MANTAR

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Der schwärzeste und böseste Rock’n’Roll

Sie sind zu zweit und räumen im Extrem-Metal gerade so ziemlich alles aus dem Weg. MANTAR haben vor zwei Jahren mit ihrem Debütalbum „Death By Burning“ einen Coup gelandet. Die Jungs aus Bremen bekamen eine Menge Aufmerksamkeit durch Presse und die Sludge- und Doom-Gemeinde. Inzwischen haben Hanno und Erinc einen Plattenvertrag beim Metal-Big-Player Nuclear Blast unterschrieben und sind jetzt Labelmates von SLAYER, ANTHRAX und KREATOR. Trotzdem wird sich mit „Ode To The Flame“ nicht viel ändern, versprechen zumindest die beiden.

Hat euch der Erfolg eures Debütalbums „Death By Burning“ überrascht?

Hanno:
Die Erwartungshaltung war sehr gering, also werten wir alles, was passiert, als positiv. Wir hatten ja erst ein paar Monate zusammen gejammt und dann die Platte aus der Hüfte heraus aufgenommen. Dann haben wir mit Svart Records gleich ein gutes Label gefunden und aus irgendeinem Grund mochten die Leute die Platte sehr. Natürlich waren wir sehr überrascht, wir sind ja keine 18 mehr und machen schon seit vielen Jahren Musik. Sowohl die Verkaufszahlen als auch die Reaktionen der Presse waren besser, als wir je angenommen hätten. Dann waren wir mit dem Album in zwanzig Ländern unterwegs, allein dreimal in den USA. So was passiert schon sehr selten, aber wir haben natürlich auch hart dafür gearbeitet.

Musstet ihr eure Pläne mit der Band nach diesem unerwarteten Erfolg ändern?

Erinc:
In der Tat. Wir kommen gar nicht mehr zum Arbeiten. Ich habe noch einen Freelancer-Job als Content-Manager in Bremen, für den ich vergangenes Jahr insgesamt zehn Stunden gearbeitet habe. Da mussten wir ein bisschen umdisponieren. Aber wir sind natürlich sehr froh, dass wir für unsere eigene Kunst arbeiten dürfen.

Hanno: Momentan entsprechen die Einkünfte durch die Band aber noch dem Einkommen eines unterdurchschnittlichen Studentenjobs. Als wir beide noch gearbeitet haben, hatten wir deutlich mehr Geld. Ich war als Online- und Print-Promoter bei Oktober Promotion. Es ist natürlich unglaublich geil, dass du jetzt mal eine Show spielst, für die du ein bisschen Geld kriegst, von dem du dein WG-Zimmer bezahlen kannst. Aber zum Glück sind wir beide alt genug, um zu wissen, dass es ein Spiel auf Zeit ist. Irgendwann gehen wir wieder arbeiten und dann ist das auch okay.

Gab es mal durch die große Aufmerksamkeit eine bizarre Situation, in die ihr geraten seid?

Hanno:
Am geilsten sind natürlich immer kopierte A5-Schwarz/Weiß-Fanzines aus Südamerika oder eine Drei-Seiten-Story in einem Magazin über Horrorfilme aus Spanien. Und dann habe ich mich natürlich auch über Pitchfork Media gefreut, die das Album in den USA total abgefeiert haben. Wer sich da als Musiker nicht freut, ist für mich ein Poser. Oder auch der ganzseitige Bericht im Hamburger Abendblatt, wo der Kulturredakteur totaler Metal-Fan ist, das war super.

Erinc: Für mich war am geilsten eine türkische Metal-Zeitschrift namens Head Bang. Die einzige, die es dort gibt. Da hatten wir auch eine ganze Seite mit großem Foto. Also das war schon cool, das konnte ich sogar meinen Eltern zeigen.

Hanno: Oder das Schwulen-Magazin aus Kanada, wo sie entschieden haben, dass wir das schönste Albumcover 2014 hatten. Das fand ich auch super! Oder dass die Band überall gefeaturet wurde und dass unsere Live-Videos auch auf Spiegel-Online gezeigt wurden. Aber die Band befindet sich immer noch zu 90% in einem absoluten Underground-Stadium.

Das mit dem Underground ist ja vielleicht bald Vergangenheit, denn ihr habt inzwischen einen Vertrag bei Nuclear Blast unterschrieben. Warum dieses Label?

Hanno:
Wir hatten so ziemlich von jedem Label ein Angebot. Bei uns stand aber ganz lange die Überlegung im Raum, von jeglichem Label Abstand zu nehmen und alles alleine zu machen. Als wir uns gegründet haben, wollten wir eigentlich nur ein paar Tapes rausbringen. Jetzt haben wir mit Svart dann aber doch ein paar tausend Platten verkauft. Und inzwischen bekommen wir jeden Tag Post von Leuten aus irgendwelchen Ländern, die fragen: Warum bekomme ich eure Platte nicht? Oder warum kostet das dreißig Euro Porto? Und irgendwann haben wir uns entschieden, dass ein Schritt zu einem Label ein Schritt zu einer Infrastruktur ist. Und Nuclear Blast hat mit Abstand das fairste Angebot gemacht.

Habt ihr Angst vor Ausverkaufsvorwürfen? Ihr wart ja vorher bei einem kleinen Indielabel.

Erinc:
Das kann natürlich passieren. Das schließe ich nicht aus. Aber Angst habe ich nicht davor. Wir sind als Band diesen Schritt gegangen, um einen besseren Vertrieb zu haben. Ich möchte gerne alle Leute erreichen, die die Band hören wollen, und das wird uns durch Nuclear Blast erleichtert. Wenn ich eine Band gut fand, die dann bei einem großen Label unterschrieben hat, habe ich ja nicht aufgehört, die Band zu hören, wenn die Musik immer noch gut war.

Hanno: Ich glaube, das neue Album ist noch böser und noch kompromissloser. Also bis jetzt fanden es ausnahmslos alle gut, die es gehört haben. Egal, wo du hinschaust, alle Leute sind enttäuscht, wenn sie herausfinden, dass ihr Arbeitskollege und ihr Nachbar die Band jetzt auch gut findet. Sobald dein Schatz von anderen entdeckt wird, bist du total abgeturnt. Aber weder Erinc noch ich waren solche Szenetypen und haben unbekannte Bands als einzig harte Währung betrachtet und wie beim Auto-Quartett untereinander getauscht.

„Ode To The Flame“ klingt in meinen Ohren eher nach extrem brutalem Rock als nach Metal. Teilt ihr diesen Eindruck?

Hanno:
Da hast du nicht unrecht. Wir sind von unseren technischen Fähigkeiten her mehr eine Rock- als eine Metalband. Und die Zutaten für die neue Platte sind nicht wahnsinnig anders im Vergleich zum ersten Album. Entscheidend bei MANTAR ist der Groove. Blast-Beats und solche Sachen sind nicht unser Metier. Wir versuchen einfach, die schwärzeste und böseste Form von Rock’n’Roll zu spielen, die irgendwie möglich ist.

Der Song, der mir sofort aufgefallen ist, war „Era Borealis“. Irgendwann habe ich da „California über alles“ verstanden. Worum geht es in dem Song?

Hanno:
Der Text heißt „This is Era Borealis. This is death über alles.“ Das hat ein US-Kollege auf Tour gesagt als Kommentar zur MANTAR-Show. Weil er unseren Auftritt so böse und angepisst fand. Das ist dann bei uns als Slogan hängengeblieben. Das ist natürlich witzig, wegen der DEAD KENNEDYS-Referenz. Ich bin ja zu 100% mit Punk sozialisiert worden. Ich hatte immer viel mehr mit Punk zu tun als mit Metal. Es ist aber schwer für mich, über einen einzelnen Song zu reden. Der textliche Inhalt der gesamten Platte ist sehr düster und negativ. „Ode To The Flame“ knüpft nahtlos an „Death By Burning“ an. Es geht um das Feuer als Leitmotiv und um die reinigende Kraft des Feuers, dass alles durch Feuer ausgelöscht wird, damit es wieder komplett neu beginnen kann.

Das klingt verdammt finster. Warum so finster?

Hanno:
Finstere Themen üben auf uns eine gewisse Faszination aus. Ich finde die Platte ist aber auch nicht negativ, sondern eher drastisch. Vielleicht ist so eine Band auch eine Möglichkeit, seine Angepisstheit einfach mal rauszurotzen.

Es sind auch finstere Zeiten gerade und es gäbe ja auch politisch einiges zu sagen.

Hanno:
Das können andere besser als wir. Hätte ich wirklich was zu sagen, würde ich auf Deutsch singen, dann würden es alle verstehen. Auch wenn wir als Personen Meinungen haben, sind MANTAR keine politische Band. Die einzige Message, die wir haben, ist brutal und destruktiv. Das ist die Kraft der Musik und dieser destruktive Rausch macht uns Freude. Das hat mit Politik nicht wirklich etwas zu tun.

Prägend für den Sound von MANTAR ist, dass ihr nur zu zweit seid. Warum habt ihr euch entschieden, als Duo zu spielen?

Hanno:
Als wir angefangen haben, Musik zu machen, gab es sogar die Überlegung, einen Bassisten mit an Bord zu nehmen. Aber es hat sich einfach keiner gefunden. Dann habe ich einfach drei oder vier komplette Anlagen aufgebaut und alles mit Lautstärke kompensiert. Und Erinc ist ja auch kein leiser Schlagzeuger. Dann haben wir das aufgenommen und gemerkt, dass das auf Platte ohne Tricks genauso fett rüberkommt. Es gab also nie das Dogma „Zwei-Mann-Band“. MANTAR hätten genauso gut eine Vier- oder Acht-Mann-Band sein können. Es hat sich einfach nicht ergeben. Ich glaube inzwischen, dass wir als Duo besser sind, als wir mit weiteren Musikern sein könnten. Diese Energie zwischen Erinc und mir würde dadurch nur verwässert.