BOMBSHELL ROCKS

Ich gebe es ja zu: in diesem Heft gibt es mit DROPKICK MUPRHYS, US BOMBS und BOMBSHELL ROCKS gleich eine Triple-Dröhnung Siebenundsiebziger-Punkrock. Die schwedischen BOMBSHELL ROCKS sind jedenfalls trotz ihres jugendlichen Alters - die Fünf sind allesamt erst Anfang 20 - begnadete Wiedererwecker jenes rotzig-aggressiven Streetpunks, wie er Ende der Siebziger in England erfunden wurde. Und weil´s geographisch irgendwie Sinn machte, fand dieses Interview auch in London statt: nach dem Auftritt mit oben genannten Bands im "Garage" sassen wir ziemlich angeschickert im Nightliner, tranken Büchsenbier und sprachen über dies und das. BOMBSHELL ROCKS sind Christian - Gitarre & Backing Vocals, Mathias - Bass, Mårten - Gesang, Thomas - Schlagzeug und Martin - Gitarre.

Das erste, was ich von euch hörte, war die "Underground radio"-EP letztes Jahr. War das eure erste Veröffentlichung, woher kommt ihr, wie lange gibt es die Band schon?

Christian: Wir kommen aus einer kleinen schwedischen Stadt namens Västerås. Eigentlich ist es die zehntgrösste Stadt Schwedens, aber da Schweden ein kleines Land ist, heisst das nicht viel. In Västerås leben 130.000 Menschen. Die Band gibt es seit Ende ´95, natürlich gab es diverse Umbesetzungen und ich bin jetzt seit anderthalb Jahren dabei. Der andere Gitarrist ist noch ganz neu, er spielt erst seit zwei Monaten bei uns. Unser alter Gitarrist stieg nämlich nach den Aufnahmen zum Album aus. Vor der EP auf Sidekicks brachten wir eine 6-Song-Single raus mit dem Titel "Who´s the real bastards". Wir pressten nur 300 Stück, und es waren glaube ich auch die ersten sechs Sechs Songs, die BOMBSHELL ROCKS je geschrieben haben. Es war eher als Promo gedacht und die Band brachte die Single selbst raus. Danach gründete Mårten, unser Sänger, ein Label namens Noiseline Records und brachte eine zweite Single mit dem Titel "Going up, going down" heraus - und das war´s auch schon.

Habt ihr vorher schon in Bands gespielt?

Mathias: Ich und Mårten haben vorher zusammen in DOWN & OUT gespielt, einer Skatepunk-Band.

Aha! Da haben wir´s ja!

Christian: Ja, wir haben alle diese Skatepunk-Vergangenheit. Ich und Thomas haben auch in einer Skate-Band gespielt, zur gleichen Zeit. Die hiess KIRBY.

Ich will ja nicht persönlich werden, aber damit habt ihr natürlich das angesprochen, wofür Schweden seit MILLENCOLIN steht und was heutzutage nicht mehr gerade viel Begeisterung auslöst.

Christian: Oh ja, ich weiss, was du meinst, und wahrscheinlich waren wir auch eine dieser drittklassigen Bands.

Mathias: Irgendwo muss man ja anfangen, oder?

Und wie seid ihr dann von Skate- zum Streetpunk gekommen?

Christian: Wir sind halt irgendwann auf den Geschmack gekommen und haben angefangen, die alten Bands zu hören. Wir stellten fest, dass dieser alte Punkrock mehr für uns bedeutet als Skatepunk. Es war, denke ich, eine natürliche Entwicklung. Wir haben THE CLASH, STIFF LITTLE FINGERS und so weiter gehört, und irgendwie passte das auch besser zu uns.

Diese beiden Bands sind mir auch als erstes eingefallen, nachdem ich eure EP gehört hatte.

Christian: Danke. Aber es sind nicht nur die alten Bands, sondern auch neuere wie SOCIAL DISTORTION - okay, die waren damals schon dabei, aber ich meine deren neuere Platten - , RANCID oder BAD RELIGION. Ich höre aber auch viel Hardcore, Mårten auch, Thomas hört viel Ska und Reggae, Mathias hört Crust, wir haben also Einflüsse aus den unterschiedlichsten Stilrichtungen.

Trotzdem klingt das Ergebnis doch schwer nach englischem Punk der späten Siebziger.

Christian: Ich weiss auch nicht wieso, aber wenn wir proben, ergibt sich das halt immer so.

Irgendwie ist es ja auch seltsam, dass ihr heute hier in London spielt und englischen Punkrock importiert, denn derzeit gibt es aus England kaum noch neue Punkbands eures Stils.

Mathias: Stimmt, aber in Schweden ist das auch nicht anders. Wir sind da auch eine der wenigen Punkrockbands unter vielen Hardcore-Bands. Doch, ich muss sagen, die Hardcore-Szene ist sehr gut in Schweden.

Nicht zu vergessen die ganze "Schwedenrock"-Sache.

Christian: Klar, Sachen wie GLUECIFER und HELLACOPTERS sind derzeit sehr angesagt. Mein Ding ist das nicht, und es gibt nur ein paar Bands, die das wirklich gut machen. Es ist eben der angesagte Trend derzeit in Schweden.

Was für ´77-Bands gibt es derzeit noch in Schweden?

Christian: HUMPTY aus Stockholm, die sind sehr gut, und BOBBIT sind ebenfalls cool.

Mathias: Der ´77-Sound ist bei uns eben nicht besonders angesagt derzeit, aber wir hoffen, dass sich das ändert. Und ich denke sogar, dass es eine ganze Menge Bands in Schweden gibt, die ´77er Punkrock spielen, nur kommen die nicht aus ihren Proberäumen raus. Die Punkszene ist derzeit ziemlich tot, und das bedeutet für uns, dass wir meistens auf Hardcore-Konzerten spielen.

Und, kommt ihr an?

Mathias: Gut! Das Publikum bei den Konzerten ist meist sehr gemischt, da treffen sich Punkrocker, Hardcore-Kids, Pop-Punk-Fans und so weiter, die gehen alle zu den gleichen Konzerten.

BOMBSHELL ROCKS - was hat´s mit dem Namen auf sich?

Mårten: Der Name BOMBSHELL faszinierte mich, aber es gab schon ein paar Bands, die so hiessen, also machte ich BOMBSHELL ROCKS draus. Ich wollte einen griffigen Namen, und ROCKS passt ja dann wohl. Eine Bedeutung hat der Name eigentlich nicht, aber er klingt gut.

Was für Reaktionen gab´s denn auf die EP? Das Album ist ja eben erst erschienen.

Mårten: Die Reaktionen waren sehr gut, ehrlich, ich habe nicht eine einzige schlechte Besprechung gelesen.

Christian: Ich kann auf nichtssagende Besprechungen echt verzichten, in denen die Leute nur lobhudeln, aber was ich mitbekommen habe, sind fast alle Reviews sehr begeistert ausgefallen.

Zusammen mit den GENERATORS und OXYMORON seid ihr für mich auch eine der besten derzeitigen Bands in diesem Genre.

Christian: Ich finde OXYMORON auch sehr gut. Wir haben in Essen und Berlin mit denen gespielt und die waren echt sehr gut. Die GENERATORS kenne ich ehrlich gesagt noch nicht.

Wie seid ihr mit Sidekicks Records in Kontakt gekommen?

Christian: Sidekicks hängt ja mit Burning Heart zusammen, und denen hatten die Jungs damals auch die erste Single geschickt, aber es kam keine Reaktion. Später haben wir dann mal mit VOICE OF A GENERATION zusammen gespielt, und zwei von denen arbeiteten damals bei Burning Heart. Die fanden uns gut, sprachen mit Jallo von Sidekicks und der wollte unser neues Demo haben. Er mochte es, packte zwei Songs von uns auf die "Screams from the gutter"-Compilation, und dann nahmen wir die "Underground radio"-Single auf.

Steckt hinter dem Titel eigentlich eine, äh, Message?

Mårten: Als ich zum Punkrock kam, lernte ich sehr viel, das ich nicht gelernt hätte, wenn ich andere Musik gehört hätte. In der Schule etwa lernst du doch so viel, das du im richtigen Leben gar nicht gebrauchen kannst. Der Song geht also um das, was man in der Punk-Szene so an Erfahrungen und Wissen vermittelt bekommt. Mit einer "richtigen" Radiostation hat der Titel also nichts zu tun, es geht eher um die Art, wie sich Informationen und Wissen in der Szene verbreiten, über Bands, Fans, und so weiter.

Was treibt ihr sonst so?

Christian: We don´t do shit! Wir sind alle arbeitslos und machen jetzt irgend welche Kurse, zum Beispiel für Computer, Musik und so weiter. Wir kriegen kein Geld vom Staat, gerade mal ein paar Mark für die Miete, und das ist es auch schon. Ich habe echt keine Lust auf einen beschissenen Job, ich konzentriere mich lieber auf die Musik.

Mårten: Wir wollen so viel wie möglich mit der Band machen: jeden Abend irgendwo spielen, einen Pennplatz kriegen, was zu essen und zu trinken, das ist doch perfekt. Auf das Geld kommt es mir echt nicht an.

Das Klischee vom reichen, wohlversorgten Skandinavier trifft auf euch also nicht zu.

Christian: Nee, das ist Bullshit. Ich meine, die medizinische Versorgung ist gut, aber sonst... Willst du noch ein Bier? Bedien dich. Wir haben genug, denn wir bekommen überall palettenweise Bier hingestellt, sind aber nur sieben Leute in drei Bands, die Bier trinken, von daher ist genug da.

Was?

Christian: Ja, die DROPKICK MURPHYS trinken kein Bier, von den US BOMBS trinkt auch nicht jeder und genauso ist es bei uns.

Mårten: Al von den Murphys achtet sehr auf seine Stimme und trinkt deshalb so gut wie nichts, und ausserdem sagt er, er hasse das Gefühl betrunken zu sein.

Was ist mit euch, ihr bevorzugt Bier?

Christian: Durchaus. Ausserdem ist das unsere erste Tour, wir bekommen überall Freibier und so trinken wir es. Aber nach dieser Tour sind wir auch noch ein paar Wochen mit 59 TIMES THE PAIN unterwegs, und ich denke, dass wir da dann doch mal genug haben werden vom allabendlichen Saufen. Aber bisher macht´s noch Spass. Und Mårten trinkt sowieso keinen Alkohol.

Wie alt seid ihr? Ihr macht noch einen relativ jungen Eindruck.

Christian: Wir sind zwischen 19 und 24, also noch eine ziemlich junge Band. Und hier im Bus sind wir sowieso die Kids - gerade im Vergleich zu jemandem wie Duane Peters.

Und es ist cool mit den Amis auf Tour zu sein?

Christian: Au Mann, ja! Als wir hörten, dass wir mit US BOMBS und DROPKICK MURPHYS auf Tour gehen werden, konnten wir das erst kaum glauben. Es ist echt cool.

Mårten: Das sind auch beides Lieblingsbands von mir, besser konnten wir es also gar nicht erwischen.

Okay, ich glaube, die DROPKICK MURPHYS fangen gerade an zu spielen - ich muss rein! Danke für das Interview!