SKIN OF TEARS

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Neue Horizonte

25 Jahre sind SKIN OF TEARS aus dem Bergischen Wermelskirchen bereits aktiv. Zu Beginn beim damals szenebeherrschenden Lost & Found-Label unter Vertrag, veröffentlicht man seit 1999 auf dem bandeigenen Label. Von der hiesigen Szene weitestgehend ignoriert, spielte die Band europaweit Konzerte und kann auch auf Touren in Russland und Indonesien zurückblicken. Nach zwischenzeitlicher Auflösung 2007 ist das Trio seit 2012 wieder aktiv und hat mit seinem aktuellen Album „Fake My Day!“ für mich eine der Platten des Jahres veröffentlicht. Ich traf mit Toto, Andy und Christian auf ein paar Biere in der Wermelskirchener Katt.

Eure ersten Veröffentlichungen kamen bei Lost & Found raus. Wie seid ihr in Kontakt gekommen?

Toto: Wir haben denen unser Tape geschickt und kurz darauf einen Anruf bekommen. Ich hatte vorher mal angerufen, ob unser Tape angekommen sei, ohne unseren Bandnamen zu erwähnen, und man fragte nur: „Wer seid ihr denn? SLAYER?!“, und da war ich etwas eingeschüchtert, haha. Eine Woche später kam der Anruf und auch gleich ein Veröffentlichungsplan. „Wir machen erst eine Splitsingle, dann eine Mini-CD und Ende des Jahres ein Album“, hieß es. An dem Abend haben wir uns mächtig betrunken, da wir uns total gefreut haben. Das war 1995. Zunächst lief es super. Erst kam die Split-7“ mit GIGANTOR, danach die „Blinded“-MCD und dann kam die erste Fanpost ...

Andy: Womit wir erst gar nicht umgehen konnten.

Toto: Als „Shit Happens“ rauskam, spielten wir in Neuss und plötzlich waren da Leute, die unsere Songs kannten. Zuvor waren wir nur vor ein paar Leuten im Jugendzentrum aufgetreten und dann das. Sie haben das Studio bezahlt, europaweit Anzeigen geschaltet. Der Anfang war super.

Und warum war 1997 Schluss mit der Zusammenarbeit?

Toto: Wir waren mit der Abrechnung nicht einverstanden. Wir haben die Verträge dann von einem Anwalt prüfen lassen, der meinte nur, was für einen Scheiß wir da unterzeichnet hätten, denn das war alles rechtens. Wir waren ziemlich blauäugig gewesen. Es gab dann ewig lange einen Rechtsstreit wegen dem Vertrag und dadurch lange konnten wir keine Platte machen.

Christian: Wir hatten ja für vier Alben unterschrieben und wären noch für Jahre geknechtet gewesen.

Danach habt ihr mit Rubble The Cat euer eigenes Label gegründet, wart aber auch immer auf internationalen Labels und sogar in den japanischen Indie-Charts.

Toto: Nach den schlechten Erfahrungen sind wir komplett ins D.I.Y.-Lager gewechselt, wollten die Kontrolle behalten und gründeten unser eigenes Label. Durch Kontakt zu anderen Bands lernten wir, wie das geht, und haben fleißig verschickt. Wir haben Tapes in Chile und Indonesien machen lassen.

Andy: In Brasilien und England gab es auch Veröffentlichungen. Mit den Japanern lief das anders, die kontaktierten uns.

Toto: Insofern haben Lost & Found doch gute Arbeit geleistet, denn man hatte weltweit schon von uns gehört.

Bei Vitaminepillen seid ihr auch gewesen ...

Toto: Vor lauter Labelarbeit kamen wir nicht mehr zum Musikmachen. Wir arbeiteten bereits mit denen als Vertrieb zusammen, ihnen gefiel, was wir machten, so dass es ein kurzer Weg war.

Christian: Bei Ralf hat einfach die Chemie gestimmt. Er ist ein sehr korrekter Typ.

Toto: Er ist sehr ehrlich und hat uns alles genau erklärt. Wir sind immer hingefahren, denn Selfkant ist nicht so weit weg. Es war sehr freundschaftlich.

Auch wenn Lost & Found zunächst gut Werbung gemacht haben, seid ihr doch zumindest in Deutschland kaum wahrgenommen worden. Wie kam das?

Toto: Wir haben später eben alles selber gemacht und dann kommst du nicht ins Visions oder so. Die Anzeigen kannst du nicht bezahlen und dir fehlt als Band dann doch die Maschine, die dich pusht.

Meine Frage bezog sich mehr auf die Fanzines. Im Plastic Bomb, Zap oder auch im Ox habe ich außer Reviews nie was über euch gelesen.

Toto: Das ist richtig. Ich denke, dass wir einfach nicht deren Baustelle waren.

Nervt einen das nicht, wenn man so lange dabei ist ...

Toto: Doch. Es gab aber auch eine starke Konkurrenz aus den Staaten und Schweden, die viel plattgemacht hat. Viele bekamen gar nicht mit, dass wir eine Band der ersten Stunde waren, und haben uns immer als Kopie abgetan. Melodic-Hardcore-Bands wurden der Reihe nach verrissen, was fast schon ein Hobby von Fanzine-Schreibern war.

Ab Ende der Neunziger schlug die Stimmung um.

Toto: Ja, und plötzlich ging diese Szene wieder in den Untergrund, wo wir uns bei allem Frust aber auch wohlgefühlt haben.

Ich konnte diesen Sound zugegebenermaßen ab Mitte der Neunziger auch nicht mehr ertragen.

Toto: Man wurde überschwemmt. Die ersten Scheiben auf Epitaph und Fat Wreck konnte und kann man immer noch hören, aber dann trennte sich die Spreu vom Weizen. Selbst LAGWAGON waren ja kein Original. Aber gut, so ist es eben gelaufen.

Ihr habt unter anderem in Indonesien, Russland und immer wieder europaweit gespielt.

Andy: Die Konzerte in Russland kamen über DISTEMPER zustande, als die hier im AJZ Bahndamm spielten. Wir unterhielten uns und sie konnten nicht glauben, dass wir bei SKIN OF TEARS waren, da sie uns kannten. Wir wurden von ihnen eingeladen, in Russland zu spielen.

Toto: Wir sind dann nach Hause gegangen und haben die Einladung als das übliche Gelaber abgetan, haha.

Andy: Aber sie hielten Wort, meldeten sich und plötzlich standen wir in Moskau vor 800 Leuten auf der Bühne.

Toto: DISTEMPER sind recht groß in Russland. Sie bezahlten unsere Flüge und stellten das ganze Equipment. Das hätten wir logistisch gar nicht hinbekommen. Indonesien kam zustande, weil jemand ein Tape von uns veröffentlichen wollte. Dann habe ich gleich gemeint, dass wir bei ihnen spielen wollten. Er hat dann auch eine Tour klargemacht. Die Kommunikation lief noch komplett via Fax, heute undenkbar. Wir nahmen Urlaub, flogen nach Indonesien und sollten neun Auftritte spielen. Leider kam dann der 11. September 2001 und von den neun Gigs blieben nur zwei übrig, da die Sicherheitsauflagen plötzlich massiv erhöht und unbezahlbar wurden. Trotzdem, in Jakarta in der Sporthalle vor 2.000 Menschen zu stehen, die komplett ausrasten, wenn du auf die Bühne gehst – unfassbar!

2007 habt ihr die Band aufgelöst.

Christian: Da war ich schon nicht mehr dabei. 2004 bin ich weg, habe es mit Seriöswerden versucht, was nicht geklappt hat, haha. Jetzt bin ich wieder da.

Toto: Wir hatten einen neuen Bassisten, der verliebte sich und zog nach Hessen. Ab da lief es mit dem Proben nicht mehr. Ich war total ausgelaugt und konnte nicht mehr weitermachen, die Luft war raus.

Andy: Wir konnten irgendwann die jeweils anderen nicht mehr ertragen. Ein einfaches „Hallo“ war schon zu viel. So kann man keine Songs schreiben und erst recht nicht als Band funktionieren, wenn man im Bandbus durchs Land fährt.

Toto ist danach bei CHEFDENKER eingestiegen, richtig?

Toto: Ja, ich kannte die Band über Vitaminepillen. Ihr damaliger Leadgitarrist stieg aus, ich traf zufällig Sänger Claus, brachte mich in einer Bierlaune scherzhaft ins Spiel und 14 Tage später stand ich mit CHEFDENKER beim Force Attack-Festival auf der Bühne, haha. Das ging ein Jahr lang gut, aber das war eben Deutschpunk mit viel Sauferei. In dieser Zeit habe ich in der Deutschpunk-Szene, die mir vorher unbekannt war, viele coole Leute kennen gelernt, musste aber die Reißleine ziehen, sonst wäre ich heute in der Entziehungsanstalt. Ich bin mit den Jungs immer noch befreundet.

Wie habt ihr 2012 wieder zusammengefunden?

Christian: Der vierte Mann, der anfangs in der Band war, hat uns einzeln abgegriffen. Er wurde vierzig, wollte dies groß feiern und bestand unbedingt darauf, dass wir dort spielen. Wir wollten das eigentlich im Sande verlaufen lassen, er aber nicht. Zwei Wochen vor dem Termin stellte er uns vor vollendete Tatsachen und wir kamen aus der Nummer nicht mehr raus. Wir spielten dann eben und merkten, wie sehr es uns Spaß machte und wie sehr uns das gemeinsame Musikmachen doch gefehlt hat.

Toto: Wir hatten uns aus den Augen verloren und es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder gemeinsam im Proberaum zu stehen. Es hatte sich herumgesprochen, dass wir diese Geburtstagsshow spielen würden und wir erhielten wieder Gig-Anfragen. Wir nahmen diese an, es fühlte sich gut an, machte wieder Spaß und das Resultat ist jetzt eben das neue Album.