DECEMBER YOUTH

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Musik, die von Herzen kommt

Wenn das Debütalbum einer Band zu einem sozialkritischen Werk wird, bei dem sich der Hörer in seine Mitmenschen hineinversetzen, ihre Schicksale und vor allem bestimmte Missstände hinterfragen muss, wirkt das in erster Linie ambitioniert. Vor allem aber ist „Relive“ ein wichtiges Album, das wie ein Aufruf zu mehr Empathie und Reflexion funktioniert. In diesen unruhigen und unbequemen Zeiten halten Christian Wolik, David und Sebastian Mellen, Jovan Ducret und Robin Kwasniewski unserer Gesellschaft den Spiegel vor und beweisen zugleich ein gutes Gespür für modernen Post-Hardcore.

Für ein Debütalbum ist „Relive“ sehr wütend und dennoch atmosphärisch ausgefallen. Könnt ihr erklären, warum aus DECEMBER YOUTH keine Pop-Punk-Band geworden ist?

Chris: Zum einen sind da die täglichen Dramen, die uns ständig umgeben und die nicht spurlos an uns vorüberziehen. Wir erleben, vor allem in der letzten Zeit, wie ungerecht es auf der Welt zugeht und haben dabei eigentlich die Möglichkeit, diesen Zustand zu beenden. Konkret beschäftigen wir uns auf der Platte auch mit der Flüchtlingsthematik, die unserer Gesellschaft vor Augen führt, dass wir eigentlich zum Großteil nur Egoisten sind.

Robin: Was unsere Musik angeht, kann ich wohl für alle sprechen, wenn ich sage, dass das alles genau so aus uns herauskommt und es sich falsch anfühlen würde, wären wir eine Pop-Punk-Band. Wir sind sehr große Fans von TOUCHÉ AMORÉ und LA DISPUTE, was jetzt aber nicht heißen soll, dass wir die nur kopieren wollen oder unbedingt in deren Fußstapfen treten müssen.

Die elf Songs klingen schon jetzt sehr eigenständig. Wie sieht der Entstehungsprozess von DECEMBER YOUTH-Songs ungefähr aus?

Jovan: Da wir alle nicht mehr in der gleichen Stadt wohnen, bringen wir unsere Ideen mit in den Proberaum. Die Texte kommen dann quasi zum Abschluss dazu.

Habt ihr euch ein bestimmtes Konzept überlegt, als ihr angefangen habt, die Songs zu schreiben?

Chris: In erster Linie wollten wir, wie schon gesagt, Musik machen, die wirklich von Herzen kommt. Wir haben mit den drei „Night train talks“-Songs eine Art roten Faden über das Album verteilt. Diese drei Stücke handeln von Gesprächen und Beobachtungen, die ich in der Bahn oder in anderen Situationen mitverfolgt habe. Wir können nicht erwarten, dass die Leute ihr Leben ändern, nachdem sie unsere Songs gehört haben. Sie damit konfrontieren können wir jedoch.

Welche Bedeutung hat es für euch, dass mit Midsummer Records ein Label hinter euch steht?

David: Wir sind Tim Masson sehr dankbar für das Vertrauen, das er in uns gesteckt hat, seitdem wir zusammenarbeiten. Natürlich fließen hier keine großen Geldbeträge. Tim macht das ja hauptsächlich nebenher.

Chris: Eigentlich hat er uns gesagt, dass er gar keine Zeit mehr für eine weitere Band auf seinem Label hat, er aber unbedingt etwas mit uns machen will.

David: Wir wissen, dass ein Label, vor allem ein Indielabel wie Midsummer Records, keine großen Shows oder Albumverkäufe gewährleisten kann. Darum geht es uns auch nicht. Wir wollen mit unserer Musik nach draußen, wollen die Leute an unserem Seelenleben teilhaben lassen. Natürlich fängt man da in kleineren Clubs an. Vor allem wenn man so spezielle Musik macht wie wir.

Kann es eurer Meinung nach überhaupt Hardcore-Platten geben, die unpolitisch sind?

Chris: Musik war und ist eine große Antriebskraft, wenn es darum geht, etwas in Bewegung zu setzen. Natürlich begründet kein einzelner Song eine Revolution. Man kann mit Hilfe von Musik aber viele Menschen erreichen, die sich vielleicht nicht so sehr mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzen. Nimm als Beispiel ruhig Kendrick Lamar in Amerika oder die ARCHITECTS in Großbritannien. Themen wie der Klimawandel, gesellschaftliche Ungerechtigkeiten oder der eigentlich nicht vorhandene Tierschutz müssen angesprochen werden. Wir haben hier auch die Situation, dass wir in einer Gesellschaft leben, die weiß, dass wir Flüchtlingen eigentlich helfen müssten. Viele sind aber auch sehr froh, wenn sie mit denen nichts zu tun haben. Solche Dinge müssen thematisiert werden und wir können uns nicht darauf verlassen, dass es jemand anders für uns tut.