MOBINA GALORE

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This is not an anti-lovesong?

Auf das kanadische Punkrock-Duo MOBINA GALORE – Jenna Priestner (Gesang, Gitarre) und Marcia Hanson (Drums, Gesang) – wurde ich 2014 aufmerksam, als ich ihr erstes Album reviewen durfte. Zu „Cities Away“ schrieb ich damals: „Die Musik ist melodisch, sie ist wütend, sie ist schnell, sie ist kräftig, sie tritt Arsch. Genauso die Texte, die vom Älterwerden und der Liebe erzählen.“ Seitdem waren sie fast pausenlos auf Tour, vor einem Jahr auch in Deutschland, wo ich sie leider verpasste. Nun kamen sie als Vorgruppe von AGAINST ME! nochmals nach Europa, pünktlich hierzu war die neue 7“ „A Single & A B-Side“ erschienen. Im Interview vor dem Konzert in München sprachen wir auch über die neue Platte „Feeling Disconnected“.

Ihr seid innerhalb eines Jahres zum zweiten Mal in Europa auf Tour. Wie kam es dazu, dass ihr nun für AGAINST ME! eröffnet?

Marcia: Der Besitzer unseres Labels Gunner Records, Gunnar, fuhr 2001 AGAINST ME! auf deren erster Europatour. Seitdem ist er mit Laura und James befreundet und so kam eines Tages eine Mail zu uns, die uns umhaute – und zwar mit der Frage, ob wir mit AGAINST ME! auf Tour gehen wollen. Da waren wir ziemlich baff und haben selbstverständlich zugesagt.

Wie läuft es bisher? Werdet ihr als Band in Kanada, den USA und Europa unterschiedlich behandelt?

Jenna: Es gibt enorme Unterschiede. Europa ist mit Abstand der beste Ort für eine Band, die auf Tour geht. Und dort speziell Deutschland.

Marcia: Obwohl uns hier noch nicht so viele kennen, behandeln uns alle sehr gut, sie kümmern sich um uns, sie kochen für uns, sind sehr hilfsbereit und interessiert – es ist einfach sehr angenehm und das macht den Unterschied aus.

Jenna: Kanada kann man nicht so generalisieren, da es schon aufgrund seiner Größe und der weiten Wege sehr unterschiedlich ist. Wir kommen wie PROPAGANDHI aus Winnipeg. Kanada ist geprägt von vielen Unterschieden, es reicht von Leuten, die die Szene unterstützen und darin leben, bis hin zu Rednecks.

Ihr solltet letztes Jahr schon einmal in München spielen, doch das Konzert fiel aus, da ihr aus Österreich nicht wegkamt. Das war zu der Zeit, als viele Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland waren. Hing es eventuell damit zusammen?

Jenna: Nein, es lag schlicht und einfach an unserem Van, der den Geist aufgegeben hatte. Von der Flüchtlingsbewegung haben wir natürlich schon in Österreich etwas mitbekommen. Es hat uns die Augen geöffnet, denn wir haben gesehen, was mit den Menschen passiert ist, und haben auch gesehen, wie gut sich Europa zu dieser Zeit verhalten hat und die Menschen aufgenommen hat.

Ist es bei euch in Kanada ein Thema?

Marcia: Fast gar nicht. Man hört kaum etwas in den Nachrichten, niemand redet darüber. So wird es von der Bevölkerung nicht wahrgenommen. Unser Land hat nur etwa 32.000 Flüchtlinge aufgenommen. Es wurde oft gesagt, wir nehmen Geld für Flüchtlinge in die Hand. Dann kam aber nie was.

Jenna: Unser neuer Premierminister Justin Trudeau ist sozialer eingestellt als die sehr konservative Regierung zuvor. Einerseits ist er ganz okay, dennoch handelt auch er nicht so sozial, wie es sein sollte.

Kommen wir zu eurer Musik. Aus meiner Sicht habt ihr nur wütende, traurige Lieder, die von viel gescheiterter Liebe, vom Verlassen werden oder vom Älter werden handeln.

Jenna: Haha, nun, es ist erst mal viel einfacher, wütende Songs zu schreiben. Und dann kommt es auf die Perspektive an, aus welcher der Song gesungen wird. Es kann auch vorkommen, dass ein Songtext „überdramatisch“ geschrieben oder so verstanden wird.

Marcia: Es ist interessant, dass du das sagst. Das höre ich nicht zum ersten Mal. Gib uns mal ein Beispiel dafür.

„You are not 23 anymore“ etwa ... Mit 23 denkt man, man kann wirklich noch „was reißen“, mit dreißig merkt man, dass es doch nicht so einfach ist und wird unglücklich solide und mit 43 kann man dann sowieso alles vergessen. Habt ihr ein Problem mit dem Älterwerden?

Marcia: Diesen Song haben wir tatsächlich aus der Perspektive eines Menschen, der nur über das Älterwerden schimpft, geschrieben. Wir haben mit dem Text aber nur diese Rolle übernommen, für uns ist genau das Gegenteil der Fall.

Jenna: Ich finde es schön und spannend, älter zu werden, weil man einfach immer mehr dazulernt. Ich denke, dass wir beide ziemlich optimistische und hoffnungsvolle Menschen sind. Und man wird auch zunehmend positiver.

Marcia: Und natürlich gibt es auch schlechte Zeiten. Unsere neue Single zeigt diesen Kontrast recht gut. „Spend my day“ handelt vom Tod meines Vaters, „Thick and thin“ dagegen ist ein richtig fröhlicher Song geworden.

Also besteht Hoffnung, dass im Leben tatsächlich Liebe und Partnerschaft funktionieren können, auch wenn man „Anti-Lovesongs“ singt?

Jenna: Definitiv!

Wie oder wo schreibt ihr eure Texte?

Marcia: Ich würde sagen, kontinuierlich auf Tour, weil da einfach sehr viel Zeit ist.

Jenna: Ich schreibe sie lieber zu Hause. Dann treffen wir uns und tauschen uns darüber aus. Für die im März erscheinende neue LP „Feeling Disconnected“ haben wir uns allerdings dann noch einmal intensiv zusammengesetzt, um an den Lyrics zu feilen.

Wie würdet ihr eure musikalische Entwicklung beschreiben? Die erste EP „Skeletons“ klingt für mich sehr garagig und trashig, euer Album „Cities Away“ wirkt wuchtiger und mit der neuen Single seid ihr für mich gewissermaßen angekommen.

Marcia: Es ist schön, dass du das sagst, das sehe ich genauso. Die erste EP wurde in vier Stunden aufgenommen, von großer Produktion kann man also nicht sprechen.

Jenna: Das ist ja auch schon fünf Jahre her. Seitdem haben wir uns stetig verbessert. Den Bass auf unserer letzten Platte „Cities Away“ hat überwiegend der letzte Produzent John Paul Peters eingespielt, der auch für PROPAGANDHI tätig war.

Wurde eure neue Platte „Feeling Disconnected“ auch von Peters produziert und ist wieder ein Bass dabei?

Jenna: JP ist der Beste! Er produzierte auch die neue Platte. Dieses Mal haben wir allerdings tatsächlich nur Gitarre und Schlagzeug auf dem Album, weil wir unserem Live-Sound einfach so nahe wie möglich kommen wollten.

Inwieweit ist es von Vorteil, dass MOBINA GALORE nur aus euch zweien besteht? Lässt es sich damit leichter alleine von der Musik leben?

Marcia: Der größte Vorteil ist, dass wir viel weniger Probleme mit unserer Organisation haben. Wenn sich nur zwei statt vier oder fünf abstimmen müssen, spart das natürlich viel Zeit und ist effektiver. Andererseits ist es viel schwieriger, sich gegenseitig zu motivieren, wenn du zu zweit bist. Bei vier Leuten ist es einfacher, sich wieder zu pushen. Da sind wir auf dieser Tour sehr froh, dass wir zwei Begleiter dabeihaben, Todd Menzies, unser Tourmanager aus Kanada, und Stefan Liebig von Gunner Records, der sonst unsere europäischen Tourneen gebucht hat und jetzt unser Fahrer ist.

Jenna: Ich finde es spitze, zu zweit zu sein, und für uns ist es viel billiger so.

Marcia: Wie du siehst, ist Jenna sehr geschäftsorientiert, haha. Leben können wir von der Musik nicht, ich arbeite daneben als Bedienung. Jenna ist freiberufliche Grafikdesignerin und macht auch das ganze MOBINA GALORE-Artwork. Es wäre ein Traum, wenn es nach der nächsten Platte klappt, nur von der Musik leben zu können.

Jenna: Eines Tages wird es schon klappen.

Viele junge Menschen müssen sich irgendwann überlegen, ob sie zum Beispiel Rechtsanwalt werden, eine Ausbildung im Supermarkt machen oder auf die Universität gehen wollen. War die Gründung eurer Band auch so ein klarer Entschluss?

Jenna: Ich war tatsächlich mal auf der Uni und habe aber gemerkt, dass das nichts für mich ist. Marcia und ich sind zunächst einfach so zusammengekommen, die Band hat sich quasi so ergeben. 2013 haben wir bei „Cities Away“ dann aber tatsächlich so einen Beschluss gefasst.

Marcia: Was ich für sehr wichtig halte. Viele gute Bands treffen diese Entscheidung nicht und es zerläuft sich, was oftmals sehr schade ist.

Was haltet ihr eigentlich von Madonna?

Jenna: Mich interessiert sie nicht besonders.

Marcia: Ich liebe sie zwar nicht, mag sie aber sehr. Ich bin mit ihrer Musik aufgewachsen, ich erinnere mich an die Platte „The Immaculate Collection“. Ich habe in den ganzen Jahren, in denen ich so viele Instrumente wie Klavier, Ukulele, Gitarre und natürlich Schlagzeug gelernt habe, viele verschiedene Musikrichtungen mitbekommen und habe auch Pop gehört. Madonna ist schlicht und einfach badass!