MELVINS

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Basslastig

Mit den MELVINS und ihren Bassisten verhält es sich in etwa so wie mit SPINAL TAP und den Drummern: Sie kommen und gehen. Jetzt haben King Buzzo und Dale Crover die Not zur Tugend gemacht und ein Album mit insgesamt sechs wechselnden Bassisten veröffentlicht. Und nebenbei haben sie auch noch das vor 16 Jahren mit Mike Kunka begonnene (Bass-)Projekt „Three Men And A Baby“ über die Ziellinie gebracht.

Die MELVINS waren ja nie eine berechenbare Band. Ihr hattet in eurer Bandgeschichte schon einige überraschende, sehr erfrischende Line-up-Wechsel und auch sonst habt ihr einiges ausprobiert. Wie kommen solche Ideen zustande?

Buzz: Eigentlich geht es hauptsächlich darum, einfach angstfrei an die Sachen heranzugehen, dann kommt das wie von selbst. „Basses Loaded“ zum Beispiel ist aus einem Zufall heraus entstanden. Wir haben gar nicht mitbekommen, dass es passiert. Das haben wir erst festgestellt, als es schon so gut wie fertig war. Es steckte kein Konzept oder irgendeine Absicht dahinter, es hat sich einfach so entwickelt. Alles reiner Zufall. Das ist wirklich so.

Fällt euch in der Richtung etwas Spezielles ein, dass ihr gerne noch ausprobieren würdet? Es wäre interessant zu erfahren, was sich da eventuell noch so entwickeln könnte?

Buzz: Oh, nichts Spezielles. Na ja, ich will mir da auch nicht unbedingt in die Karten schauen lassen. Mir kommt aber nichts in den Sinn, das ich kategorisch ausschließen würde. Alles ist möglich.

Dale: Bootsy Collins am Bass wäre cool!

Das kürzlich veröffentlichte „Three Men And A Baby“ war unter euren vielen Baustellen wahrscheinlich ein Projekt, das ihr schon aufgegeben hattet.

Buzz: Ja. Wir haben dafür unglaubliche 16 Jahre gebraucht, damit haben wir „Chinese Democracy“ von GUNS N’ ROSES getoppt! Das war unser geheimes Ziel, haha. Nein, ehrlich gesagt haben wir nie geglaubt, dass es jemals herauskommen würde, das kam alles ziemlich überraschend für uns. Aber ich bin glücklich, dass es jetzt tatsächlich erscheint. Wir hatten die Platte damals für Sub Pop eingespielt, und als sie dann nach so langer Zeit endlich fertig war, wollte Sub Pop sie nicht herausbringen. Bis sie sie gehört haben. Dann wollten sie doch. Was für eine Überraschung!

Die „Basses Loaded“-Tracks stammen aus verschiedenen Sessions, manche wurden auch schon vorher auf EPs veröffentlicht. Kann man „Basses Loaded“ also als Puzzlespiel bezeichnen, dessen Teile einfach nur richtig zusammengesetzt werden mussten?

Dale: Ja, das stimmt, es waren verschiedene Sessions, aber es war im Prinzip nicht viel anders als das Zusammensetzen unserer bisherigen Alben. „Houdini“ zum Beispiel wurde auch in mehreren Sessions aufgenommen. In dem Zusammenhang fällt mir gerade auf, dass wir darauf auch fünf verschiedene Bassisten eingesetzt haben. Wir haben das nur einfach bisher nie so hervorgehoben.

Krist Novoselic ist wohl derjenige unter den „Basses Loaded“-Bassisten, dessen Name auch einem größeren Publikum bekannt ist.

Dale: Ja, er hat die größte Reichweite, so kann man das ausdrücken. Und uns verbinden Dinge aus der Vergangenheit.

Dale, du bist ja selbst auch einer der „Basses Loaded“-Bassisten. Du hast in den Achtzigern schon mal über einen längeren Zeitraum hinweg intensiver Bass gespielt, jetzt seit einiger Zeit wieder. Wie kam das?

Dale: Wer sagt eigentlich, dass ich jemals damit aufgehört oder angefangen habe? Ich bin ein Schlagzeuger, der einfach gerne auch mal an verschiedenen anderen Instrumenten herumprobiert, sei es nun Gitarre, Bass, Sitar oder Trompete. Alle diese Instrumente habe ich auf irgendeiner MELVINS-Platte zu irgendeinem Zeitpunkt mal gespielt. Ich bin ein Trottel aller Klassen, aber Meister in keiner!

Werden die MELVINS jetzt ohne einen festen Bassisten weitermachen?

Dale: Derzeit möchten wir uns jedenfalls nicht an ein einzelnes Bandmitglied binden. Das lässt alle Möglichkeiten offen, zum Beispiel mit Steve McDonald zusammenzuarbeiten, der schon seit langem einer unserer Lieblingsbassisten ist. Steve ist gerade mit uns auf Tour und wird in diesem Jahr auch noch jede Menge Shows mit uns spielen.

Apropos, ihr tourt gerade wieder durch die USA. Ich nehme mal an, das ist nichts im Vergleich zu eurer 50-Staaten-plus-DC-Tour in 51 Tagen.

Dale: Die 51-Tour war im Grunde genommen nicht schwieriger als jede andere Tour auch. Freie Tage auf Tour zählen sowieso nichts, weil es eigentlich keine wirklich freien Tage auf Tour gibt. Wir haben übrigens gerade jetzt einen „freien“ Tag. Einen freien Tag, an dem ich Interviews gebe. Und an dem wir über 600 Meilen fahren müssen! Wir hatten die Route für die 51-Tour im Vorfeld einfach sehr gut geplant, da gab es diese unmöglichen, ewig langen Fahrten wie diese jetzt hier dann auch gar nicht.

Wie seid ihr überhaupt auf dieses 51-Staaten-Projekt gekommen?

Dale: Wie alle guten Ideen haben wir die von jemand anderem geklaut. Unser nächster Plan ist übrigens, in einem Raketen-Van über den Grand Canyon zu springen!

Vor einiger Zeit gab es eine Kickstarter-Kampagne zu einer MELVINS-Dokumentation namens „The Colossus of Destiny: A MELVINS Tale“. Inwiefern wurdet ihr in dieses Projekt mit einbezogen?

Buzz: Wir hatten in kreativer Hinsicht keinerlei direkten Einfluss auf das Ergebnis. Ich habe einige Interviews speziell dafür gegeben, aber mit der Aufbereitung des Materials und so weiter hatten wir überhaupt nichts zu tun. Es ist nicht unser Projekt. Ich habe mir einen Rohschnitt übrigens schon anschauen dürfen. Es ist immer wieder eine sehr seltsame Erfahrung, sich selbst zu sehen. Ich bin mir noch nicht so ganz im Klaren darüber, wie gut ich mit dem Ergebnis leben kann. Es ist ganz in Ordnung so, glaube ich.

 


MORE BASS

Die „Basses Loaded“-Bassisten

Dale Crover (zu hören bei vier Tracks)

Steve McDonald (zu hören bei vier Tracks)

Vier Tracks und seine derzeitige Tätigkeit als Tourbassist machen das REDD KROSS-Gründungsmitglied zum heißen Anwärter auf den Posten als MELVINS-Stammbassist.

Jared Warren (zu hören bei „I want to tell you“)

Man mag sich schon seit Jahren, Buzz will BIG BUSINESS aber nicht den Bassisten klauen. Also gibt es nur ab und zu gemeinsame Projekte und Aufnahmen mit beiden BIG BUSINESS-Mitgliedern.

JD Pinkus (zu hören bei „Captain come down“)

Die Aufnahme mit BUTTHOLE SURFERS-Bassist Pinkus ist schon 2015 auf dem MELVINS/LE BUTCHERETTES-Split-Release „Chaos As Usual“ veröffentlicht worden.

Trevor Dunn (zu hören bei „Planet distructo“)

Zu hören ist Dunn hier am Kontrabass, ist also eigentlich ein wenig gepfuscht, ihn in diese Liste aufzunehmen.

Krist Novoselic

(zu hören bei „Maybe I am amused“)

Ursprünglich waren Aufnahmen mit allen verbliebenen NIRVANA-Mitgliedern geplant, aber eine Zusammenarbeit mit Paul McCartney ging für Dave Grohl der Legende nach dann doch vor. Übrig geblieben ist diese Aufnahme. Ohne Grohl.

 


Die lange Liste der MELVINS-Bassisten

(Ohne Anspruch auf Vollständigkeit,

dafür aber mit handverlesenen Fun Facts!)

Matt Lukin (1983-1987);

danach aktiv bei MUDHONEY.

Lori Black aka Lorax (1987-1991, 1993); Tochter von Shirley Temple.

Joe Preston (1991, 1992); danach aktiv bei THRONES, SUN O))), EARTH.

Dave Sahijdak (1993); ist in der Doku

„Hype!“ als Tourbassist zu sehen.

Billy Anderson(1993); war auch Tontechniker bei den „Houdini“-Aufnahmen.

Mark Deutrom (1993-1998).

Kevin Rutmanis (1998-2005);

davor aktiv bei den COWS.

David Scott Stone (2001, 2002); Bassist im FANTÔMAS MELVINS BIG BAND-Line-up.

Trevor Dunn (2005-2010, ab 2011 nur noch Kontrabass); davor aktiv bei MR. BUNGLE.

Jarred Warren (2006-heute);

zeitgleich aktiv bei BIG BUSINESS.

• Außerdem regelmäßig am Bass:

Buzz Osborne und Dale Crover.

 


„Three Men And A Baby“

Unmittelbar nach Abschluss der Aufnahmen zur „Maggot/Bootlicker/Crybaby“-Trilogie im Jahr 2000 nutzen die MELVINS die laufende Session noch für einige Aufnahmen mit Mike Kunka (GODHEADSILO). Ziel war eine fast nur mit E-Bass eingespielte Platte: Buzz spielte einen Bass im niederfrequenten Bereich, Kevin Rutmanis spielte Slidebass und Mike spielte seinen Bass im Stil einer „normalen“ Gitarre. Als die Gesangsaufnahmen anstehen, geraten die Aufnahmen ins Stocken, Kunka will zu Hause daran weiterarbeiten und verschwindet schließlich mitsamt den Aufnahmen vollständig von der Bildfläche. 2015 nimmt Kunka aus dem Nichts heraus Kontakt mit Dale Crover auf und bietet an, die Platte gemeinsam fertigzustellen. Nach Abschluss des Feinschliffs kommt „Three Men And A Baby“ nach insgesamt 16 Jahren schließlich doch noch raus.