Punk Art #1: Gössi

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In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer, Cover gestalten. Diesmal sprachen wir mit Gössi aus Luzern, der außerdem bei den MÖPED LADS spielt und Konzerte im „Sedel“ mitveranstaltet.

Bitte stell dich vor.

Bürgerlich heiße ich Martin Gössi, da offenbar aber der 1965er Jahrgang eine hohe Anzahl an solchen Vornamen zu verzeichnen hatte, fand ich mich in der ersten Klasse der Grundschule mit mehreren Vertretern dieses Namens wieder und wurde deshalb ab da nur noch Gössi gerufen. Da ich in einer Band namens MÖPED LADS spiele und dort wie alle Mitglieder den Familiennamen Moped verwende und der Vorname auf -i, oder -ie oder -y enden sollte, gab es dann noch wegen all meiner diversen Geräte gleicher Herkunft den Namen Sony. Bürgerlich bin ich in Teilzeit Stadtangestellter und da so etwas wie der Sekretär von Leuten, deren Leben sich nicht auf der Sonnenseite abspielt. Neben meiner Bandaktivität veranstalte ich schon seit über drei Jahrzehnten Konzerte – vornehmlich Punk, aber auch Hardcore oder Psychobilly, Rockabilly oder was immer noch so herumrockt. Zum Punk bin ich gekommen, als ich mit elf die erste RAMONES-Scheibe in die Finger bekommen habe. Ab da war ich geimpft fürs Leben. Alles andere kam und ergab sich dann.

Seit wann betätigst du dich künstlerisch, wie fing das an, wie ging es weiter?

Ich weiß nicht, ob ich das künstlerisch nennen sollte. Ich zeichne halt schon immer. Als kleiner Junge wollte ich immer diese ganzen Zeichentrickfilm-Figuren zum Spielen haben, also habe ich versucht, sie zu zeichnen und dann ausgeschnitten. Und als ich dann mit Comics in Berührung kam, da wollte ich das dann auch. Als der Punk in mein Leben trat, da wurde es richtig vielfältig, schon wegen der neuen Xerox-Maschinen. Die ermöglichten ganz neue Vervielfältigungen. Und dann mussten eben auch Lederjacken oder Skateboards bemalt werden. Bald kamen die ersten kleinen Flyer dazu oder auch Fanzine-Beiträge. Später eignete ich mir auch das Airbrushen an und beschaffte mir die ganze Ausrüstung. Plakate habe ich regelmäßig erst ab Ende der Neunziger Jahre gemacht, denn es ergab sich immer häufiger, dass die Tourplakate nicht rechtzeitig ankamen, weil der Zoll daran offenbar Freude hatte. Hösli, der leider vor bald einem Jahrzehnt verstorbene Frontmann von STEVENS NUDE CLUB und guter Freund, welcher selber in einer Printfirma arbeitete, ermutigte mich irgendwann, die ganzen Dinger doch selber zu machen, was ich schließlich auch befolgte.

Wie arbeitest du? Klassisch mit Papier und Farbe oder digital am Rechner?

Ich zeichne immer noch ganz klassisch auf Papier und scanne dies danach ein. Zu Beginn war noch alles, auch die Schrift, völlig von Hand auf Papier gebracht, da ich mir erst seit Anfang der 2000er Jahre so langsam die grafischen Grundelemente am Computer beibrachte. Aber es ist noch immer so, dass es für mich wichtig ist zu wissen, ob die ganze Sache in Schwarz/Weiß, oder in Farbe sein soll. Wenn es in black and white sein soll, dann benötige ich dazu eine ganz andere Schattierung und Strichführung. Bei Farbe kommt der Computer dazu und bei den Schriften ebenfalls. Da ich ein ausgesprochener Comic-Narr bin, es aber nie auf die Reihe bringen würde, einen mehrseitigen Strip zu zeichnen, weil ich keine Geduld und keine Lust aufbringen kann, den genau gleichen Stil zu verwenden, ist Flyer oder Plakate zu zeichnen genau das Richtige für mich. Denn je nach Band oder Musik sind da mal cartoonartige knubbelnasige Figuren angebracht oder aber so Superhelden-Wesen im realistischen Stil. Das macht es eben immer interessant. Zudem habe ich nur ein Bild zur Verfügung, welches alles beinhalten muss, damit auf einen Blick erkennbar wird, um was es geht. In der Zukunft möchte ich mich aber vermehrt dem Print widmen, mit dem Ziel, endlich auch Siebdrucke anzufertigen. Bisher gab es nur sehr wenige davon.

Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?

Ich bin der absolute Punk! Ich habe keinerlei Ausbildung. Alles habe ich mir durch das Lesen von Comics seit meiner Kindheit angeeignet. Ich versuchte, all die Striche so lange zu kopieren, bis ich mich imstande fühlte, selber Figuren zu zeichnen. In der Schule mochte ich den Zeichenunterricht überhaupt nicht, denn der Zeichenlehrer wollte mir sogar weismachen, dass ich den Stift nicht richtig in den Händen hielt. Wie hätte ich dann noch eine Grafikschule besuchen können? Undenkbar! Aber ich denke, mittlerweile kann ich ja auf viele tausend Stunden Erfahrung zurückblicken, hahaha.

Hast du Vorbilder? Welche Stile beeinflussen dich?

Vorbilder habe ich viele. Gerade schwärme ich wieder für die franko-belgische Comicschule, welche mich als Junge schon so fasziniert hat. Auch beginne ich wieder damit, die einfachen, aber knalligen Comicfarben zu verwenden und auf Schatten oder so zu verzichten und einfach mit wenigen, aber schön knalligen Farben zu arbeiten, wie sie es damals in den Sechzigern und Siebzigern gemacht haben. Bei der heutigen absoluten Perfektion, die aus den Computern kommt, fällt dies dann schon richtig auf. Mir gefällt das und es ist vielleicht auch so eine Aufarbeitung meiner Jugendzeit. Wenn es aber um Plakate geht, dann komme ich natürlich nicht umhin, die Großen der Sechziger zu erwähnen, wie zum Beispiel Rick Griffin. Oder wenn es um Achtziger-Hardcore und Punk-Flyer-Art geht, natürlich Pushead – mit dem ich mal in Briefkontakt stand, nachdem ich ihn bei einem CONFLICT-Konzert in London Mitte derAchtziger kennen gelernt hatte –, Shawn Kerri oder Raymond Pettibon. Und in den Neunzigern natürlich derjenige, welcher definitiv meinen Wunsch, es auch zu versuchen, mobilisiert hat, Coop; aber auch Frank Kozik. Coop im Speziellen ist natürlich ein Vorbild, das kann man so sagen. Und in der Schweiz ist es natürlich der großartige Dirk Bonsma!

Gibt es deine Kunst zu kaufen?

Das mit dem Verkaufen ist immer so eine Sache. Das steckt bei mir noch etwas in den Kinderschuhen, da ich mich nie so richtig darum kümmern konnte, weil ich immer weitere Sachen machte, und was abgeschlossen war, das war dann vorbei. Aber es gab Siebdruck-Poster von SOCIAL DISTORTION und kürzlich habe ich einen „Gössi Punk-Art“-Kalender 2017 und einen „Gössi Rock-Art“-Kalender 2017 in A3-Format drucken lassen, bestehend aus je zwölf Plakaten, die ich in der Vergangenheit gemacht habe. Die sind aber restlos ausverkauft. Originale verkaufe ich eigentlich nie, denn das sind Zeichnungen, die ich warum auch immer noch lieber selber behalte, haha. Aber da ich ja neuerdings eine eigene Homepage habe, werde ich mir da schon noch etwas den Verkauf betreffend überlegen. Es gibt ja noch ein paar schöne Spezialdrucke, die ich jeweils für die Bands, welche ich veranstalte, als Souvenir anfertige, die ich verkaufen werde. Auch habe ich vor, limitierte Shirts mit Siebdrucken von alten Plakaten zu versehen und über meine Homepage anzubieten.

Arbeitest du völlig frei oder auch im Auftrag, etwa für Bands oder Konzertveranstalter?

Da das Ganze ein Hobby von mir ist, muss ich nichts, sondern mache, wenn ich Lust und vor allem auch Zeit dafür habe. Ich suche mir also aus, was ich mache. Bei eigenen Veranstaltungen übernehme ich sowieso die Plakatillustration. Aber es gibt zu meiner Freude auch Anfragen von Bands, Konzertveranstaltern oder Touragenturen. Auch für Albumcover, aber dies muss ich leider aus Zeitgründen meistens ablehnen, da dies richtig aufwändig ist, und ich bin eben der Punk, nicht der professionelle Grafiker.

Was ist mit Ausstellungen?

Es gab immer mal wieder kleinere Ausstellungen in Luzern, wo ich wohne. Oder ich war die letzten fünf Jahre jeweils Teil der PunkArt-Exhibition beim Rebellion Festival in Blackpool. Auch dieses Jahr wird das wieder der Fall sein. Ausstellungen in Kunstgalerien gab es aber noch nicht. Das würde nicht passen, das ist zu wenig Rock’n’Roll oder Punk, haha. Ausstellungen benötigen auch immer einen speziellen Extraaufwand und dazu fehlt mir eben doch die Zeit.

Was bringt dir deine Kunst emotional?

Farbe ins Leben! Na ja, seit ich vor ein paar Jahren einen üblen gesundheitlichen Tiefschlag einstecken musste und seither nur noch in äußerst beschränktem Maße am Alkohol nippen kann, wenn überhaupt, und dem Rauchen oder sonstigen bewusstseinserweiternden Substanzen entsagen musste, bin ich nicht mehr so oft auf den Szenepisten, wenn ich es nicht mit den MÖPED LADS oder im Zusammenhang mit eigenen Veranstaltungen bin. Denn das bringt mir nichts, in Kneipen zu sitzen, an Limos zu nuckeln und zuzusehen, wie die Leute ins Lallen geraten mit den ewig gleichen Labereien. So sitze ich lieber zu Hause und arbeite an einer neuen Illustration, während ich aus vollen Boxenrohren den Sound, für den das Bild schließlich stehen soll, auf mich einwirken lasse. Das Zeichnen ist auch eine ausgezeichnete Gelegenheit, mich von den oftmals belastenden Schicksalen des Jobs abzulenken.