KANNIBAL KRACH

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Die schnellste Reunion der Musikgeschichte

KANNIBAL KRACH aus Wermelskirchen gehören seit ihrer Gründung 2008 zu den polarisierendsten deutschen Hardcore-Bands, führen die Rangliste der Bands mit den meisten Auftrittsverboten uneinholbar an, haben sich aber auch den Ruf einer exzellenten Live-Band erspielt. Im April 2016 erschien mit „Untermenschen in der Überzahl“ ihr bislang bestes Album, doch wenige Tage nach der Veröffentlichung kam es zu einem bandinternen Zerwürfnis und zur Auflösung. Erik (Drums) und Kris (Gitarre, Gesang) einigten sich nach kurzer Bedenkzeit, KANNIBAL KRACH nicht aufzugeben. Wir hakten nach.

Glückwunsch zur schnellsten Reunion der Rockgeschichte.

Kris: Die Reunion kam zustande, als Erik und ich gebeten wurden, im AJZ Bahndamm auf einer Geburtstagsparty zu spielen, und dort als Duo auftraten.

Erik: Das lief so gut, dass wir beschlossen weiterzumachen. Beim Smalltown Festival hat uns Michi von THE.AFTERMATH am Bass ausgeholfen, aber im Augenblick sind wir nur zu zweit.

Im Netz existieren drei Webauftritte, welcher ist der eure?

Kris: Der bei Facebook. Die Administratorrechte der Bandcamp-Seite und der Homepage liegen bei einem ehemaligen Bandmitglied. Leider wurde KANNIBAL KRACH von diesem nach außen oft als One-Man-Show dargestellt, und wir wurden erst über Interviewtermine informiert, wenn diese bereits gelaufen waren.

Das letzte Album kam zeitgleich mit der Böhmermann-Erdoğan-Affäre auf den Markt, was ein ziemlich geschickter Promo-Schachzug war.

Kris: Er hat uns ziemlich bedrängt, das Album endlich fertig zustellen, weil er nicht länger warten wollte, aber wir konnten ihn solange zurückzuhalten.

Gab es wegen des Covers, auf dem eine Panzerfaust auf den türkischen Halbmond zielt, eigentlich Ärger?

Erik: Ja, haha.

Kris: Irgendwelche liberal-türkischen Anhänger des Alkoholismus haben sich in ihrer Ehre beleidigt gefühlt. Aber viel mehr Ärger gab es mit dem Amokläufer-T-Shirt, das wir vor ein paar Jahren gemacht haben.

Auf das Motiv hätte ich euch gleich noch angesprochen ... das Motiv war ja an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten.

Kris: Es gab bei jedem einzelnen Konzert, wo wir das ausgehängt haben, Ärger, zuletzt in Neuss, wo der komplette Merchandisestand vom Veranstalter abgeräumt wurde. Aber klar, wenn man provoziert, muss man mit Reaktionen rechnen – auch negativen.

Kris: Es sollte eigentlich eine Hommage an das Gladbeck-Shirt von HAMMERHEAD sein, denen man ja damals auch vorgeworfen hat, Grenzen zu überschreiten. Wir sind nur einen Schritt weiter gegangen.

Kamen euch nie Zweifel, ob es nicht doch ein Schritt zu weit war?

Kris: Ich stimme dir zu, dass wir insofern zu weit gegangen sind, als dass wir das Motiv jahrelang mitgeschleppt haben. Eine kleine Auflage, ein kurzer Aufschrei, das hätte gereicht.

Erik: Mit Humor hatte das auch nichts zu tun.

Gelacht habe ich bis heute nicht.

Kris: Das ehemalige Bandmitglied, dessen Freundin das Motiv ursprünglich entworfen hatte, wurde auf einem Filmfestival in Wuppertal, wo er das Shirt trug, von einer Überlebenden eines der Amokläufe angesprochen. Die ist – verständlicherweise – völlig ausgerastet und ihm war es derart unangenehm, dass er das Shirt ausgezogen hat.

Hat euch die durchweg positive Resonanz auf das aktuelle Album überrascht?

Erik: Ja, da wir keinerlei negative Kritik bekommen haben.

Kris: Die Kritiken sind viel zu gut, weil das Album musikalisch zum Kotzen ist. Die Gitarren sind beschissen eingespielt, da ich zuvor viel Feiern war. Das eigentlich Ärgerliche ist aber, dass das damalige Bandmitglied die Termine für das Mischen so gelegt hat, dass wir nicht teilnehmen konnten, und dabei sind viele unserer Gesangsspuren gelöscht worden.

Apropos HAMMERHEAD, die in den Rezensionen oft als Referenz genannt werden: Welchen Einfluss hatten die auf euch?

Erik: Auf mich gar keinen. Ich finde die gut, mehr aber auch nicht. Die Idee mit dem Cover von „Ich sauf allein“ hatte auch das ehemalige Bandmitglied.

Kris: HAMMERHEAD waren in den Neunzigern bestimmt eine wichtige Band in der deutschen Punk-Szene. Auch die Doku „Sterbt alle!“ ist sehr unterhaltsam, aber das ist alles derart lange her, dass es inzwischen zu einer reinen Nostalgienummer geworden ist. Der eine geht zu PUR, der andere eben zu HAMMERHEAD.

Mich hat gewundert, dass ihr das neue Album nicht beworben habt.

Erik: Als das Album endlich fertig war, haben wir uns aufgelöst. Es gab keinen Plan, das Ganze möglichst mysteriös im Untergrund zu halten, denn mit Unundeux hatten wir erstmals ein Label im Rücken.

Kris: Ich habe nur eine Testpressung, ein Album für mich und fünf zum Verschenken bekommen, der Rest liegt noch bei unserem ehemaligen Bassisten. Die Tour zum Album haben wir bereits vor der Veröffentlichung gespielt. Das hatten wir Max von Subkultura Booking respektive CHRISTMAS zu verdanken, der unglaublich viel für uns getan und bundesweit Konzerte klargemacht hat, an Orten, wo wir sonst nie gespielt hätten.

Kann man als kleine Band überhaupt noch eine Tour organisieren?

Erik: Unsere Szene ist ja relativ klein und lebt von Menschen wie uns, die sich engagieren und vernetzen, Konzerte organisieren, sich gegenseitig unterstützen. Mit Hilfe von lieben Menschen wie Max ist das aber noch sehr gut möglich.

Lass uns auf eure Texte zu sprechen kommen. Beim Stichwort Konzerte fällt mir da spontan „Das Plenum“ ein.

Kris: Und kommen damit wieder zu unseren Merchsachen, haha. Unser erstes Auftrittsverbot hatten wir im AZ Wuppertal. Ein ehemaliges Bandmitglied lebte in einer WG mit jemandem aus dem AZ-Umfeld. Sie zerstritten sich und dieser Mitbewohner hat dann kolportiert, wir seien Sexisten, und dies auch ins Plenum des AZ getragen. KANNIBAL KRACH wurden daraufhin von einem Festival dort ausgeladen, auf dem meine damalige Band ZGV auch spielen sollte. Wir haben aus Spaß bei MySpace gepostet, dass wir KANNIBAL KRACH-Coversongs spielen werden, und bekamen auch sofortiges Auftrittsverbot. Das sprach sich schnell herum, die AZs sind ja gut vernetzt, und schon standen wir auf der schwarzen Liste. Man kann uns ja viel vorwerfen, aber Sexismus?!

Erik: Die Vorwürfe bezogen sich auf den Song „Gruselsex“ vom ersten Album, der ironisch gemeint ist. Auslöser war aber der private Zwist unseres damaligen Bassisten mit eben jenem Mitbewohner. Das Ganze fand seinen Höhepunkt dann in Stuttgart. Wir sind dort fünf Stunden hingefahren und wurden mit der Ansage begrüßt, dass sie erst ein Plenum abhalten müssten, um zu klären, ob wir überhaupt auftreten dürfen.

Kris: Wer lässt eine Band mehrere hundert Kilometer anreisen, die man gar nicht auftreten lassen will?! Mit der Auflage, bestimmte Songs nicht zu spielen, durften wir doch auf die Bühne und haben ebenjene Lieder dann in elend langen Versionen dargeboten, bis der Laden leer war, haha.

Wenn man sich mit euren Texten genauer beschäftigt fällt auf, dass eigentlich nur der Titel provokant, der Inhalt hingegen sehr intelligent ist.

Kris: Das ist doch ein alter Kunstgriff. Man liest die Schlagzeile und glaubt, alles zu wissen. Nimm „Fettsack aus Afrika“. Vordergründig ein Oxymoron, da man mit Afrika eher ausgemergelte Menschen verbindet. Die Idee zum Text kam mir, als ich im TV diesen fetten Jumbo Schreiner anschauen musste, der im Auftrag von Galileo durch die Welt reiste und sich vollfraß. Der Titel hat wenig mit dem Text zu tun. Wenn man diesen Typen verwerten würde, könnte man einiges von dem Hungerleiden lindern.

Erik: Wir machen uns nicht über Afrikaner lustig, sondern drehen im Text den Spieß um und halten uns als Fernsehkonsumenten den Spiegel vor. Es geht nicht um Hungerelend, sondern um Dekadenz. „Koranverbrennung“ ist auch ein Titel, bei dem der Aufschrei recht groß war, aber jeder, der uns angesprochen hat, hatte den Text nicht gelesen, denn dort geht es um etwas ganz anderes.

Kris: Aber so entsteht doch jeder Text: man beobachtet und schreibt darüber. Leider ist es offenbar so, dass die Leute immer nur verlassen werden, zumindest wenn man von den Liedern ausgeht, die im Radio laufen. Was sind das für Lappen?! Nur noch Jammerscheiße! Richtig übel.

Wie wird es mit KANNIBAL KRACH weitergehen?

Kris: Wir machen auf jeden Fall weiter. Ob als Duo oder zu dritt, wird sich zeigen. Wir schreiben gerade neue Songs und weitere Veröffentlichungen sind fest geplant.