88 FINGERS LOUIE

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Thank you for being a friend

Mitte bis Ende der Neunziger Jahre schossen bedingt durch den kommerziellen Erfolg von Labels wie Epitaph und Fat Wreck Chords melodische Punkbands wie Pilze aus dem Boden. In den Nuller Jahren hatte sich dieser Boom wieder gesundgeschrumpft, wobei leider auch vielversprechende Bands wie JUGHEAD’S REVENGE, PULLEY und insbesondere 88 FINGERS LOUIE von der Bildfläche verschwanden, obwohl sie durchweg sehr gute Alben jenseits der NOFX-Imitatoren-Dutzendware veröffentlichten. 88 FINGERS LOUIE veröffentlichten im Juni nach 19 Jahren ein neues Album mit dem Titel „Thank You For Being A Friend“. Sänger Dennis Buckley erklärte, warum eine Mischung aus Trauer, Wut und Freundschaft auch nach knapp zwei Jahrzehnten die beste Voraussetzung für Punkrock ist.

Dennis, worin besteht die Konstante, die 88 FINGERS LOUIE nach 24 Jahren und drei Bandauflösungen zusammenhält?

In erster Hinsicht die langjährige Freundschaft zwischen Gitarrist Dan und mir. Außerdem lieben wir uns wie Brüder – und streiten uns auch genauso. Auch in den Jahren, in denen wir uns kaum gesehen haben, hielten Dan, John und ich immer Kontakt. Wir unterstützen uns in unseren verschiedenen musikalischen und familiären Projekten. Diese gegenseitige Liebe und der Respekt machten Reunion-Überlegungen immer leicht.

Ist der Albumtitel „Thank You For Being A Friend“ eine Danksagung an euch selbst dafür, durchgehalten zu haben?

Das Album ist eine Anspielung auf eine unserer Lieblingsserien, „Golden Girls“, und darüber hinaus ein Dank an alle ehemaligen Bandmitglieder und diejenigen, die uns über die Jahre unterstützt und nicht vergessen haben.

Das Albumcover zeigt einen alten Mann, der im Sonnenuntergang am Meer Tauben füttert. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Titel und Cover?

Besagter Mann ist Louie, der schon auf den Covern unserer Alben „Behind Bars“ und „Back On The Streets“ zu sehen war. So wie wir ist Louie in den letzten 19 Jahren älter und hoffentlich auch weiser geworden. Er ist dankbar für das Leben, das er leben kann. Louie blickt gleichzeitig nach vorn und zurück in die Vergangenheit. Aber streitlustig ist er nach wie vor, deshalb steht neben ihm auch noch ein Baseballschläger – für alle Fälle. Eigentlich ist Louie ein zwielichtiger Klavierverkäufer in der Serie „Die Flintstones“. Den Namen 88 FINGERS LOUIE verdanken wir unserem ersten Drummer Dom.

Im neuen Song „Advice column“ gibt es die Zeile „A simple life is a life worth fighting for“. Hat das Einfache einen besonderen Wert für dich?

Für mich bedeutet ein einfaches Leben in erster Hinsicht ein unkompliziertes Leben, was nicht leicht ist mit Kindern, Job und Partnerbeziehungen. Musikmachen kann, wenn auch meistens nur vorübergehend, eine Zuflucht sein. Sie ist ein wichtiger Bestandteil eines einfachen Lebens. Auch wenn mich die Realität immer wieder einholt, versuche ich, meine Alltagsprobleme zu entdramatisieren. Ich habe jahrelang überhaupt keine Musik gemacht und darüber vergessen, welchen therapeutischen Effekt Musik bei mir hat. Einfach indem ich meine Enttäuschungen und Frustrationen zu Papier bringe. Jetzt bin ich froh, dass ich diese Freiheit zurückhabe.

Das neue Album ist inhaltlich politischer als seine Vorgänger. Gab es dafür einen Anlass?

Die Arbeiten zum Album begannen im Frühjahr 2016. Meine langjährige Beziehung ging in die Brüche und dann kam die Präsidentschaftswahl in den USA. Wir verstehen uns als liberale und politisch progressive Band. Die Wahl von Donald Trump hat uns traurig und wütend zugleich gemacht. Diese politische und persönliche Frustration musste sich zwangsweise im neuen Album widerspiegeln. Eine Initialzündung gab es für mich nach 9/11. Auf einmal bezeichneten große Teile der amerikanischen Bevölkerung alle Muslime als Terroristen. Menschen wurden geschlagen, ausgegrenzt und sogar getötet, weil sie angeblich wie Terroristen aussahen. Diese Zeit der blanken Vorurteile hat mich aufgewühlt und ich hatte den Eindruck, dass die Regierung nichts unternahm, um Ruhe und Sachlichkeit in die Diskussionen zu bringen. Im Gegenteil – sie hat es noch schlimmer gemacht. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir den Irak unter Vortäuschung falscher Tatsachen angegriffen haben, um das irakische Öl für uns zu sichern. Die Schuldigen von 9/11 waren aber in Afghanistan zu suchen. Seitdem habe ich ernsthafte Probleme, politischen Parteien zu vertrauen, insbesondere den Republikanern. Früher war ich immer zögerlich mit politischen Texten, weil ich sie mir nicht wirklich zugetraut habe. Jetzt bin ich froh darüber, das alles mal künstlerisch zu verarbeiten.

Bird Attack Records ist euer viertes Label nach Go Deaf, Fat Wreck und Hopeless. Wie kam es zur Zusammenarbeit?

Labelchef Garrett buchte 2016 einige Shows für uns in Florida. Nach der Tour bekundete er Interesse daran, zukünftige Sachen von uns zu veröffentlichen. Kurz danach nahmen wir ein paar Songs auf und schickten sie an verschiedene Labels. Bird Attack zeigten sich enthusiastischer als andere. Wir möchten gerne auch weiterhin mit ihnen arbeiten.

Wie kam Nat Wright von SHOT BAKER zu 88FL und welche neuen Einflüsse bringt er mit?

Nat and Dan spielten vorher einige Jahre zusammen bei SET FIRE TO REASON und ich kenne Nat seit frühen SHOT BAKER-Tagen. Als bei uns einige Festivals anstanden, probierten wir aus, ob es mit Nat funktioniert. Das tat es sofort. Er ist ein solider Bassist hat den gleichen schrägen Sinn für Humor wie wir. Die neuen Songs hat er durchweg mitarrangiert und seine Handschrift hinterlassen.

Angenommen, das nächste 88FL-Album kommt 2036 raus, also wieder nach 19 Jahren Pause. Nach „Back On The Streets“ und „Thank You For Being A Friend“, wie wäre sein Titel?

„Thank You For Chewing My Food“? Ich wäre dann schließlich Mitte sechzig!

Wie viel Zeit könnt und wollt ihr mit euren ganzen beruflichen und privaten Verpflichtungen in die Band investieren?

Unsere Zeit ist sehr beschränkt, aber wir haben mittlerweile ein effektiveres Zeitmanagement als früher. Wir freuen uns sehr auf die Tour in Europa im August. Danach spielen wir noch ein paar Shows in den USA und Kanada. Ich hoffe auch, wir können 2017 noch ein paar Songs aufnehmen. Denn ich glaube definitiv, dass wir noch genug Material für ein weiteres Album haben, das nicht wieder 19 Jahre braucht. Höchstens 17, haha!