Aus dem Schrank geholt: LAST EXIT - Punk: Leben im toten Herz der Städte

Foto

Boris Penth, Günter Franzen (rororo Panther, 1982, 286 S., 9,80 DM, (nur noch antiquarisch) 208 S., £19.95)

„Früher war [...] Rockmusik eine Sache der Jugend. [...] Badges zu tragen, ständig zu Rockkonzerten zu gehen, in Plattenläden rumzuhängen und sich in die Lektüre von Rock-Magazinen zu vertiefen, gilt als ,unseriös‘. [...] oft komme ich mir vor wie ein erwachsener Jugendlicher.“ Nein, das ist keine Aussage eines typischen Ox-Lesers aus dem Jahre 2016, sondern das schrieb 1982 der 32-jährige Musikfan und Journalist Boris Penth (heute Regisseur und Filmemacher) im letzten Kapitel „Rockmusik und Lebensalter“ des zusammen mit Günter Franzen verfassten Buchs über das damals fünf, sechs Jahre alte Phänomen Punk, bei dem man sich damals schon wunderte, warum der nicht längst schon wieder verschwunden war.

„Punk in Deutschland. Das ist der Ausbruch der Wut in einem von Städteplanung, Betonmischern, Verwaltungsjuristen, Therapeuten und Kältetechnikern planierten Land“, heißt es auf der Buchrückseite, und im Inneren wird auf 280 Seiten in Interviews ergründet, wie Punk in Deutschland so tickte seinerzeit. „Normale“ Punks kommen zu Wort, etwa HANS-A-PLAST, KORPUS KRISTI, STROMSPERRE und BETONCOMBO, und man lernt, dass die jugendlichen Akteure von damals heute zwar grau geworden, sich die Ursachen von Unzufriedenheit und Frustration eigentlich kaum verändert haben – und heute junge (Punk-)Bands annähernd die gleichen Antworten geben. Manches ändert sich eben nie. Schon wegen dieser Erkenntnis lohnt ein Griff in den Bücherschrank oder die Suche nach diesem damals in einer Auflage von mehreren zehntausend Exemplaren verkauften Taschenbuch mit vielen Fotos von Ulli Weiss. Filmdokumente aus jener Zeit gibt es einige, vor allem aber jede Menge Bücher und Filme aus heutiger Sicht (und Erinnerung), aber der Mensch vergisst, idealisiert, reflektiert, und da ist authentisches Material wie dieses umso spannender.