TACOCAT

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Mädchen mit Glitzergitarren

Die Superbowl-Halbzeit fährt in den USA ähnliche Traumeinschaltquoten ein wie hierzulande ein Fußball-WM-Finale mit deutscher Beteiligung. Traditionell von einer Live-Musikshow begleitet, ist 2015 Katy Perry mit einer Beachparty-Hai-Tanznummer an den Start gegangen, die entfernt an das Surfpunk-Video „Crimson wave“ von TACOCAT erinnerte und der Band so unverhofft eine Menge Publicity bescherte. Zu Recht, denn TACOCAT sind (nicht nur) in visueller Hinsicht echte Pop-Punk-Magier mit in Ironie und Sarkasmus verpackten Botschaften. Was konkret dahintersteckt, seziert Sängerin Emily Nokes.

Emily, ist Humor ein zentrales TACOCAT-Merkmal?

Ja, so sind wir, wir teilen alle einen Sinn für eine bestimmte Art des abwegigen Humors. Ironie, Satire, alles in diese Richtung. Das spielt in unserer Freundschaft und damit auch in unserer Musik und unseren Texten eine große Rolle. Und Satire ist ein wirklich mächtiges Werkzeug. Wütend zu sein, geht schon in Ordnung, aber wenn du das ein bisschen cleverer und witziger verpackst, hören mehr Leute genauer hin. Humor ist auch unser Weg, mit der Welt um uns herum klarzukommen. So etwas wie Wut und Traurigkeit ist noch immer da, aber anders verpackt. Vielleicht ist das unsere Art von Überlebensmechanismus.

Bei allem Sinn für Humor habt ihr aber immer auch klare politische Standpunkte und Botschaften.

So ist Satire, Humor und Politik gehen da Hand in Hand. Feminismus hat beispielsweise einen großen Anteil an unserem Handeln, aber auch generelle – für US-Verhältnisse radikale – politische Ansichten und Ansätze spielen eine Rolle. Nicht alle unsere Lieder sind politisch, aber das macht schon einen Teil unserer Identität als Band aus. Wir haben zum Beispiel auf einer Bernie Sanders-Kundgebung in Seattle gespielt und waren alle total glücklich und stolz. Im Moment sind viele Leute hier in den USA sehr rückwärtsgewandt. Diese Gruppe ist jedenfalls sehr laut. Ihre Ideale und Wertvorstellungen sind so konservativ, sie können eine Sache nicht auf sich beruhen lassen, wollen immer wieder über längst abgeschlossene Themen wie Abtreibung diskutieren. Ich weiß nicht, wie es woanders aussieht, aber in den USA scheint mir das schon ein zentrales Problem zu sein. Gerade jetzt mit Donald Trump fragt man sich schon, wie es so weit kommen konnte.

Du selbst bist ziemlich aktiv in Seattle, schreibst zum Beispiel für das Stadtmagazin The Stranger.

Oh ja. Ich war drei Jahre lang Musikredakteurin, damit habe ich vor etwa einem Jahr aufgehört. Jetzt schreibe ich nur noch auf Freelance-Basis für den Stranger. Ich habe ja an der Kunsthochschule studiert, dort habe ich übrigens auch die beiden anderen TACOCAT-Mitglieder kennen gelernt, und hatte ursprünglich einen Job in der Grafikdesign-Abteilung des Stranger, half beim Layouten und so. Nach etwa fünf Monaten dort haben sie mich darum gebeten, mich für den Job als Musikredakteurin vorzustellen. Ich dachte: Was? Nein! Weil das wirklich ein fruchterregender Job ist. Total anstrengend, außerdem wird man für einige Leute zum roten Tuch ... Ich bin zwar keine ausgebildete Journalistin, aber schreiben mochte ich schon immer und habe dann auch schnell alles Notwendige gelernt. Es war großartig, einer der besten Jobs, den ich je hatte. Dann hat das aber mit dem Touren nicht mehr hingehauen, als Redakteurin hast du ja keinen normalen Nine-to-five-Job, sondern du bist sieben Tage die Woche im Einsatz. Du trägst die Verantwortung für ein ganzes Team, musst ständig Dinge absegnen und Korrekturlesen. Und ein wöchentliches Magazin hat sehr strikte Deadlines, da kann man nicht einfach sagen „Ich bin dann mal für zwei Monate weg“, oder ständig Urlaub nehmen. Ich habe zuerst versucht, von unterwegs zu arbeiten, aber das wurde einfach zu anstrengend.

Irgendwann leidet die Kreativität und die hat euch als Band ja eigentlich erst zusammengebracht.

Stimmt. Kreativität nicht nur im Hinblick auf Musik, sondern auch auf visueller Ebene. Wir haben in ästhetischer Hinsicht alle einen ähnlichen Geschmack und machen auch fast alles selbst. Lelah und ich machen auch das ganze Artwork, T-Shirts, Albumcover. Für unser letztes Album „Lost Time“ hat jedes Bandmitglied ein paar Katzen gemalt. Kreativität heißt für uns also nicht nur, in den Proberaum zu gehen und unsere Lieder zu spielen. Das geht mit einer Menge Freude an der Sache einher und deckt auch viel feinere Nuancen ab. Wir gehen auch nicht einfach so auf die Bühne, sondern verkleiden uns dabei, sind gerne bunt.

Das merkt man. Ihr seid wirklich sehr farbenfroh.

Ja, Farben sind bei uns überall präsent, in Frisuren, Kleidung, Farben machen uns einfach glücklich. Vielleicht liegt das daran, dass wir in einem sehr grauen Teil der Welt leben, haha. Es ist wirklich acht oder neun Monate im Jahr grau in Seattle. Ja, Farben sind auf jeden Fall sehr wichtig für unsere Ästhetik.

Das kommt in euren Videos ziemlich eindrucksvoll rüber.

Oh ja. Bisher hatten wir bei Videos nur unsere Ideen beigesteuert, inzwischen dreht unsere Drummerin Lelah unsere Videos selbst. Wir haben gerade das „Dana Katherine Scully“-Video fertig, das war eine echt schrottige Produktion, haha, gedreht in unserem Wohnzimmer mit Freunden und dann mit einer freien Software an unseren Latops geschnitten. Eine spaßige Angelegenheit. Wie alle unseren anderen Videos auch. Am liebsten würde ich zu jedem Song ein Video drehen!

Eine Frage des Budgets, oder?

Das fehlt uns leider ein wenig. Aber auch mit einem kleinen Budget kannst du eine ganze Menge auf die Beine stellen. Als wir angefangen haben, hatten wir eigentlich nichts. Also haben wir uns in den Proberäumen anderer Bands eingenistet. Hauptziel: Auf Partys spielen, ein reines Spaßprojekt also. Dann haben wir unsere ersten Touren selbst gebucht, Extra-Geld durch Überstunden verdient und gespart, damit wir uns einen Tourvan leisten und nach Kalifornien fahren können.

Wo würdest du euch selbst in musikalischer Hinsicht ansiedeln?

Jedes Album klingt ein wenig anders, aber alle sind durch ein gewisses Maß an Pop miteinander verbunden. Pop mit Punk-Note. Es entwickelt sich alles auch um bestimmte Ideen, die sich etwas voneinander unterscheiden, aber diese Essenz steckt noch immer in allem.

Spiegelt sich das in eurem Equipment wider?

Schon. Mein Equipment beschränkt sich allerdings auf ein Tamburin, einfach zu spielen – aber auch einfach zu verlieren und kaputt zu machen. Eric liebt Orange-Verstärker. Die sind wie alte Autos, schön anzuschauen und wenn sie laufen, laufen sie gut. Aber die alten Modelle können auch anfällig sein. Bree benutzt für ihren Bass inzwischen auch Orange-Amps. Lelah spielt auf einem Slingerland-Drumkit aus den Fünfzigern. Das ist so hübsch, alt, pinkglitzernd und recht zierlich. Und deswegen einfach auf- und abzubauen. Glitzer ist grundsätzlich sehr wichtig. Bree wollte sich mal von Daisy Rock Guitars sponsern lassen, die machen viel mit Glitzer, um Mädchen dazu zu bringen, Musik zu machen. Lelah wollte auch unbedingt eine sternförmige Basedrum haben, aber die wird nicht mehr hergestellt, haha.

Eine feminine Note gehört optisch also auf jeden Fall dazu.

Unbedingt! Mit drei Mädels in der Band lässt sich das auch kaum vermeiden. Wir werden oft als Girlband bezeichnet und manchmal ist unser Gitarrist Eric noch nicht einmal auf dem abgebildeten Foto zu sehen, ziemlich lustig. Aber er gibt eigentlich auch einen ganz guten Feministen ab, wuchs in einem Haushalt mit starken femininen Einflüssen auf. Ein Teil unserer Kleidung ist schon sehr feminin. Ich fühle mich jetzt zwar nicht als typisches Girlie, aber ich mag Glitterzeugs, viel Make-up, alles mutwillig übertrieben Mädchenhafte. Was Feminismus nicht ausschließt. Der war ja eine Zeit lang irgendwie aus der Mode. In der Riot Grrrl-Phase kam einige ganz große feministische Musik aus Olympia und anderen Orten. Und dann, in den Neunzigern war die Einstellung so: Ja, Frauen sind ja jetzt Teil der Arbeitswelt, also ist alles gelöst, braucht man das denn überhaupt noch? Da erschien 1998 „Ally McBeal“ in einer Reihe mit Frauenrechtlerinnen auf dem Cover des Time Magazine mit dem Untertitel „Is Feminism Dead?“. Inzwischen hat man ja festgestellt und anerkannt, dass das durchaus noch notwendig ist. Und so war es auch bei uns: Am Anfang eher so, hm, Girlband, ich weiß nicht recht. Inzwischen nehmen uns die Leute ernster. Im weitesten Sinne. Ein bisschen Selbstironie und Augenzwinkern gehört da schon dazu.