TAU CROSS

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Post-Punk, Mystik und Schmiedekunst

Nach dem endgültigen Ende von AMEBIX suchte sich Robert „The Baron“ Miller mit TAU CROSS ein neues Betätigungsfeld und spielte mit der als „Supergroup“ bezeichneten Band ein fantastisches Album ein, das 2015 veröffentlicht wurde. Keine zwei Jahre später erschien im Juli mit „Pillar Of Fire“ der Nachfolger, der zumindest musikalisch einige Überraschungen bereit hält. Es wurde also Zeit für ein neuerliches Gespräch mit Rob, dieses Mal über neue Herausforderungen, Dudelsäcke, glückliche Fügungen, ungünstige Bandkonstellationen und einiges mehr.

Rob, bei unserem letzten Gespräch hast du mir erzählt, dass dich nicht mehr allzu viele aktuelle extreme Bands musikalisch mitreißen, weil du dich zum damaligen Zeitpunkt 20 Jahre außerhalb der Szene bewegt hattest. Das dürfte sich durch TAU CROSS geändert haben, da ihr seit eurem Debüt einige Konzerte und sogar eine Nordamerikatour gespielt habt. Hast du dadurch doch die eine oder andere neue Band für dich entdeckt?

Mir haben einige unserer Support-Bands gefallen, DAGGER MOON und ILSA zum Beispiel. Ich habe versucht, mich ein bisschen musikalischer zu erziehen, ein wenig offener zu sein, aber eher mit durchwachsenem Erfolg. Ich habe vor einiger Zeit einen „Online-Freund“ gebeten, mir eine Liste von zehn wichtigen beziehungsweise tollen Alben aus den vergangenen 20 Jahren zusammenzustellen. Dadurch bekam ich eine grundsätzliche Einführung in „aktuelle“ Musik, wobei ich sagen muss, dass einige Bands auf seiner Liste nicht wirklich beeindruckend waren, haha. Wie man Bands mögen kann, die jeder kennt, bleibt wohl immer ein komplettes Mysterium für mich. Allerdings habe ich NEUROSIS auf dem letztjährigen Roadburn Festival gesehen und das war wirklich ein unglaubliches Erlebnis.

Du hast damals die Vorhersagbarkeit gerade aktueller Musik kritisiert, also einen Song zu hören und dabei sofort zu wissen, wie er weitergeht und was als Nächstes passiert.

Ich habe inzwischen eingesehen, dass das durchaus ein Vorteil für gewisse Musikstile sein kann. Beim D-Beat-Sound etwa wird viel Althergebrachtes nachgespielt, was auch sehr reizvoll sein kann, vor allem einige japanische Bands sind darin sehr gut.

Noch einmal zurück zu euren Touraktivitäten nach eurem Debüt: Ihr habt letztes Jahr nach den Gigs in Nordamerika auch auf dem Roadburn gespielt. Als ich mir Teile eures Auftritts auf YouTube angesehen habe, war ich zunächst etwas verwundert, dass du nicht Bass gespielt, sondern „nur“ gesungen hast – den Bassistenjob hat seit 2015 zumindest live Tom Radio inne. Hattest du keine Lust auf die Doppelbelastung?

Ich mag es wirklich gern, Bass zu spielen und gleichzeitig zu singen, aber das TAU CROSS-Material ist ein bisschen zu anspruchsvoll, um beides parallel zu tun. Der Bass war immer eine gute Sache, man konnte sich live prima hinter ihm verstecken. Das geht als Frontmann bei TAU CROSS nun nicht mehr. Ich muss mich sehr auf das Gefühl in der Musik fokussieren, um in die richtige Stimmung zu kommen. Das ist eine große, neue Herausforderung.

War Tom an den Aufnahmen zum neuen Album „Pillar Of Fire“ beteiligt oder hast du wieder den Bass eingespielt?

Tatsächlich hat Tom auch auf dem Album den Bass eingespielt. Ich habe daheim Demos von ein paar Songs gemacht, unsere beiden Gitarristen Jon und Andy haben ebenfalls einige Songs geschrieben, und als es darum ging, den Bass hinzuzufügen, kam Tom ins Spiel. Er ist ein erstaunlicher Bassist mit einem sehr soliden Lebenswandel.

Hat James Adams, mit dem du euer Debüt produziert und gemixt hast, wieder den Aufnahmeprozess von „Pillar Of Fire“ begleitet?

Ja, James ist ein Freund von mir hier auf der Isle of Skye. Wir haben uns vor ein paar Jahren kennengelernt und schnell festgestellt, dass wir ähnliche Lebenswege haben. Er ist auch Schwertschmied und Musiker. Ich habe ihn, als unser Debüt anstand, einfach gebeten, Produktion und Mix des Albums zu übernehmen, und nun haben wir einfach so weiter gemacht. Er lebt nur ein paar Meilen von mir entfernt direkt an einem sehr schönen Teil der Küste und hat sich dort inzwischen ein ordentliches Studio eingerichtet. Dort ist nun unsere britische Basis, während wir uns für Tourvorbereitungen in den USA bei Jon in Minneapolis treffen.

Und wie lief der Aufnahmeprozess konkret ab?

Die Aufnahmen sind wieder ganz ähnlich abgelaufen wie beim letzten Mal. Wir haben Demotracks aufgenommen, sie unter den Bandmitgliedern hin- und hergeschickt und jeder hat seinen Teil beigetragen. Das Schlagzeug wurde schließlich von Michel Langevin wieder in Montreal eingespielt. Im Anschluss haben wir die Songs allmählich zusammengestellt und uns regelmäßig via Skype und Facebook über Details ausgetauscht.

Wer war sonst noch an den Aufnahmen beteiligt?

Ich habe einen Freund von Austin Lunn von PANOPTICON gefragt, ob er auf „Pillar Of Fire“ mitmachen will. Er heißt Tanner Anderson und hat auf einigen Songs Drehleier gespielt, was wirklich toll klingt und sich gut in die Songs einfügt. Tanner und Austin arbeiten übrigens zusammen bei der HammerHeart Brauerei in Minnesota – die haben sich nach dem gleichnamigen Album von BATHORY benannt. Außerdem hat am Ende von „What a man“ Brighde Chambuil, ein 17-jähriges Mädchen hier aus Skye, Dudelsack gespielt. Das war wirklich klasse. Am Schluss hat sie die Bordunpfeifen des Dudelsacks abgenommen, so dass sich ihr Spiel fast wie ein Gitarrensolo angehört hat.

Ich stelle mir das ja regelrecht romantisch vor, wie zwei Schwertschmiede gemeinsam auf der Isle of Skye in einem kleinen Tonstudio sitzen – draußen pfeift der Wind über die Wiesen und vereinzelt ist das Blöken von Schafen zu hören – und an TAU CROSS-Songs arbeiten.

Haha, genau so war es auch! James und ich arbeiten wirklich gut zusammen. Außerdem ist der Ausblick von seinem Haus auf das Meer sehr inspirierend und fördert die Kreativität.

Insgesamt wirkt „Pillar Of Fire“ auf mich deutlich sperriger und zunächst weniger zugänglich als eurer Debüt. Neben offensichtlichen „Hits“ wie „On the water“ und „Killing the king“ finden sich einige Songs, die sich nicht direkt in ihrer gesamten Größe erschließen, etwa „The big house“ und „Seven wheels“.

Ja, da gebe ich dir recht. „The big house“ und „Seven wheels“ hat Jon geschrieben, während „On the water“ und „Killing the king“ von mir stammen. Mein Songwriting-Stil setzt offenbar mehr auf Melodie und Hooks, während Jon einen eher epischen Ansatz verfolgt. Andy hingegen hat „Bread and circuses“ komponiert, ein Song, der sicher auch anders ist als das, was die Leute von uns erwartet haben. Ich denke, mein Gesang hält am Ende alles zusammen und führt dazu, dass es immer noch nach TAU CROSS klingt.

Gerade die Gitarrenarbeit von Jon und Andy finde ich auf „Pillar Of Fire“ bemerkenswert, klingt sie doch wesentlich variabler und rückwärtsgewandter als auf „Tau Cross“. Neben den gewohnten harschen Riffs höre ich auch sehr viel Achtziger Jahre heraus. Das bereits erwähnte „On the water“ etwa erinnert mich beim Grundriff stark an SISTERS OF MERCY zu „Vision Thing“-Zeiten, das Eröffnungsriff von „Deep state“ könnte auch von John Christ zu Zeiten der ersten zwei DANZIG-Platten stammen. Und bei „A white horse“ sowie „RFID“ musste ich zwangsläufig an IRON MAIDEN denken.

Ich freue mich immer sehr, wenn mir andere Menschen ihre Eindrücke von einem neuen TAU CROSS-Album schildern. Wenn dabei eine breite Palette von Referenzen genannt wird, heißt das für mich, dass wir einen guten Job gemacht haben. Andy und Jon sind inzwischen wirklich angekommen und im Gleichschritt unterwegs, sie bringen sich beide gleichermaßen ein, ohne dass einer von beiden versucht, die Kontrolle zu übernehmen. Ich freue mich schon sehr auf das nächste Album, bei dem wir hoffentlich noch mehr Zeit und vor allem persönliche Interaktion haben werden. Das dürfte uns sicher noch stärker machen, denke ich.

Ich muss gestehen, dass sich mir deine Texte bei AMEBIX und TAU CROSS nie wirklich erschlossen haben. Da mir zurzeit weder Cover noch Texte von „Pillar Of Fire“ vorliegen, tappe ich aktuell umso mehr im Dunkeln. Kannst du mir ein paar Anhaltspunkte zum Konzept der Platte geben?

Das ist wirklich schade, denn Texte finde ich grundsätzlich genauso wichtig wie Musik. Du kannst meine Texte grundsätzlich als sozialpolitischen Kommentar mit esoterischen Bildern verstehen. So kann ich immer so tun, als sei ein Text ein tiefgehender Kommentar über den Brexit, haha. Lieder wie „Raising golem“ und „Killing the king“ haben durchaus Parallelen zur gegenwärtigen politischen Situation, sie können aber auch als freiere Metaphern für jede Zeit und Situation aufgefasst werden. Insgesamt gibt es auf „Pillar Of Fire“ kein übergeordnetes Konzept, vielmehr findet sich auf dem Album eine Reihe von Kurzgeschichten, etwa über Kannibalismus auf See, die sächsische Invasion Englands bis hin zur Beschreibung von psycho-spirituellen Systemen im Song „Seven wheels“.

In unserem letzten Gespräch ging es auch um das leidige Thema Plattenlabels und wie diese dich zu AMEBIX-Zeiten ständig über den Tisch gezogen haben. Du sagtest, mit der Zusammenarbeit mit Relapse wärst du das erste Mal in deiner Karriere als Musiker zufrieden und fühlst dich dort gut aufgehoben. Hat sich dieser Eindruck seitdem bestätigt und bekommst du beziehungsweise ihr endlich mal anständige Tantiemen ausbezahlt?

Oh ja, es ist großartig, mit Relapse eine Heimat gefunden zu haben. Und ja, wir werden tatsächlich bezahlt, obwohl ich zunehmend das Gefühl habe, dass alles, was wir mit der Band verdienen, direkt wieder dafür draufgeht, neue Musik zu machen. Die Leute haben möglicherweise den Eindruck, dass wir mit TAU CROSS viel Geld verdienen und ein cooles Rock’n’Roll-Leben führen, die Wirklichkeit sieht allerdings so aus: Musikmachen ist heute eher ein Luxus, der Geld kostet, besonders dann, wenn man dumm genug war, eine Band zu gründen, deren Mitglieder auf drei verschiedenen Kontinenten leben, haha. Gerade die Kosten für Flüge können immens sein. Wir müssen unsere Bandaktivitäten wie Touren und Proben also sehr sorgsam planen. TAU CROSS live zu sehen wird wohl auch in Zukunft ein eher seltenes Erlebnis bleiben, aber natürlich werden wir trotzdem dosiert auf Tour gehen.

Für „Pillar Of Fire“ spendieren Relapse euch endlich auch ein Doppel-Vinyl-Release, so dass nicht wieder zwei Songs gestrichen werden müssen – das fand ich als Vinylfan echt ärgerlich beim Debüt.

Das war auch dieses Mal schwierig. Wir hätten einfach ein Album mit neun Songs machen können, tatsächlich hatten wir dieses Mal aber 14 Songs und ich war nur bei zwei oder drei von ihnen etwas unsicher, ob sie gut genug für die Platte sind. Ich hoffe, dass am Ende jeder Hörer auf dem Album genug Songs findet, die ihn glücklich machen.

Ihr spielt im Juli/August eine rund zehntägige Tour, die euch nach Skandinavien, Deutschland, Holland und Italien führt. Wie groß ist die Vorfreude und warum keine UK-Termine? Ist der Prophet im eigenen Land nichts wert?

Da sind wir wieder bei den begrenzten finanziellen Ressourcen. Ich habe zunächst nach einem Zeitfenster gesucht, in der alle Bandmitglieder für mindestens drei Wochen Zeit haben. Als das abgestimmt war, haben wir über eine US-Tour nachgedacht. Das ließ sich aber aus irgendeinem Grund nicht realisieren. Da ich aber Kontakte nach Finnland hatte, kam die Anfrage, ob TAU CROSS auf dem Puntala-Festival in Lempäälä spielen wollen. Wenn du das machst, musst du aber weitere Shows rund um den Festival-Slot buchen, um die Reise nicht mit einem massiven Verlust durchzuführen. Wie so oft im Leben tauchte plötzlich jemand auf, in diesem Fall Daniel Abecassis von Killtown Bookings in Kopenhagen, der uns weiterhelfen konnte. Zufälligerweise ist Daniel ein Freund von Tom Radio, der ein geheimes Netzwerk von Kumpels auf der ganzen Welt zu haben scheint. Daniel hat uns dann also die anderen Skandinavien Shows gebucht. Für UK-Shows, z. B. beim Bloodstock Festival, waren wir dieses Jahr einfach zu spät dran, da war nichts mehr zu machen – da müssen wir uns in Zukunft eher drum kümmern. Seltsamerweise war es auch mit AMEBIX früher immer schwierig mit UK-Auftritten. Wir haben etwa mal im Barrowland in Glasgow vor höchstens 120 Leuten gespielt, weil der Promoter sich schlicht nicht bemüht hatte, überhaupt Werbung zu machen.

Und was macht die Schwertschmiedekunst? Ich gehe mal davon aus, die TAU CROSS-Aktivitäten lasen dir noch genügend Zeit, deiner zweiten Passion und deinem sicherlich primären beruflichen Standbein nachzugehen.

Oh ja. Meine Firma Castle Keep ist mein Leben, und nach 26 Berufsjahren verdiene ich damit inzwischen auch ausreichend Geld, habe eine volle Auftragswarteliste für ein ganzes Jahr und international einen guten Ruf als Schwertschmied. Irgendwie hat es nach einigen entbehrungsreichen Jahren am Ende doch noch geklappt, gut über die Runden zu kommen. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich der Lage, mich auch mal zurückzulehnen und die Früchte meiner Arbeit zu genießen. So habe ich letztlich in verschiedenen Disziplinen meine Fußabdrücke hinterlassen.