Veni, vidi, Whisky

Foto

Teil 5: Reisen bildet – wenn nicht, härtet es ab!

Bildungsurlaub: Whiskytouren und Destillenbesuche gehören zu den Dingen, der sich den meisten Menschen wohl ebenso verschließen wie der Tatsache, dass es Menschen gibt, die ihren kompletten Urlaub mit „Groundhopping“ verbringen, also dem Abklappern möglichst vieler Fußballstadien auf diesem Planeten, um sich dort Fußball anzusehen, von Mannschaften, die sie eigentlich gar nicht interessieren.

Whiskytouren sind meistens Gruppenreisen, die aufgrund der schottischen Nicht-Infrastruktur vorwiegend mit dem Bus stattfinden, der einen von Destille zu Destille karrt, weil ein Taxi dafür einfach zu teuer ist. Diese Reisen dauern meistens sieben und für die ganz Harten bis zu 14 Tage, in denen möglichst viele Brennstätten mit wohlklingenden Namen angefahren werden. Wie bei einem Stadion, wo sich die Attraktionen auf die verschiedenen Farben der Plastikschalensitze, die Größe der Arena, zwei Tore und die Farbe des Rasens beschränken, gibt es in jeder Werkstätte stets dieselben Dinge zu bestaunen: Große Bottiche (Washbacks), in denen eine streng riechende trübe Suppe vor sich hin gärt, eine meist uralte Getreidemühle, die irgendwie am Laufen gehalten wird, ein paar Brennblasen, die in Anzahl und Form variieren, sowie ein paar große Hallen mit Fässern drin. Im Prinzip also immer dasselbe, aber es gibt ja auch Menschen, die dreißig und mehr Brauereibesichtigungen hinter sich haben.

Da wären wir dann aber schon beim einzigen Argument, das ich gelten lasse, denn im Gegensatz zu Bierbrauereien, bei denen man nach Abschluss ein normales Bier bekommt, gibt es bei einigen Brennereien Stoff zu verkosten, der niemals in den regulären oder in den irregulären Handel kommt und nur hier ausgeschenkt wird, quasi als Dankeschön dafür, dass sich jemand auf den weiten Weg gemacht hat, um die Einsiedler zu besuchen, deren Arbeit er aufrichtig schätzt. Nur beim Besuch der Produktionsstätte lassen sich die Menschen, die dort tätig sind, wenigstens etwas in die Karten schauen und schenken dafür etwas aus, das du sonst nirgends oder längst nicht mehr käuflich erwerben kannst. Das können alte, vergriffene Sonderabfüllungen sein, Specials, die man sonst nur für ein Schweinegeld auf ausgesuchten und überlaufenen Whiskymessen zu Gesicht bekommt, oder aber flüssiges Gold, das direkt aus einem Fass gezapft wird, von dem es so kein zweites gibt. Es gibt also sehr gute Gründe, abseits eines Leberwertetrainings unter erschwerten Bedingungen den einen oder anderen seiner Lieblingsbrenner zu besichtigen, um dort eine Führung mit erweiterter Verkostung zu buchen. Interessant ist dabei auch immer, wie wenige Menschen in die Herstellung dieser Spirituosen involviert sind, die weltweit vertrieben werden und in fast jeder Bar auf Erden zu bekommen sind. Ähnlich einer guten Band mit Label im Rücken, arbeiten in einer Brennerei mit Lager zwischen sieben bis zwölf Menschen, die dafür wahre Meister ihres Fachs sind. Für viele ist das aus der Ferne betrachtet auch nichts anderes als eine Tour durch alte Fachwerkbauen und Kirchen, aber Brennereien sind Kirchen, die mich interessieren.

Hingegen ist Whisky in Schottland zu kaufen aufgrund der höheren Steuern eher ein unsinniges Unterfangen, zumindest für nahezu alle Standards, die man auch hierzulande bekommt. Wenn es sich nicht um Sonderabfüllungen oder Distillery-Exclusives handelt, die es nur in kleinen Mengen oder eben gar nicht bis hierher schaffen, zahlst du für eine Flasche aus der hier besprochenen Preisrange gute 10 bis 15 Euro mehr, da lohnt sich die Schlepperei gleich doppelt nicht. Wenn du aber schon auf Reisen bist, kannst du mal am Flughafen Ausschau halten, denn es gibt „Travellers only“-Abfüllungen, entweder in sonst unüblichen Flaschengrößen oder solche, die es tatsächlich nur in den Duty-Free-Shops gibt, wo man durchaus auch den einen oder anderen gratis verkosten kann, um die eventuelle Flugangst ein wenig zu mildern. Preisschnäppchen solltest du allerdings nicht erwarten, und zollfrei wird es nur, wenn du die EU verlässt.

Auch wenn wir hier keine Blends besprechen, ist es an der Zeit, ein Zeichen zu setzen und eine Lanze für die Blend-Industrie zu brechen, denn ohne sie gäbe es deutlich weniger Vielfalt und vor allem kaum erschwingliche Single Malts. Die wenigsten Destillen produzieren ausschließlich für diesen Markt. Bei den meisten liegt der Anteil an Single Malts, die unter eigenem Namen verkauft werden, gerade mal bei 10-15%, bei anderen ist es immerhin ein Viertel. Der Rest der Produktion wird für Blends verwendet, die auch in den schlechten Jahren immer Abnehmer fanden. Wenn wir uns anschauen, zu welchen Konzernen einzelne Destillen gehören, kann man sich an wenigen Fingern abzählen, in welche Mixturen die Single Mals wandern. Ob das nun Diageo (u.a. Dimple und Johnny Walker) oder Pernod Ricard (Chivas Regal, Ballantine’s) ist, Fakt ist, dass die Blends einen Großteil der produzierten Mengen verschlingen und so für den Fortbestand des „Nebenprodukts“, der Single Malts, sorgen. Wenn man berücksichtigt, dass eine Investition in eine neue Destille in der Regel erst nach zehn Jahren echte Früchte trägt und auch Modernisierungsmaßnahmen nicht unmittelbar Gewinne abwerfen, wird verständlich, warum neue und unabhängige kleine Brennereien es schwer haben. Zudem haben sich viele Blendproduzenten die Zulieferkette der benötigten Rohstoffe daher längst einverleibt. Damit lassen sich die Produktionsabläufe weitestgehend optimieren, indem zum Beispiel die Flaschenabfüllung zentral stattfindet, dasselbe gilt natürlich auch für Marketing, Design und Vertrieb.

Und wenn wir schon dabei sind: Ohne Jim Beam und Jack Daniel’s würde es ebenfalls eng. Warum? Weil beide zu den größten Lieferanten kaum gebrauchter Fässer gehören, ohne die es keinen schottischen oder irischen Whisky geben würde, nicht mit demselben Geschmack und schon gar nicht in diesen Mengen, weil der Beruf des Küfers in den meisten Ländern dieses Planeten so gut wie ausgestorben ist. Selbst wenn es genügend Rohmaterial geben würde, ist so ein teures Eichenfass eher uninteressant für die Reifung, weil ein frisch gezimmertes Fass nicht denselben Geschmack liefern kann, den ein bereits ein Mal verwendetes generiert, in dem ein Bourbon- oder Tennessee-Whisky reifte.

Aldi-No Names

Kein Witz und keine Angst! Immer wieder bietet Aldi No Name-Whiskys an, die von etablierten Brennereien stammen und unter Phantasienamen verkauft werden.

Speymhor: Irreführender Name, der eine Brennerei in der Speyside suggeriert, aber aus den Highlands stammt. In der Nase dunkle Kirsche, Anklänge von Obstler, fruchtige Noten mit leichtem Jodgehalt. Wasser tut sowohl der Nase als auch dem Geschmack gut, denn für seine gerade mal 40% ist er nach öligem Beginn ganz schön kräftig im Abgang, hält lange an und überrascht mit noch mehr dunkler Kirsche.

Mc.Clellands Lowland: Zitronengras, Quitte, Ingwer, fruchtig, leichte Vanillenoten begrüßen die Geruchsnerven, auf der Zunge schön ölig und rund, bis er langsam nach vorne kommt, sehr weich, so als ob man Blüten trinkt. Wunderschöner Sommerwhisky, bei dem man „Auchentoshan“ munkelt. Passt gut zu THE HATED.

Cask Islay

Ein Teil des Spaßes hinter No Names bietet die Diskussion, welche Brennerei sich nun hinter dem Whisky tatsächlich verbirgt. Bei einem Islay kommen da nicht viel in Frage, schließlich gibt es derzeit nur acht aktive Brennereien, und mit etwas Übung kann man nach dem Ausschlussprinzip relativ schnell und sicher auf den richtigen Namen kommen. Ein passendes Getränk zur Musik von HUMAN ABFALL, weil er so viele unterschiedliche Elemente enthält. Wie es sich für einen Islay gehört, riecht er selbstverständlich nach Meeressalzen, etwas Jod, Algen, aber auf der anderen Seite auch nach Honig und Zitrusfrüchten. Ein intensives Erlebnis für die Nase, das ich stundenlang treiben könnte. Im Mund offeriert er ganz ölig gebrannte Mandeln ohne die Nuss (also nur den karamellisierten Zucker). Hat einen kräftigen Abgang, der lange und nachhaltig beeindruckt. Value for money.

As We get it

Highland 8 Jahre, 58,9%

Ian Macleod ist ein unabhängiger Abfüller, der in der Regel keinen Mist abfüllt. Es wird so abgefüllt, wie es aus dem Fass kommt, unverdünnt, ungefärbt, und wenn die Ladung in der Flasche ist, gibt es keine zweite Serie, die anschließend wieder so schmecken wird, deswegen unbedingt vorher probieren. Den Soundtrack liefern UNSANE, wenn der Rüssel sich in das intensive rauchig-süße Bad senkt. Welcher Idiot hat sich denn diese Band seinerzeit auf CD gekauft anstatt auf Vinyl? Der Toffeegeruch gibt den Kick. Mit gerade mal acht Jahren ist er natürlich noch etwas wild und hat Kanten, die man bei länger gelagerten kaum noch herausschmeckt, wie hier die Mischung aus leichtem Torf, Honig, Rauch und ganz viel Nuss. Ein sehr interessanter Kollege, der witzigerweise heute doppelt so teuer gehandelt wird, als ich ihn gekauft habe.