VENI, VIDI, WHISKY

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Willkommen zum dritten Teil der Rubrik „Besser trinken, ohne dauernd aufs Klo zu müssen“.

Die dümmsten Orte, um „guten Whisky“ zu verkosten, befinden sich in Hotelbars, an Flughäfen und in Clublocations. Meistens haben sie nur

gewöhnlichen Standard, diesen dafür aber zu gepfefferten Preisen. Auch keine echte Option für Anfänger ist ein ausgedehnter Schottland-Destillen-Trip mit anschließender Rekonvaleszenzauszeit, um die Leber wieder auf Normalwerte zu bekommen. Die bessere Alternative: Geht mehr auf Konzerte, also auf Whiskytastings und Messen. Tastings sind die Clubkonzerte und Messen rangieren, je nach Größe, unter kleinem Festival bis hin zu größeren Open Airs mit drei Bühnen und 240 Bands. Wie bei solchen Festivals üblich, wirst du das meiste nicht antesten können. Diesmal aber nicht, weil alle, die dich interessieren, gleichzeitig spielen, sondern weil du schlicht an einer Alkoholvergiftung sterben würdest.


Tastings

Wie bei Konzerten gibt es logischerweise gute und schlechte. Ein Tasting ist immer ein kleines Festival mit sechs bis acht Künstlern, die in einem kleinen Club auftreten. Ähnlich wie bei Gigs gibt es unzählige Möglichkeiten zu scheitern, denn bei diesen Gruppenverköstigungen kann man einiges falsch machen. Untrügliche Zeichen für miese Verschmeckungen: Wenn als Halbzeitverköstigung Knoblauchwurst oder extrascharfe Jalapeños aufgetischt werden, nach denen du zeitweilig die Hälfte deines Sehvermögens einbüßt. Wenn die Raucherecke einer Pinte der Austragungsort für den Geschmackskitzel ist (wie eine Käseverkostung auf einer ungeputzten Bahnhofstoilette). Events, bei denen Geschmacksnoten dank fehlender Vorbereitung live gegooglet werden (nein, keine Vanille, der schmeckt nach Banane), sind ebenfalls weiträumig zu umfahren. Als auch Abende mit ausschließlich Whiskys einer Gattung (wie Festivals, auf dem alle Bands denselben Sound spielen). „Highlighttastings“ rund um eine Flasche, die unter Freunden mal eben einen mittleren vierstelligen Betrag abruft und wie eine Edelrose mit minderwertiger Plörre (Grünzeug) drumherum aufgepeppt wird, damit es sich noch irgendwie rechnet. Sollte dir der edle Hauptact alle Sinne wegschlagen (was er in aller Regel nicht tut), hast du ein echtes Problem. Versuch es lieber gleich mit Heroin, das ist auf Dauer günstiger. Solche Veranstaltungen ergeben keinen wirklichen Sinn. In der Realität ist es aber noch viel schlimmer, denn schlechte Tastings erkennst du meistens erst, wenn es bereits zu spät ist. Ein gutes Tasting hingegen ist hohe Kunst, das ähnlich wie bei einem guten Menü nur von einem wirklich guten Koch zusammengestellt werden kann. Aufbau, Spannung, stets andere Sinne reizen, um dann wie bei einem Feuerwerk ein grandioses Finale hinzulegen, nachdem du keine Zugabe mehr willst und doch auf der Heimfahrt noch etwas davon hast, das langsam abklingt. Und damit meine ich nicht die Flasche, die du dir im Anflug leichten Wahnsinns und dank lockerem Geldbeutel (der Alkohol) „gegönnt hast“. Als Verhaltensregel ein einfacher Tipp: Maul halten! Lass anderen den Vortritt, wenn sie sich durch dumme Fragen oder Klugscheißerei zum Vollhorst machen wollen. Du erinnerst dich an die ein bis drei Tropfen Wasser aus den vorherigen Folgen? Gut! Bis zu dieser Folge war das gar nicht so einfach, drei Tropfen mit dem Wasserhahn zu portionieren. Die Antwort lautet: Pipetten! Sie sind überhaupt der wahre Grund, um zu einer dieser Veranstaltungen zu gehen, weil man sich die Dinger dort so gut „ausleihen“ kann. Keine Pipetten? Scheißtasting!

Messen

Alternativ dazu kannst du eine der zahlreichen Whiskymessen besuchen, die seit einigen Jahren langsam auch in die hinteren Winkel der Republik vordringen und analog zum Verhältnis Clubkonzerte vs. Open Airs einen wesentlich höheren Frauenanteil haben. Geschickte Planung und der Besuch mit herpesfreien Freunden lässt den Austausch der Gläser zu, so dass man seine 2 cl furchtbarer Plörre und Glückstreffer teilen kann. Als Quartett kannst du bei gleicher Endalkoholmenge viermal so viel verkosten. Der Eintrittspreis bei diesen Messen mag den einen oder anderen abschrecken, aber es ist die beste Gelegenheit, um möglichst viel zu probieren und sich so keinen Scheiß in den Schrank zu stellen, der dann noch nicht einmal zum Kochen taugt. Ein weiterer Pluspunkt ist die Tatsache, dass man auf solchen Events oft rare Tropfen für relativ schmales Geld antesten kann, für die man in einer Bar gut und gerne ein kleines Vermögen ausgeben müsste. Im Gegensatz zu gewöhnlichen alkoholgeschwängerten Großveranstaltungen (Dorf-, Volks-, Bier- und Weinfeste) mit derselben Menschendichte auf engem Raum ist die Atmosphäre hier stets entspannt und ähnlich relaxt wie auf einem Smoke-In. Trotz fortgeschrittenem Durchschnittspegel habe ich selbst im dichtesten Gedränge dort noch nie jemanden erlebt, der sich mit anderen im Fistfight messen wollte. Sehr zu empfehlen sind kleinere Messen, die vorwiegend – wie die richtig guten Hardcore-Gigs – eher im Hinterland stattfinden. Die meisten dieser Provinz-Festivals legen weniger Wert auf Mainstream, dafür mehr auf unabhängige Abfüller und kleinere Brennereien. Wichtig: Langsam anfangen und nicht gleich beim Eingang die ultra-torfige Fassstärke abgreifen, nach der du die nächsten zwei Stunden nichts anderes mehr schmeckst. Ich schreibe das, weil ich für solche Aktionen ein Händchen habe. Auch hier kann man sich übrigens immer gut mit Pipetten eindecken!

Islay Aschenbecher!

Caol Ila – Moch

Kaum eine Band passt derart gut zum „Wasser des Lebens“ wie BOHREN & DER CLUB OF GORE. Eine Band, bei der du während eines Konzertes garantiert nicht viermal zum Wasserabschlagen den Raum verlassen willst. Und kein Whisky passt so gut zu dieser Band wie der „Moch“ von der Insel, was die Stimmung, in die dich dieser Tropfen versetzen kann, perfekt beschreibt.

Übersetzt heißt das eigentlich nur „Morgendämmerung“, sollte aber mit „Braunkohlesmognebel“ mit viel (sehr viel) Torf, leichten Meeres- und Salznoten ergänzt werden. Eine Destille, von der es lange kaum bis gar keinen Whisky frei zu kaufen gab, weil der rauchige und dennoch unter diesem Teermantel recht süße Tropfen fast ausschließlich für Blends verwendet wurde. Nicht unbedingt der extremste von Caol Ila, aber schon sehr weit draußen. Das Programm von Caol Ila kann süchtig machen, und ich bin Fan.

Ardbeg 10

Der Einsteigerwhisky in die Ardbeg-Welt, der schon hart an der 40-Euro-Grenze kratzt. Der „10“ gibt dir einen Einblick in das, was hier alles möglich ist, und verhält sich wie eine dieser vielen Punkbands, mit denen du deine Jugend verschwendet hast. Manche stehen dazu, andere verleugnen sie. Im Zuge der Rezession geschlossen, wiedereröffnet, erneut geschlossen und nun seit 1996 wieder mit permanentem Dampf unter den Kesseln, gehört die Brennerei mittlerweile französischen Champagner- und Handtaschenherstellern, die im Luxussektor unterwegs sind. Die Nase riecht an einem Torfballen, was anfänglich süß mit leichter Zitronennote beginnt, geht über in einen warmen, vollen Mund mit Torf (was sonst?), viel Rauch, und hält lange an, um sich leicht süß zu verabschieden. Wie gesagt, der „10“ ist eine Einstiegsdroge, mit der du bei Gefallen früher oder später bei einem Uigeadail oder Corrywreckan landen wirst, den beiden anderen „Standards“ aus demselben Hause. Spätestens dann wirst du den „10“ aber mit dem Arsch nicht mehr ansehen. Zu einem Ardbeg passen stets und immer AMEBIX. Später mehr zu dieser Destille.

Peat’s Beast – Cask Strength

Wahrhaftig ein Monster, auch wenn der Urheber nirgends vermerkt ist und man nur spekulieren kann. Weil es weder versteckte Hinweise noch konkrete Anhaltspunkte gibt, weiß man doch, dass er von der Islay stammt, und da gibt es nur eine überschaubare Anzahl Brennereien, die infrage kommen. Der Stoff macht vor allem in der Fassstärke seinem Ruf als Tier alle Ehre und lässt sich hervorragend zu B.SON erforschen. Wie alle Ungeheuer birgt er ein Geheimnis, wenn nicht gar mehrere. Es beginnt mit viel Rauch, wie beim ersten Zündeln in früher Jugend, Rauch, der nicht aus den Klamotten will. Mit zwei Tropfen Wasser (Cask Strength = Wasser) und etwas Geduld verschwindet dieser Rauch, verändert sich in etwas Süßliches. Salznoten, etwas Karamell, Zimt und Lebkuchen machen sich bemerkbar. Sehr spannend für die Nase, und etwas, an dem ich stundenlang herumrüsseln könnte. Im Mund findet die umgekehrte Metamorphose statt. Erst süß, dann ein kurzes Hallo von Früchten. Mit leichten Anflügen von Honig breitet sich das Biest schließlich langsam und wohlig mit Torf in deinem gesamten Mundraum aus. So schmeckt das also, wenn man an warmem Asphalt leckt. Der intensive Geschmack hält sehr lange an und verabschiedet sich ganz langsam mit Lakritze auf dem Gaumen. Definitiv nichts für Weicheier.