JIM JONES & THE RIGHTEOUS MIND

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Garagenrock-Chamäleon

Jim Jones ist ein Chamäleon im britischen Garagenrock-Underground. Der Mann aus London ist seit den Neunzigern mit vier verschiedenen Bands in Europa unterwegs. Die Bekannteste war sicherlich THEE HYPNOTICS, die sich an Detroit-Bands wie THE STOOGES oder MC5 orientierte und ihr Debütalbum sogar bei Sup Pop veröffentlichen durfte. Aber alle zehn Jahre wagte Jim Jones einen Neustart. Neuer Name, neue Musiker, neuer Sound. Seit drei Jahren heißt seine Band JIM JONES & THE RIGHTEOUS MIND und klingt wie eine Mischung aus Jon Spencer, Nick Cave und FIREWATER. Das soll aber nun seine letzte Band sein, erzählt Jim am Telefon.

Jim, warum gründest du alle zehn Jahre eine neue Band? In den Neunzigern THEE HYPNOTICS, in den Nuller-Jahren BLACK MOSES, anschließend THE JIM JONES REVUE und jetzt JIM JONES & THE RIGHTEOUS MIND.

Da steckt kein richtiger Plan dahinter, aber es sieht wirklich so aus. Vielleicht ist es wie bei dem Billy Wilder-Film „Das verflixte 7. Jahr“ mit Marilyn Monroe. Es gibt diese Theorie, dass Menschen, die heiraten, nach sieben Jahren anfangen, sich nach einem Wechsel zu sehnen. Und bei uns ist es eben jede Dekade so, haha. Aber etwas habe ich in all den Jahren inzwischen gelernt: Behalte deinen Namen und wechsle nur die Musiker aus. So, wie es alle anderen auch machen. So kann man vom Bekanntheitsgrad der vorigen Band profitieren. Ich werde also nicht mehr den Namen ändern. Wenn also die nächste Dekade ansteht, wird die Band immer noch so heißen, wenn auch vielleicht mit anderen Leuten. Wir werden sehen, was passiert.

Was ist der Grund für diese wiederkehrenden Wechsel?

Bei THEE HYPNOTICS waren wir alle noch ziemlich jung und haben es als selbstverständlich gesehen, was wir erreicht haben. Diese Jungs wollten einfach nicht hart arbeiten, zumindest nicht so hart wie ich. Also habe ich nach zehn Jahren beschlossen, etwas Neues zu starten. Bei BLACK MOSES hatte der Bassist irgendwann einen Streit mit dem Manager und ist ausgestiegen. Sein Nachfolger hat immer zu viel getrunken und war zu unzuverlässig. Irgendwann ist die ganze Band auseinandergefallen und ich wollte etwas machen, das eher einfach ist. Ich wollte eine Rock’n’Roll-Band im Stil von Little Richard gründen. Und die JIM JONES REVUE hat dann auch eine Zeitlang sehr gut funktioniert und eine Menge Aufmerksamkeit geerntet. Aber irgendwann waren einige in der Band des ewigen Tourens müde. Ich wollte aber keine Freizeit, sondern mich weiterentwickeln. Deshalb haben wir uns auf eine letzte Tour geeinigt, bei der wir in allen Clubs spielen, die uns allen am besten gefallen haben. Und fünf Tage nach der letzten Show bin ich ins Studio gegangen und habe die ersten Tracks für JIM JONES & THE RIGHTEOUS MIND aufgenommen. Für mich bleibt also irgendwie immer alles gleich, nur die Begleitumstände ändern sich ständig.

Worin liegt für dich der Unterschied zwischen JIM JONES REVUE und JIM JONES & THE RIGHTEOUS MIND?

Der Unterschied ist nicht besonders groß. Vor allem das Personal an den Instrumenten hat sich einfach geändert. Es sind jetzt Leute, die Lust haben, viele Konzerte zu spielen. Der Sound ist jetzt vielleicht ein bisschen dreidimensionaler, eine Art natürlicher nächster Schritt. Ich habe mich vor allem da ausgetobt, wo wir mit JIM JONES REVUE nicht weitergekommen sind. Wir waren da irgendwie auf einen Sound festgelegt. Wie frustrierend muss das für die RAMONES gewesen sein? Dieses fantastische Geheimrezept zu haben, das immer funktioniert. Diesen Sound mussten die Jungs dann aber auch für den Rest ihres Lebens spielen. Das muss sehr ermüdend gewesen sein. Darüber denken Fans wahrscheinlich nicht nach, sie lieben einfach, was sie kennen. Aber für einen Künstler ist das nicht befriedigend, so eindimensional wahrgenommen zu werden. Viele Künstler wollen sich einfach auch unterschiedlich ausdrücken. Als ich mit THE RIGHTEOUS MIND angefangen habe, habe ich mit Sounds und Texten experimentiert, die mit JIM JONES REVUE unmöglich gewesen wären. Dafür wären weder die Musiker noch das Publikum bereit gewesen. Das Verständnis für diese Musik hätte auf beiden Ebenen gefehlt. Ich habe versucht, ein paar zusätzliche Türen zu öffnen, damit ich mich als Musiker in unterschiedliche Richtungen entwickeln kann und nicht auf einen Sound festgelegt bin.

Für mich klingt euer Debütalbum „Super Natural“ nicht wirklich britisch. Der Sound erinnert mich eher an New Orleans, viel Voodoo. Ein bisschen wie eine europäische Version von Jon Spencer. Ist noch etwas vom Punkrock-Spirit der frühen Tage übrig?

Ja, absolut. Ich bin absolut gelangweilt von all diesen Klischees in der Rockmusik. Jack Daniel’s und Coca-Cola. Was Leute eben für Rock’n’Roll halten. Ich finde das absolut langweilig. Gute Rockmusik lässt dich fühlen, dass du als Individuum eine Stimme hast, und gleichzeitig verbindet dich die Musik mit anderen Menschen. Das ist besser als alles, was dir Religionen anbieten.

Sind die Songs auf dem Album alle nagelneu? Oder sind da auch ein paar ältere Tracks dabei, die schon länger in der Schublade lagen?

Die Songs sind alle neu, aber sie wurden schon vor einer Weile aufgenommen. Es gab jede Menge organisatorischen Kram zu erledigen, mit dem Management und meinen Agenten. Das Koordinieren der ersten Live-Shows und den richtigen Zeitpunkt finden, das Album zu veröffentlichen. Das hat viel länger gedauert, als ich wollte. Am Ende des Tages war es aber gut, weil die Band dadurch immer sicherer wurde. Und wenn wir jetzt auf die Bühne gehen, erinnern mich die Shows an die frühen Tage von JIM JONES REVUE. Als die Leute nur gestaunt haben, wie kraftvoll wir spielen. Inzwischen arbeiten wir schon längst wieder an neuen Songs. Ich bin sicher, du wirst bald mehr von unserem Punkrock-Blues-Rock’n’Roll hören.

Woher kommt der Bandname THE RIGHTEOUS MIND?

Als ich die ersten Songideen für das neue Projekt auf dem Laptop zusammengestellt habe, brauchte ich einen Arbeitstitel für den Dateiordner. Damals lag ein Stapel Bücher neben meinem Schreibtisch, das oberste war ein Buch über die Moral der Menschen und was die Leute dazu bringt, Entscheidungen zu fällen. Ist es eher der emotionale oder der rationale Teil des Gehirns? Und der Titel war eben „The Righteous Mind“. Ich mochte auch den Klang dieses Ausdrucks, er hat mich irgendwie an MC5 erinnert. Ich habe den Bandnamen also von einem Buchtitel entliehen. Und irgendwie ist es dabei geblieben.

Ist Jim Jones eigentlich dein echter Name oder ist das ein Künstlername? Denn beim Googlen bin ich immer auf diesen gleichnamigen Sektenguru aus den Siebzigern gestoßen.

Ja, so heiße ich wirklich. Als er die Schlagzeilen bestimmt hat, war ich noch in der Schule. Ich weiß nicht wirklich, ob sich meine Eltern der Schande dieses Massenmörders wirklich bewusst waren. Zum Zeitpunkt meiner Geburt war er auch noch nicht so groß in den Medien. Das ist also einfach Zufall, schätze ich. Bei der Einreise in die USA wurde ich ein paar Mal am Immigration-Schalter aufgehalten, die Beamten haben ihre Witze über meinen Namen gemacht.

Ist London noch eine gute Stadt für Rockmusik?

Es wird jedes Jahr härter. Es gibt viel weniger Locations, in denen man spielen kann. Vor allem für Independent-Leute wird es ständig schwieriger, denn die Mieten steigen immer weiter. Sie werden alle mehr und mehr aus dem Stadtzentrum rausgeekelt. Inzwischen sind sie auf ein Phänomen namens „Disco Loadout“ angewiesen. Das bedeutet, der Konzertbetrieb muss spätestens um 22:30 Uhr fertig sein, dann muss total hektisch alles herausgetragen werden, damit binnen 15 Minuten DJ-Decks angeschlossen werden können, und bis zum Morgengrauen wird hirnlose House-Music gespielt. Denn damit lässt sich in London Geld machen. Nur dadurch können die meisten überhaupt noch Konzerte veranstalten. Irgendwie hat man den Eindruck, dass es nur noch um Profit geht.

Wie sehen deine Pläne mit der Band für den Rest des Jahres aus?

Ich will auf jeden Fall die Songs für das nächste Album fertig schreiben. Im Sommer spielen wir vereinzelt auf Festivals und im Herbst würde ich gerne für einige Konzerte nach Deutschland kommen. Das wäre großartig! Wenn ich pro Jahr 300 Konzerte spielen könnte, würde ich mich sehr freuen. Denn im Moment sind wir noch weit davon entfernt. Obwohl ich dann natürlich meine Familie zu Hause vermisse, liebe ich es, produktiv zu sein.