will glauben, dass Frank der Typ ist, der mit seinem FRANK POPP ENSEMBLE Anfang/Mitte der 2000er Jahre sehr populär war und mit „Hip teens don’t wear blue jeans“ einen Radiohit landete. Zu gegensätzlich scheinen der soulige Mainstream-Song und das Getöse, das an diesem Abend stattfindet. Im folgenden Gespräch erzählt Popp, wie Punk, Hardcore und Mod-Kultur, wie Musikbusiness und Musikliebhaberei bei ihm zusammenfanden.

Wie hat es bei dir angefangen, dass du dich intensiver für Musik und speziell Punk interessiert hast?

Mit 12 oder 13 habe ich angefangen, Metal zu hören. In Hilden, wo ich herkomme, gab es einen Platz vor dem Hertie-Kaufhaus und da hingen Punks, Rockabillys, Psychobillys und Skins gemeinsam rum. So viele gab es damals ja nicht. Das war eine Szene aus verschiedenen Szenen. Das fanden wir total cool und hingen da als die Jüngsten auch rum. Wenn es die Eltern erlaubt haben, sind wir auch auf Konzerte gegangen, das waren aber eher komische Psychobilly-Events. Das hat sich dann weiterentwickelt, es kamen Deutschpunk und englische Sachen wie THE CLASH. Später fuhren wir Skateboard, hörten Hardcore und in Hilden waren dann INTRICATE unsere Band.

Hast du damals selber Musik gemacht?

Nein, nicht so richtig. Ich habe mal in so einer Knüppel-Hardcore-Band Bass gespielt und gesungen. NYHC schlecht nachgespielt, würde ich heute sagen. Der Auslöser für mein Interesse an Sixties-Kram war dann eigentlich der Unique Club, der damals im Rheingoldsaal in Düsseldorf stattfand. Dort kam ich zum ersten Mal mit Mod-Musik, „Pebbles“-Sound und Northern Soul in Kontakt. Als der Unique Club dann in die Altstadt gezogen ist, habe ich dort donnerstags aufgelegt und Bands gebucht. Dadurch bin ich an Sam Leigh-Brown gekommen, die eher aus dem Jazzbereich kommt, auch Jazzgesang studiert hat, auch sehr vom Northern Soul beeinflusst war. In der Zeit habe ich Grafikdesign studiert und auf meinem Mac mit Samples herumexperimentiert, wie man das so aus dem Oldschool HipHop kennt: einen Beat basteln und dann irgendwelche Soundschnipsel aus alten Sachen darunter legen. Und Sam hat dazu gesungen. Das war Ende der Neunziger, Anfang 2000.

Hast du dich in der Zeit von der Hardcore-Szene entfernt?

Ich habe eigentlich immer Indie-Gitarrenmusik gehört, auch so Punk-Sachen wie THE HIVES, aber in diesem eigentlichen Hardcore-Ding war ich nicht mehr drin.

Wie ging es mit dem FRANK POPP ENSEMBLE weiter?

Ich habe ja im Unique Club aufgelegt, dort auch die Plakate und Flyer gemacht und hing da im Büro rum. Der Club hatte auch ein Label und promotete Bands. Denen habe ich dann irgendwann auch untergejubelt, was ich mit der Sam gemacht habe. Die fanden das gut und haben die erste Single herausgebracht und die verkaufte sich auch ganz gut. 2001 kam da dann das „Hip teens“-Ding heraus, das war in einem Werbespot drin und Warner ist darauf aufmerksam geworden.

Wie lief das konkret ab?

„Hip teens“ war 2001 noch ein Clubhit, lief im Radio und hatte für Indie-Verhältnisse ganz gute Response. In Italien zum Beispiel lief der Song komischerweise zehnmal am Tag bei MTV. Dann hieß es vom Vertrieb: Ihr müsst jetzt mal mit der Band hinfahren. Aber wir waren ja gar keine Band, das waren nur eine Sängerin und ich. Also hieß es: Dann gründet eben eine! So habe ich eine Crew von Leuten zusammengetrommelt, die ich eben kannte, und wir gingen in Italien auf Tour.

Und dann habt ihr die aus Samples gebauten Sachen live nachgespielt oder seid ihr zum Playback aufgetreten? Wie kann man sich das vorstellen?

Ich habe das Arrangement als Grundgerüst genommen, wie das viele Bands machen. Die Gitarren gemuted und der Schlagzeuger bekam einen Klick. Bläser- und Streichersamples liefen zum Teil noch mit und wir haben mit einer kompletten neunköpfigen Band darauf gejuckelt, haha. 2003 war „Hip teens“ dann der Song zu einer Coca-Cola-Werbung.

Wie läuft so etwas? Coca-Cola ruft einfach an oder machen das irgendwelche Agenten?

Die Songs waren ja bei einem Musikverlag und die verschickten immer wieder CDs mit neuen Songs an Agenturen und Werbepartner. Und die Agentur von Coca-Cola hat sich dann tatsächlich gemeldet und wollte den Song haben. Den haben sie dann auch bekommen. Das wurde über Verlag und Label lizensiert. Und der Spot lief dann im Fernsehen, ein halbes Jahr oder so. Davon hat Warner dann auch Wind bekommen und den Song von unserem ursprünglichen Label Unique lizensiert.

Ich habe mal eine Geschichte von THE NOTWIST gehört. Die haben ein extrem lukratives Angebot von einem Mobilfunkanbieter bekommen und abgesagt. Die Firma wollte die aber unbedingt haben und hat obszön erhöht. THE NOTWIST haben gesagt: Nein! War für dich von vornherein klar, da mitzumachen?

Das läuft ja so: Alles, was reinkommt, muss ich genehmigen, der Verlag und das Label auch. Verlag und Label genehmigen ja immer erst einmal alles. Aber ich habe bei ein paar Werbeanfragen schon deutlich gesagt, dass ich nicht will, dass mein Song da läuft.

Die meisten Musiker werden so was natürlich gar nicht gefragt. Aber für dich, wo ist da die Grenze?

Nein sagen würde ich auch heute noch bei so Sachen wie McDonald’s oder der Bild-Zeitung. Dafür macht „man“ halt nichts. Mir ist es auch lieber, wenn ich einen Auftrag erhalte, für eine bestimmte Werbung etwas zu produzieren, als wenn die sich von meinem Album einen Song herauspicken. So war es aber nie, die haben sich immer Stücke von den Alben herausgesucht.

Dann warst du ja auch recht präsent in den Medien.

Ja, „Die Oliver Pocher Show“ hatte „Hip teens“ als Titelsong. Und auf Promo-Tour mussten wir auch mal dahin.

War’s schön?

Nee. Haha. Das machte irgendwann keinen Spaß mehr und nach der Single ist auch alles wieder in die Brüche gegangen mit Warner, weil ich mich für deren Begriffe quer gestellt habe. Meiner Ansicht nach habe ich da schon viel Zeit mitgebracht. Aber bei so Sachen wie „The Dome“ habe ich dann abgesagt, haha. Bei „Top of the Pops“ habe ich ja noch zweimal mitgemacht, weil das eine Sendung war, die noch irgendwie eine Tradition hat und aus England hier rübergebracht worden ist, wo früher auch Bands aufgetreten sind, wo man das für sich selber rechtfertigen kann. Aber irgendwo ist dann auch Feierabend. Ballermann-Show in El Arenal und „The Dome“ – da muss ich leider passen. Also gingen die Diskussionen los und dann ist man lieber wieder getrennte Wege gegangen. Dazu kam, dass ich sowieso kein richtiger Live-Musiker bin, sondern eher Produzent und ein Typ fürs Studio, der die Instrumente nur ein bisschen spielen kann. Auf der Bühne zu stehen hat mir nie so richtig Spaß gemacht, sondern war eher eine Pflicht. Mir geht da keiner ab, wenn ich auf der Bühne stehe und auf der Orgel herumdrücke. Von daher war ich eigentlich auch ganz froh, dass das alles irgendwann wieder vorbei war.

Siehst du heute über die GEMA noch was von deinem früheren Erfolg? Ist die Miete noch drin?

Ja, so ungefähr.

Wie ging es musikalisch weiter mit dir?

Ich habe 2009 mein letztes Album rausgebracht, das war vom Stil her etwas anders, ganz ohne Samples, alles live eingespielt, mit Drummer und so weiter. In dem Jahr bin ich dann auch nach Berlin umgezogen und habe mir hier mit ein paar Kumpels eine neue Band zusammengestellt, unter anderem mit Christoph Lindemann, der heute auch Sänger von KADAVAR ist. Und wir sind zu dem Album noch mal getourt, unter anderem in Griechenland und Spanien. Dann habe ich das aber für mich abgeschlossen und bin dazu übergegangen, Veranstaltungen zu organisieren. Bis vor einem Jahr hatte ich noch ein Studio, habe aber eher andere produziert, als eigenen Kram zu machen.

Ich habe bei dir den Eindruck, dass in der letzten Zeit eine Rückbesinnung zum Punk stattfindet. Wie siehst du das?

Dass ich jetzt das Sick & Tired-Festival gemacht habe, war natürlich so ein Jugend-Flashback. Ich höre so Kram aber auch einfach gerne. Aber dieses Hardcore-Ding läuft immer parallel zu anderen, zum Teil ruhigeren Sachen. Ich bin allerdings nicht so der Fan von modernem Hardcore.

Was machst du heute?

Ich mache noch ein bisschen Musik, aber im Moment komme ich durch den ganzen Veranstaltungskram nicht so richtig dazu. Ich habe drei regelmäßige Veranstaltungen im Monat: Seit sieben Jahren das TV Eye-Labelfest im Bassy, das ist eher Sixties-Garage-Punk-lastig, seit fünf Jahren das Fave-Rave, da läuft Punk und New Wave, und seit zwei Jahren mache ich eine Hardrock- und Oldschool-Metal-Veranstaltung namens Paranoid.

Von außen ist es nicht so leicht nachzuvollziehen, wie es kommt, dass du so unterschiedliche Sachen mit unterschiedlichen Stilen machst.

Es gibt ja Hardliner, die sich nur einer Bewegung hingeben, nur eine bestimmte Musik hören und alles andere ausblenden. Es war aber bei mir immer so, dass ich unterschiedliche Sachen gemocht habe. Durchgehend habe ich zum Beispiel auch viel HipHop gehört. Ich kenne mich einfach in vielen Musikrichtungen ganz gut aus und bin da auch nicht voreingenommen. Ich würde in jeder Musikrichtung etwas finden, das mir gefällt. Manche verschließen sich da vielleicht mehr. Ich steh immer noch auf Northern Soul, aber eben auch auf Punk. Es gibt Phasen, in denen ich mich mehr in eine Sache vertiefe und mal in eine andere. Vor ein paar Jahren war ich mehr mit der Mod-Szene verbandelt, heute etwas weniger. Ich kenne aber auch Mods, die MELVINS und NEUROSIS hören. Ich finde es fast bemitleidenswert, wenn Leute nur ein Ding durchziehen. Es mag ja Spaß machen, sich in nur eine Sache zu vertiefen und jede 100er-Auflage-7“ von irgendwo auf der Welt zu kaufen. Aber dann verpasst man eben auch viel Gutes aus anderen Genres.

Bist du jemals einer „geregelten“ Arbeit nachgegangen?

So richtig nicht. Natürlich habe ich vor und während des Studiums mal gejobbt, aber seitdem musste ich nicht mehr irgendwo angestellt sein. Mir wurde während des Studiums klar, dass ich selbständig sein muss, haha.

Das finde ich schon bemerkenswert, denn für die meisten ist es doch so, dass sie irgendwann in die Arbeitswelt eintauchen und Musik oder auch Punk eher eine Freizeitbeschäftigung wird. Wieso lief das bei dir anders?

Ich mache immer viele Sachen gleichzeitig. In den letzten Jahren zum Beispiel läuft mein Grafik-Ding wieder ganz gut und das ist komischerweise einigermaßen gut bezahlt. Vor zehn, fünfzehn Jahren wollte fast keiner mehr für seine Veranstaltungsplakate oder Plattencover Geld ausgeben, weil jeder dachte, er könnte das mit Photoshop selber machen. Aber in den letzten Jahren gibt es den Trend, dass die Leute Bock haben, etwas für Artwork zu investieren. Wenn bei mir mal eine Sache nicht so gut läuft, habe ich immer noch eine oder zwei andere, die ich machen kann. So kam bei mir nie der Punkt, an dem ich ans Fließband musste.

Und das machst du auch zukünftig, sogar wenn du auf die fünfzig zugehst?

Na ja, ich weiß nicht, ob ich noch ewig hinterm Plattenteller stehen will, mit grauen Haaren und Falten. In der Northern Soul-Szene ist das vielleicht sogar noch gang und gäbe. Aber da noch mit fünfzig zu stehen und für Zwanzigjährige Musik auflegen – da will ich nicht landen. Veranstaltungen zu organisieren kann ich mir da eher vorstellen, da man da nicht immer vor Ort sein muss, aber noch etwas mit der Sache zu tun hat, die man mag. Diese Grafik-Sachen werde ich sicher auch weiter machen und in der Freizeit vielleicht noch etwas Musik. Das ist der Plan.

 


DISKOGRAFIE

Ride On! (CD, Unique, 2001), Ride On! (CD, Unique, 2003, Wiederveröffentlichung mit neuen Songs), Touch And Go (CD, Unique 2005), The Frank Popp Ensemble (CD, Universal, 2006, nur UK, mit Songs der beiden vorangegangenen Alben), Receiver (CD, TV Eye, 2009, nur als Frank Popp)

SINGLES: The Catwalk EP (EP, Unique, 2000), High Voltage (CD, Unique, 2001), Hip Teens Don’t Wear Blue Jeans (CD, Blow Up, 2001), You’ve Been Gone Too Long (CD, Unique, 2002), Love Is On Our Side (CD, Unique 2003), Breakaway! (CD, Unique, 2003), The World Is Waiting (CD, Unique, 2005), Gettin’ Down (CD, Unique, 2006)