40 Jahre später: RICHARD HELL AND THE VOIDOIDS - Blank Generation (LP, Sire, 1977)

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Richard Hell, der heute als Schriftsteller arbeitet, gilt als einer der ganz frühen US-Pioniere in Sachen Punk, auch wenn es – im Vergleich zu Weggefährten aus der CBGB-Szene in New York wie den RAMONES, BLONDIE oder Patti Smith – nie wirklich zur Mythosbildung gereicht hat. Er war Bassist in mehreren New Yorker Bands der Siebziger, zuerst bei TELEVISION, dann bei THE HEARTBREAKERS mit Johnny Thunders und wurde schließlich bei den THE VOIDOIDS die imageprägende Persönlichkeit, wobei man ihm nachsagt, er hätte als Erster mit Sicherheitsnadeln als Teil seines Looks hantiert. Es waren Tom Verlaine, mit dem er bei TELEVISION spielte, und er, die den Besitzer des CBGB’s dazu überredeten, Bands auftreten zu lassen, und sie bauten eigenhändig die dortige Bühne auf. Damals versuchte Malcom McLaren, Richard Hell als Frontmann für die SEX PISTOLS zu gewinnen.

„Blank Generation“ ist sein absolutes Vermächtnis. Im Titeltrack, dessen großartige Hookline eine der einprägsamsten seiner Zeit ist, wandelt Hells Stimme auf dem schmalen Grat zwischen Selbstliebe und Selbsthass. Geboren aus einer Kreativität erzeugenden Langeweile und Selbstironie, ebnet der Song den Pfad zum plakativen Nihilismus der SEX PISTOLS. Er ist weniger eine Anklage gegen irgendein System, sondern eine recht lakonische und selbstironische Bestandsaufnahme der eigenen Befindlichkeit. Richard Hell wollte eigentlich Dichter sein, aus Imagegründen. Unter dem Pseudonym Theresa Stern veröffentlichte er im Eigenverlag Gedichte. Er besprach seine eigenen Auftritte in langen Artikeln, die jedoch nicht veröffentlicht wurden.

Am Schlagzeug saß bei den Aufnahmen zu diesem Album ein gewisser Mark Bell, der als Marky Ramone später mehr Popularität erlangen sollte. Richard Hells großes Thema und Ausdruck im Titelsong ist sein Unwillen, für einen Konsens vereinnahmt zu werden: „I belong to the blank generation / And I can take it or leave it each time.“ Seine ganz persönliche Note an Zynismus und Ironie zog er sich auch aus der Lektüre von William S. Burroughs (der oft im CBGB’s bei Konzerten war), vom dem er überzeugt war, dass er einen ähnlichen Einfluss haben werde wie etwa Marx oder Nitzsche. Für Hell war der Begriff „blank“ von zentraler Bedeutung, der es seiner Auffassung nach dem Zuhörer ermöglichen sollte, sich selbst zu definieren. Definiere dich selbst und mache dich nicht abhängig von der Beurteilung anderer, lautete sein Credo. In einer Besprechung des Albums von Velvet Lanier liegt viel Wahrheit: „With ,Blank generation‘ Hell has created the alltime rock’n’ roll classic song – the one to replace ,Roll over Beethoven‘, ,Satisfaction‘ and ,Anarchy in the UK‘ as a barren tour de force.“