CODE ORANGE

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Auf zu neuen Ufern

Zwei Alben auf Deathwish hat die 2008 gegründete Band vor dem neuen gemacht: Das eine, „Love Is Love/Return To Dust“, erschien 2012, und da hießen sie noch CODE ORANGE KIDS und passten bestens zum Extrem-Hardcore ihres „Stalls“. Beim Nachfolger „I Am King“ (2014) war dann bereits erkennbar, dass die Band sich aufgemacht hat zu neuen Ufern. Das „Kids“ war weg, man war ja jetzt kein Teenager mehr, und der „typische“ Hardcore, obgleich erneut von Kurt Ballou aufgenommen, wucherte in eigenwillige, aber auch bisweilen nu-metallische Regionen, mancher begann zu fremdeln. Und nun das dritte Album „Forever“, für das die Band einerseits Ballou treu geblieben ist, andererseits aber mit dem Warner-Sublabel Roadrunner quasi einen Major-Vertrag abgeschlossen hat. Eine Band auf dem Weg nach oben? Ich sprach mit Drummer und Co-Sänger Jami Morgan, der den Eindruck erweckte, sehr genau zu wissen, was er will – und was nicht.

Jami, wie geht es dir so kurz vor dem Albumrelease?

Da ist vor allem ein Gefühl der Dankbarkeit. Ich bin froh, das tun zu können, war wir tun, und bereit für das, was kommt. Die Platte erscheint am Freitag, dem 13. Januar, das ist schon ganz schön evil, und eine Woche, bevor Trump der neue Präsident wird. Fuck him! Er ist ein Stück Scheiße.

Spiel doch mal Orakel: Was werden die nächsten vier Jahre bringen, für euch als Band, aber auch das Land?

Um das Land, da habe ich Angst. Und auch um Leute, die so sind und denken wie ich. Wir werden als Erstes betroffen sein von dem, was da jetzt vielleicht passieren wird. Was sich da abzeichnet, ist für viele Leute beängstigend, und ich bin mir sicher, dass auch ich betroffen sein werde. Ich sehe die Zukunft düster – was wieder Sinn macht, denn wir sind auch eine düstere Band.

Für euch als Band sieht es aber doch sehr gut aus: ein neues Album auf Roadrunner, das eure Karriere in nächster Zeit deutlich voranbringen dürfte.

Schauen wir mal ... Es gibt immer Fallstricke. Es kann für eine Band nach so einem Vertragsschluss immer anders laufen, als man denkt. Aber wir haben uns ganz gut abgesichert und sind jetzt gespannt, endlich loszulegen. CODE ORANGE ist für uns, für mich viel mehr als nur eine Band, es ist die Luft, die ich atme. Ich bin bereit, alles zu geben für dieses neue Kapitel meiner Vision.

Du hast dich mit der Beschreibung „bargain bin deathcore bands“, also „Grabbeltisch-Deathcore-Bands“, über ein paar eurer „Mitbewerber“ recht despektierlich geäußert. Was läuft bei euch anders?

Wir gehen unseren eigenen Weg, nur darum geht’s. Wir sind sehr selbstbewusst in Hinblick auf unser Tun, und ich habe eine klare Vorstellung. Da draußen sind eine Menge guter Bands, aber wir haben unseren eigenen Ansatz, wir haben unsere eigene Nische in der Heavy-Musik, die wir ausfüllen wollen. Würde ich daran nicht glauben, würde ich mich nicht so umfänglich in dieses Projekt einbringen. Ich habe immer an uns geglaubt, und wenn mich jemand fragt, ob ich dies oder jenes mag, gebe ich ehrliche Antworten, denn es gibt eine Menge Scheiß, den ich nicht mag. Wir gehen immer unseren Weg, ob beim Touren oder beim Plattenmachen. Das von dir erwähnte Zitat empfand mancher vielleicht als arrogant oder überheblich, und ich bin weder das eine noch das andere. Aber ich glaube 100% an das, was ich und meine Freunde tun, seit wir 15 sind. Ich bin jetzt 23, und für uns bricht jetzt eine neue Ära an. Wir wollen ganz vorne mit dabei sein. Ich bin cool mit allen, die ihr Ding machen, solange man mich meins machen lässt.

Ihr wart sehr jung, als ihr die Band gegründet habt, jetzt seid ihr 23 – und damit viel jünger als die meisten Bands, mit denen ihr die Bühne teilt. Früher, als Hardcore neu war, war das noch anders.

Viele der großen Bands sind in den Vierzigern und Fünfzigern. In gewisser Weise ist das ein aussterbendes Handwerk, wenn du willst. Ich respektiere diese Bands, aber es gibt kaum neue. Die Fackel in Sachen Metal wird nicht an eine neue Generation weitergereicht. Wir fingen mit 15 an, sind jetzt 22, 23, also noch ziemlich jung, und wir haben noch viele Jahre vor uns. Wenn du so früh anfängst, kannst du auch viele Fehler machen und lernen, immer besser werden. Wir konnten in den letzten Jahren viele Fortschritte machen. Andere Bands fingen erst an, als sie schon in unserem Alter waren. Wir hingegen sind schon endlos viel unterwegs gewesen, haben eine Menge gesehen und kapiert.

Ist das Weglassen von „kids“ in eurem Namen programmatisch zu sehen? Weil ihr keine Kinder mehr seid?

Wir mögen unsere bisherigen Platten, aber ich fand, wir brauchen da einen Schnitt. Ich wollte neue Wege beschreiten, in jeglicher künstlerischen Hinsicht, musikalisch wie visuell. Und um das auch nach außen zu zeigen, muss man sich von Altem trennen, sonst sieht das keiner. Man muss das Alte abschütteln. Ich will damit nicht unser bisheriges Schaffen schlechtreden, nein, wir haben ja viel übernommen, aber insgesamt sind wir jetzt ein ganzes Stück weiter. Wir gaben uns den Namen CODE ORANGE KIDS, als wir 13 waren und eine Punkband, die ANTI-FLAG und OPERATION IVY coverte, die im Keller von Gemeindezentren spielte. Der Name hat heute für mich nur deshalb noch Bedeutung, weil das der Name war, unter dem uns alle unsere Freunde kannten. Und von dem wollten wir ein Element behalten, deshalb CODE ORANGE. Abgesehen davon war und ist es ein ziemlich dämlicher Name, aber das ist egal. Das sind aber alles Äußerlichkeiten.

Viele Menschen orientieren sich an Labels, wenn sie nach neuen Bands suchen. Ihr wart eine Deathwish-Band, seid jetzt keine mehr.

In der Tat machen das viele Leute, und auf Deathwish zu sein hat uns sehr geholfen. Aber jetzt wollten wir was anderes ausprobieren und müssen sehen, wo uns das hinführt. Roadrunner hat eine spannende Geschichte, mit Ups und Downs zwar, aber sie sind eines der relevantesten Labels im Bereich von Heavy-Musik. Und sie haben die richtigen „Werkzeuge“, die uns helfen werden.

Euer neues Album ist definitiv anders als seine Vorgänger, und man merkt dem an, dass ihr eigene, neue Wege gehen wollt, auf der Basis eurer Hardcore-Vergangenheit. Wohin geht es?

Wir wollen herausarbeiten, wer wir sind, was CODE ORANGE ausmacht. Wir wollten die beste Platte machen, die wir hinbekommen, mit dem Vorgängeralbum als Fundament. Dieses Album fügt dem Gerüst die Haut, die Seele hinzu. Wir hatten den Grundstein gelegt mit dem letzten Album, und jetzt haben wir dem noch etwas Verrücktheit hinzugefügt. Wir sind seit der letzten Platte einfach besser geworden, haben eine Menge gelernt, neue Instrumente, Synthesizer. Meine Vision war, eine sehr dichte, intensive Platte zu machen, auf der Basis sowohl einer Hardcore-Platte wie eines extremen Metal-Albums, ohne das zu verlieren, was diese Stile ausmacht: die Intensität, die Kompaktheit. Viel von dem Post-Hardcore kommt nicht auf den Punkt, darauf stehe ich nicht. Ich will kurz und knapp zuschlagen, dabei aber die Dichte und Intensität anderer Musik integrieren. Musik, die einen mit auf eine Reise nimmt, was bei Hardcore und Metal aber oft nicht der Fall ist. Klar, andere versuchen das auch, aber wir haben unseren ganz eigenen Ansatz. Diese Idee war bei uns nicht das Thema beim Schreiben und Aufnehmen des Albums, sondern die Frage, wie wir das alles umgesetzt bekommen. Ich bin mit der Ausführung zufrieden und jetzt gehen wir diesen Weg weiter.

Welchen Beitrag leisteten dazu Will Yip und Kurt Ballou als Produzenten?

Will hat uns extrem im Umgang mit der ganzen Elektronik und den Computerprogrammen geholfen. Und er weiß genau, was an welchen Stellen subtil sein muss und was Pop, wenn es Pop sein muss. Er ist ein echtes Genie, auch was den Gesang betrifft. Kurt hat uns geholfen, so stark draufzuhauen wie nur möglich, so dass Bass und Drums so fett klingen, wie es nur geht. Er ist der beste Studiomann, was Heavy-Musik betrifft. Mit den beiden haben wir die beste aller Welten gefunden. Mit den beiden will ich auch alle zukünftigen Platten machen. Die sind die Zukunft, wohingegen all diese großen Bands immer wieder nur den gleichen Scheiß machen.

Blicken wir mal zurück: Welche Band hat dich musikalisch nachhaltig geprägt?

Definitiv CONVERGE. Die haben mich von Punk und Hardcore hin zur heavieren Musik geführt. Mit denen fing alles an. Und HATEBREED waren auch wichtig, was metallischen Hardcore betrifft. Andererseits kommt unser Gitarrist Eric gar nicht aus dem Hardcore, für den sind NINE INCH NAILS und DEFTONES die Größten und deshalb ebenfalls ein wichtiger Einfluss für uns.