RAW POWER

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Still screaming

Neben den Kanadiern D.OA. sind RAW POWER aus Italien wohl mit die dienstälteste, noch regelmäßig tourende und Alben veröffentlichende Band aus der prägenden Gründungsphase des Hardcore-Genres Anfang der Achtziger. Eine Reunion? Nie nötig, weil seit der Gründung 1981 nie aufgelöst, entsprechend der Text des gleichnamigen Songs vom 2014er-Album „Tired And Furious“: „We never broke up [...] / We never gave up / And we’re proud of that“ singt Sänger Mauro „MP“ Codeluppi, das einzig verbliebene Ur-Mitglied. Über 30 Jahre nach den stilprägenden Alben „You Are The Victim“ (1983) und „Screams From The Gutter“ (1985) melden sich RAW POWER nun mit ihrem neuen Album „Inferno“ auf dem deutschen Label Demons Run Amok zurück. Mauro beantwortete unsere Fragen.

Auf eurem neuen Album gibt es zum ersten Mal in der Geschichte von RAW POWER auch drei Songs auf Italienisch. Warum hast du nicht schon früher mal italienische Texte verfasst?

Erstmal dachte ich mir: Warum nicht? Ich habe das noch nie gemacht, also warum nicht jetzt? Was hält mich auf? Und die Antwort lautete schlicht: nichts. Keinerlei Verpflichtungen gegenüber einem Label oder einer Agentur zu haben, heißt ja im Grunde, dass du tun und lassen kannst, was du willst. Und das haben wir getan. Als wir anfingen, dachte ich, die einzige Sprache für Hardcore und Punk sei Englisch, und das denke ich eigentlich immer noch. Es klingt gut und kräftig, die meisten Leute können es verstehen oder zumindest kann man es nachlesen, wenn man beim Zuhören nichts mitbekommt, also ist das schon die richtige Sprache. Die Idee, ein paar Songs auf Italienisch zu schreiben, schwirrte mir dennoch immer im Kopf herum. Das einzige Problem ist vielleicht, dass es nicht so gut klingt, weil ich vorher nie auf Italienisch gesungent hatte. Aber ich dachte: Was zur Hölle, lasst es uns versuchen und abwarten, ob’s den Leuten gefällt.

Was steckt hinter dem Text von „Sono morto“?

Ich kann mich an einen Abend erinnern, an dem ich mich, direkt nach der Probe, mit jemanden gestritten habe. Und während ich irgendwie versuchte habe, ein vernünftiges Gespräch daraus zu machen, kam mir ein Gedanke: „Was, wenn ich tot wäre? Warum muss ich hier stehen und mit diesem Stück Scheiße diskutieren? Wäre es nicht viel einfacher, nicht mehr da zu sein? Ich bin doch sowieso der Letzte, der von meiner Familie übrig geblieben ist – warum ich?“ Das dachte ich also, zwischen all der Schreierei, dem Geschubse und Geschimpfe. Beim Schreiben gab’s nur das Problem, dass ich mich wieder in diesen Moment zurückversetzen musste. Ich habe ein echt schlechtes Gedächtnis, aber letztendlich habe ich es hingekriegt, mich an das meiste zu erinnern. Vielleicht sollte ich mich öfter mal streiten ...

Und worum geht’s in „La paura“?

Grundsätzlich geht es um die Angst, am Leben zu sein, heute zu leben. Sogar da, wo wir leben, in einem kleinen Dorf, oder auch in Städten rundherum: Es begehen so viele Menschen Selbstmord wie nie zuvor. Sie können all das, was passiert, nicht mehr verkraften. Sie verlieren ihre Jobs, ihr Haus, ihre Familie ... es wird ihnen zu viel und am Ende leben sie nur noch in Angst.

Zu Beginn wart ihr sehr politisch, mit Songs wie „State oppression“ oder „Police, police“. Wie aktuell sind diese Songs heutzutage noch? Und wie schätzt du die momentane Situation in Italien ein?

Ich denke, wenn ich diese Songs heute schreiben würde, wären sie absolut nicht fehl am Platz. Italien steckte damals in der Scheiße und steckt jetzt wahrscheinlich noch tiefer drin.

Euer letztes Album „Tired And Furios“ ist 2014 über Beer City in den USA erschienen. Für eine Band, die viel in den USA tourt, ist das bestimmt von Vorteil. In Europa war es hingegen nicht immer leicht, eure Platten zu bekommen.

Ja, du hast recht, aber nicht ganz. Die Platten hätten tatsächlich einfacher zu finden sein können, aber nicht viel einfacher. Hauptsächlich machte es Sinn für uns, bei einem amerikanischen Label zu sein, weil wir öfter in den USA gespielt haben als in Europa und Italien. Aber selbst dann heißt das nicht, dass man überall, wo du hinkommst, deine Platte kaufen kann oder dass dafür Werbung in Zeitschriften und Fanzines gemacht würde. Oder zumindest bei uns hieß es das nicht. Ich muss trotzdem sagen, dass ich definitiv keine Zusammenarbeit mit einem der Labels bereue, bei denen wir in all den Jahre waren, ganz im Gegenteil. Aber wie du schon sagtest, hatten wir meistens das Problem, dass unsere Platten in Europa kaum erhältlich waren, oder eben nur als Import, was einfach ganz schön teuer ist. Ich denke, wir haben aktuell alles richtig gemacht.

Jetzt seid ihr bei Demons Run Amok in Deutschland. Wie kam’s dazu?

Es war einfach Zufall, oder Glück, wie du willst. Wir hatten gerade beschlossen, eine neue Platte aufzunehmen, als Rene von Demons Run Amok mir schrieb und fragte, ob wir Lust hätten, dort unsere nächste Platte rauszubringen. Wir haben nur kurz ein paar Sachen geklärt, und die Zusammenarbeit stand. Danach hieß es nur noch, alles unter einen Hut zu bekommen, IndieBox, das italienische Label, das die Platte nur in Italien rausbringt, und Demons Run Amok, das sich um die Veröffentlichung im Rest der Welt kümmert. Und letztendlich hat es super funktioniert.

Demons Run Amok ist ein relativ junges Label, das eher „moderne“ Hardcore- und Metal-Bands rausbringt. Denkst du, dass ihr dadurch auch ein jüngeres Publikum erreicht?

Ja, das hoffe ich sehr. Und zwar für beide, für die Band und das Label. Ich möchte, dass Demons Run Amok stolz sein kann, mit RAW POWER zusammenzuarbeiten. Sie stecken da eine Menge Energie und Geld rein, also wäre es nur richtig, wenn sich ihre Bemühungen auch lohnen. Und für uns hoffe ich, auch weil das jetzt die erste Zusammenarbeit mit einem europäischen Label ist, dass noch mehr Leute unsere neue Platte hören. Das wünsche ich mir wirklich. Kids, die unsere Songs hören, unsere Musik mögen und eventuell zu unseren Konzerten kommen. Denn am Ende des Tages ist das der Grund dafür, warum wir das alles machen, um auf einer Bühne zu spielen.

Warum habt ihr eure Band nach dem dritten STOOGES-Album von 1973 benannt? Die waren 1981 doch schon wieder fast vergessen, auf jeden Fall nicht „hip“, oder?

Bevor mein 2002 verstorbener Bruder Giuseppe RAW POWER gründete, hat er in einer anderen Band gespielt, die hauptsächlich Coversongs gespielt hat. Darunter waren immer Songs von Iggy Pop. Als der dann mal in Parma, zehn Minuten von unserem Dorf entfernt, ein Konzert gab, war das ein so so eindrucksvolles Erlebnis für uns, dass wir ihn einfach nicht mehr vergessen konnten. Als es dann darum ging, einen Namen für unsere neue Band zu finden, in der mein Bruder und ich spielten und wo wir jetzt unsere eigenen Songs schreiben wollten, waren wir uns alle einig, dass RAW POWER genau der richtige ist. Der richtige Name für uns und der richtige Weg, uns vorzustellen. Also, ob „hip“ oder nicht, Iggy steckt die meisten Bands, ob alte oder von heute, locker in die Tasche. Er ist eine Inspiration für uns alle. Er wird nicht nur älter, er wird immer besser. Ich wünschte echt, ich könnte in seinem Alter so sein wie er – mit diesem Zorn und unstillbaren Hunger, der sich immer noch so ist, wie an dem Tag, als ich ihn das erste Mal live gesehen habe. Er ist ein großartiger Mensch und ein brillanter Performer.

Musikalisch seid ihr eurem Sound die letzten 35 Jahre über treu geblieben. Habt ihr nie den Drang verspürt, etwas Neues auszuprobieren?

Ich glaube, selbst wenn wir wollten, könnten wir nichts ändern. Aber ich würde das auch gar nicht erlauben. RAW POWER wurde von meinem Bruder gegründet und er war derjenige, der der Band diesen Sound gab, diese Attitüde und den Stil, den wir spielen. Keine Chance, daran etwas zu ändern. Dazu kommt noch, dass ich auch gar nichts anderes machen könnte, ich kann nur RAW POWER. Und genau das werden wir auch bis zum Schluss machen, nicht mehr und nicht weniger.

Auch euer aktuelles Album-Artwork ist sehr RAW POWER-typisch. Wer hat es gemacht?

Ich hatte Vince Rancid gefragt, von dem auch schon das Artwork für „Screams From The Gutter“ und „After Your Brain“ stammte. Er hatte sofort Lust, das Cover für das neue Album zu machen. Auch bei „Tired And Furios“, unserem letzten Album, wollte ich eigentlich, dass er das Artwork macht und hatte sogar schon das Cover in der Hand, als es hieß, dass wir lieber jemanden, der „berühmt“ ist, unser Artwork gestalten lassen sollten. Letztendlich haben wir eins bekommen, das ich auch wirklich schön finde. Aber Vincents Style ist einfach perfekt für uns. Mit ihm fing alles an und daher ist es nach all den Jahren immer noch ein gutes Gefühl, mit ihm zusammenzuarbeiten.