DIVIDING LINES

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Allein in der Menge

Der Deathrock/Post-Punk-Mix der Leipziger DIVIDING LINES klingt wie aus den Achtzigern herüber geweht und ist dennoch fernab von jedwedem Plagiat. Das Quintett um die blonde Sängerin Marie – einige Parts singt auch Bassist Erich – wirkt ungemein reif, sympathisch und bodenständig. 2014 erschien ihr Debüt „Lonely In The Crowd“ bei Contra Lights auf CD und nun die LP „Wednesday/6pm“ bei Plastic Bomb.

Sechs Songs vom Debüt habt ihr jetzt in neuer Version auch aufs neue Vinyl gepackt. Wie kommt’s?

Micha: Das liegt ganz einfach daran, dass das erste Album bei mir im Homestudio aufgenommen wurde, und zu dieser Zeit hatten wir noch keinen Drummer, demnach wurden alle Songs mit digitalen Drums bestückt. Und dazu kommt noch die Tatsache, dass sich die Songs auf dem ersten Album absolut nicht so anhören, wie wir sie live spielen, deswegen sind ein paar Songs der alten Scheibe auf der neuen Platte gelandet.

Erich: Genau so ist das. Der größte Teil des Debütalbums gehört noch immer zu unserem Live-Set. Die Songs wurden aber alle neu arrangiert mit Live-Drums und Keys und wurden etwas umgeschrieben, so klingen sie viel dynamischer, etwas schneller sind sie auch geworden. Ich hätte das Debütalbum auch schon gern als Vinyl herausgebracht. Damals hatte das kleine Undergroundlabel Contra Light aber nicht die finanziellen Mittel dazu und wir selbst schon gar nicht. Deshalb sind wir extrem froh und glücklich darüber, dass das neue Album jetzt auf Plastic Bomb als Vinyl erschienen ist.

Man hört bei euch enorm viele Einflüsse heraus, ein bisschen erinnert es an SIOUXSIE AND THE BANSHEES oder SISTERS OF MERCY. Aus welcher Richtung stammt eure eigentliche musikalische Sozialisation?

Sascha: Das ist bei uns allen etwas anders gewesen. Ich habe früher viel Achtziger-Jahre-Deutschpunk gehört: Uffta-Uffta und straighte Beats. Das liegt mir auch am Schlagzeug. Ich vermute aber, unsere gemeinsamer Nenner sind schon die einschlägigen Post-Punk-Bands.

Micha: Ich kann dir das gar nicht so genau sagen, da bei uns so viele verschiedene Stile vertreten sind, Punk, Post-Punk, Deathrock ... Für mich selbst war es viel wichtiger, eine musikalische Fusion zu schaffen, als drüber nachzudenken, was für einen Stil wir bedienen wollen.

Woody: Da kann ich Micha nur zustimmen, bei uns steht der Spaß am Musizieren im Vordergrund. Mir muss ein Lied gefallen, da ist mir das Genre egal. Aber als Keyboarder habe ich unter anderem natürlich auch einen elektronischen musikalischen Background.

Marie: Da geht es mir wie Woody. Klar hab ich ein, zwei Genres, die ich am liebsten höre, aber finde ich einen Song aus anderen Genres gut, wird der genauso rauf und runter gehört, und das passiert nicht zu selten. Dein Beispiel SIOUXSIE AND THE BANSHEES trifft natürlich auch ganz gut auf mich zu. Ich liebe es, wie Siouxsie singt!

Erich: Unsere Songs entstehen aus dem Bauch heraus – da kommt wirklich einiges zusammen. Bei mir waren es WIPERS, FLIEHENDE STÜRME, CORTEX, JOY DIVISION und die erste Scheibe von CINEMA STRANGE – sehr zu empfehlen!

Eure tonale und stimmliche Reife erstaunt mich ungemein, das klingt nicht nach einer unerfahrenen, neuen Band.

Micha: Ich würde mal sagen, das liegt daran, dass wir alle nicht unerfahren sind. Wie zum Beispiel Erich, der noch in zwei weiteren Bands spielt, NASTY PACK und JÖEY CLASH, oder auch Marie, die schon immer gesungen hat.

Erich: Danke für das Kompliment. Woody und ich haben schon einige Jahre Erfahrung, was Bands und Auftritte angeht. Micha hatte schon mehrere Studioprojekte, unter anderem SPECTRE THEATRE mit dem Sänger von TRAGIC BLACK. Marie singt schon seit gefühlten tausend Jahren, DIVIDING LINES sind aber ihre erste Band .Und Sascha spielt Schlagzeug, haha. Ich denke, es liegt einfach daran, dass es bei uns innerhalb der Band einfach harmoniert, musikalisch wie auch menschlich.

Marie: Tausend Jahre sind es nun nicht, aber ich habe ungefähr mit zehn oder so richtig angefangen, Unterricht zu nehmen, und habe mich bis heute in vielen Gesangsstilen ausprobieren können. Aber ich glaube, erst bei unserer Band habe ich so richtig zu meiner „eigenen“ Stimme gefunden, und ich entdecke immer noch viele andere Möglichkeiten, die mich selbst überraschen. Es liegt wirklich daran, dass wir uns alle gut ergänzen und einen riesigen Spaß daran haben.

Eine Band gründet man oft, weil man Idole hat und auch in dieser oder jener Art komponieren will. Und dann sagt wieder einer: „Klingt ja wie ...“. Versucht man, sich als Band davon abzugrenzen, oder bleiben im Unterbewusstsein die einstigen Vorbilder weiterhin präsent?

Sascha: Etwas schwingt das schon mit, aber vielmehr beeinflussen wir uns gegenseitig oder aktuelle andere Bands beeindrucken uns. Dann machen wir, was sich gut anfühlt und worauf wir Bock haben, ohne konkreten Fahrplan.

Micha: Wir haben eine Band gegründet, weil wir Bock hatten, Mucke zu machen, nicht um irgendwelchen Idolen nachzueifern.

Erich: Als wir unsere ersten Songs schrieben, hatten wir keine konkrete Vorstellung, wie unsere Musik überhaupt klingen soll. Wir haben einfach drauflos gespielt und so entstand dann der Sound von DIVIDING LINES.

Marie: Ich habe darüber auch ehrlich gesagt noch nie so richtig nachgedacht. Bei mir war es erst so: „Aaaaahhh, ich habe jetzt eine Band ... cool!“ Aber jetzt muss ich den Jungs von der Band ja auch irgendwas präsentieren, erschreckend. Es ist so großartig zu lernen, seine eigenen Ideen umzusetzen, die da irgendwo im Kopf herumschwirren, sich selber zu finden, als Band seine eigene Musik zu finden. Ich finde es auch immer ein bisschen schwierig, so klingen zu wollen wie XY. Denn mal ehrlich, wenn man wirklich ein Riesenidol hat, ist es doch eher etwas deprimierend, wenn man das Ganze dann nicht hinbekommt. Außerdem hat irgendwem nachzueifern für mich nichts mit Gefühl zu tun. Unsere Musik kommt aus dem Bauch und das ist schön und gut so.

Es gibt Videoclips von euch, die abermals erstaunen. Sie erzählen Geschichten, sind sehr professionell produziert und doch hatte ich sofort das Gefühl, euch schon lange zu kennen. Es wirkt alles so vertraut und ihr wirkt so normal, im positiven Sinne.

Marie: Darüber reden wir ja auch bei unserem Making-of-Video von „House of sugar“. Es ist tatsächlich so, dass wir schon öfter dafür kritisiert worden sind, dass wir zu lustig seien für unsere Musik. Na ja, da kann man wohl nichts machen. Wir lassen doch die ganze Scheiße schon in unseren Songs raus, wenn wir jetzt noch traurig wären, würde ich mir aber schwer Sorgen machen. Dass unsere Videos so professionell sind, liegt schlicht daran, dass wir unseren lieben Kumpel Ron haben, der Film studiert hat, und auch unseren lieben Kumpel Haschke, der ebenfalls in der Richtung unterwegs ist. Da haben wir einfach mal Schwein gehabt so tolle, talentierte Freunde zu haben, die uns unterstützen.

Marie, du hast lange und nicht gerade leichte Gesangsparts zu absolvieren. Bist du diejenige in der Band, die bei den Songs deshalb das letzte Wort hat, oder stammen die meisten Songs ohnehin von dir?

Marie: Ich kann dir sagen, das ist manchmal gar nicht so einfach mit diesem ewigen Gesinge. Da bleibt mir so manches Mal die Puste weg. Was die Songs betrifft, habe ich genauso oft das letzte Wort wie alle anderen auch.

Eine reine Demokratie ist doch in den meisten Bands nicht gegeben, oder ist das bei euch anders?

Micha: Wir entscheiden alles gemeinsam. Keiner bei uns sagt, wo es langgeht.

Woody: Meist entstehen die Songs aus einer Idee heraus. Sei es ein Riff, ein Beat oder ein Sound. Und dann spielen wir alle was dazu, schauen, ob es passt und uns allen gefällt. Im Laufe der Proben und Konzerte entwickeln sich die Lieder dann dynamisch weiter, bis wir sagen: Geil, das ist ein Hit!

Erich: Hahaha, so ist das!

Leipzig ist eine sehr politisierte Stadt, es kommt auch hin und wieder zu Ausschreitungen. Bezieht ihr dazu auch Stellung?

Sascha: Hier könnten wir länger antworten und jeder von uns denkt da bestimmt etwas anderes. Um es trotzdem kurz zu halten: Ich finde es gut, wenn keine rechte Demo durch Connewitz laufen kann und Leipzig generell nicht so wie Dresden aktuell Schlagzeilen macht. Andererseits ist Gewalt oft nicht zielführend und kann viele andere Demonstranten verschrecken und enttäuschen.