35 Jahre später: DISCHARGE - Hear Nothing See Nothing Say Nothing (LP, Clay, 1982)

Foto

Als „Hear Nothing See Nothing Say Nothing“ 1982 erschien, konnten die 1977 im britischen Stoke-on-Trent gegründeten DISCHARGE bereits auf einige Achtungserfolge zurückblicken. So wurde die erste Single „Realities Of War“ von John Peel in seiner Radiosendung gespielt und die 1981er EP „Why?“ stand einige Zeit auf Platz 1 der britischen Indie-Charts. Die „Apocalypse Punk Tour“ mit THE EXPLOITED, ANTI-PASTI, CHRON GEN und ANTI-NOWHERE LEAGUE im selben Jahr tat ihr Übriges, um DISCHARGE als eine der Ikonen der damals neuen Punk-Welle zu etablieren und das typische Bandlogo veredelte tausende Lederjacken. In den ersten Jahren wechselte die Besetzung ständig und es gab dadurch personelle Überschneidungen mit den UK SUBS oder THE VARUKERS.

Wie so viele andere Bands auch spielten DISCHARGE zunächst einen stark von 1977er Punkbands – SEX PISTOLS, THE DAMNED, THE CLASH – beeinflussten Sound, was sich erst durch den Einstieg des neuen Sängers und früheren Bandroadies Kelvin „Cal“ Morris ändern sollte. Dieser schrie und brüllte die Texte ohne jegliche Melodie und dazu änderte Anthony „Bones“ Roberts sein Gitarrenspiel hin zu einem stark verzerrten, brutalen und extrem heavy klingenden Sound. Zeitgleich erhöhte die Band bei allen Songs das Tempo auf ein bis dato selten gehörtes Level. Auf „Hear Nothing See Nothing Say Nothing“ perfektionierten DISCHARGE diesen neuen Stil und lieferten damit, obwohl von damaligen Kritikern als unmusikalisch abgetan, einen absoluten Meilenstein des Hardcore-Punk ab, der bis heute den absolute Höhepunkt des musikalischen Schaffens von DISCHARGE darstellt.

Zum Gebrüll von Cal und dem rasiermesserscharfen Gitarrensound, der unter anderem Einfluss auf den Sound von METALLICA haben sollte, kreierte Drummer Gary Maloney einen Rhythmus, den Legionen von späteren Drummern als D-Beat kopieren sollten. Textlich wurden ausschließlich einige wenige politische Statements immer wiederholt. So hatte der Text des Titelsong gerade einmal zwanzig Wörter, „Free speech for the dumb“ nur fünf.

Auch optisch setzten DISCHARGE mit diesem Album Maßstäbe. Vier einfache schwarzweiß Fotos illustrieren auf dem Cover den Albumtitel, die Bandfotos zeigen Stachelhaare und Punks, die nichts mehr mit 1977, sondern mehr mit Crust gemeinsam haben. Und die Schockwirkung, die im Innenteil des Gatefold-Covers das Gegenüberstellen von sonnenbadenden jungen Frauen mit Opfern mit schlimmsten Brandverletzungen in gleicher Pose hatte, ist heute nur noch schwer nachvollziehbar. Durch etliche Besetzungswechsel und musikalische Neuausrichtungen katapultierte sich die Band in den Folgejahren leider in die Bedeutungslosigkeit.