AUSBRUCH

Foto

Zeitloser Punkrock

Ende der Achtziger Jahre kaufte ich mir den Sampler „Hardcore Power Music Part 2“. Darauf finden sich einige deutsche Punk- und Hardcore-Perlen, neben RAZZIA, INFERNO, MANIACS, IDIOTS waren auch AUSBRUCH mit ihren beiden Klassikern „Kämpf um dein Recht“ und „Deutscher Eid“ vertreten. Außer diversen Samplerbeiträgen veröffentlichten AUSBRUCH bis zu ihrer Auflösung 1997 zwei Alben: „Harte Zeiten“ (Roof Music, 1985, erstmals wiederveröffentlicht 1989 auf Rude Records) sowie „Auf alte Zeiten“ (Impact, 1994).

Aus Anlass des erneuten Rereleases des Debütalbums und der Samplertracks auf einer EP namens „Träume von gestern“ durch Twisted Chords gab es im November 2015 zwei Reunion-Konzerten in Aachen, bei denen die Band erneut auf den Geschmack kam und seitdem sporadisch wieder live spielt. Bei Twisted Chords erscheint jetzt sogar das brandneue AUSBRUCH-Album „Zahn der Zeit“. Mit dem jetzigen AUSBRUCH-Sänger Hansel (und früheren Bassisten) sprach ich über alte Zeiten, aber auch die gegenwärtigen Aktivitäten.

Hansel, wie hat alles angefangen?


Das war in Geilenkirchen, einer Kleinstadt bei Aachen. Da gab es Anfang der Achtziger Jahre keine große Punk-Szene. Also ging es an den Wochenenden ins Roxie nach Aachen oder in den Dschungel in Richterich. Dort wurde etwas Punk und Wave gespielt und man kam mit Gleichgesinnten zusammen. Punk-Konzerte fanden in Düsseldorf im Ratinger Hof statt. Der einzige Plattenladen in Geilenkirchen war Georgs Musikladen, aber Punk bekam man dort nur wenig. Besser war die Auswahl in Aachen oder Düsseldorf. Ansonsten überspielte man sich gegenseitig die Schallplatten auf Kassette. THE CLASH sah ich 1980 auf der „London Calling“-Tour in der Philipshalle in Düsseldorf, DEAD KENNEDYS 1981 in Bonn. Etwas später spielten auch in der Rockfabrik in Übach-Palenberg Punkbands für kleines Geld. Bekannte von uns aus Geilenkirchen machten das Ausbruch-Fanzine und aus Aachen kam das Bierfront-Fanzine.

Wann seid ihr mit Punk in Kontakt gekommen und wie lange dauerte es, bis ihr SPARMASSNAHME, später umbenannt in AUSBRUCH, gegründet habt?

Ich bin durch einen Freund 1978 mit Punk in Verbindung gekommen. Der hatte Connections nach England und brachte Singles mit von den SEX PISTOLS, THE CLASH, THE RAMONES ... Wir kopierten sie auf Mixkassetten, die wir rauf und runter hörten. So wurden wir mit Punkrock infiziert. SPARMASSNAHME gründeten wir 1981. Günther und ich waren auf derselben Schule. Rene, sein Bruder, und Gerd, ein Freund von mir, wir alle standen auf Punkrock, und auch wenn wir keinerlei musikalische Vorkenntnisse hatten, gründeten wir eine Band. Scheiß drauf, Hauptsache Spaß daran, in einer Band zu spielen. Wir konnten am Anfang nichts. Jeder von uns hat sich ein Instrument ausgesucht und los ging’s. Der erste größere Gig war in Pforzheim mit NORMAHL. Dort kamen wir auch mit den Leuten von Mülleimer Records in Kontakt. 1984 haben wir uns dann in AUSBRUCH umbenannt und es folgten Konzerte mit UK SUBS, ADICTS, LURKERS, Tommy Stumpff, ... BUT ALIVE, IDIOTS und anderen.

Auf euch aufmerksam geworden bin ich, wie wahrscheinlich andere auch, über die Samplerbeiträge.

1984 nahmen wir an einem Bandwettbewerb teil, den wir zu unserer Verwunderung gewannen, was uns eine dreitägigen Studioaufenthalt in Düsseldorf im ehemaligen Schallmauer Studio ermöglichte. Dort wurden die fünf Songs aufgenommen, die auf den Samplern „Hardcore Power Music Part 2“ und „We Don’t Need Nuclear Force“ erschienen sind. Wir haben die Aufnahmen an mehrere Labels geschickt und Mülleimer Records waren interessiert.

Euer Debütalbum „Harte Zeiten“ erschien 1985 jedoch bei Roof Music.

Mein Bruder wohnte zu der Zeit in Bochum, deswegen war ich öfter dort unterwegs. Bei einem Konzert in der Zeche trug ich ein AUSBRUCH-Shirt und bin darüber mit Jens von Roof ins Gespräch gekommen. Er hatte auch ein Tape mit unseren ersten Studioaufnahmen bekommen und so kam es, dass wir für Roof eine LP eingespielt haben. Dafür gingen wir in Bochum für sechs Tage ins Studio.

Das zweite Album „Auf alte Zeiten“ war bereits 1989 fertig, wurde allerdings erst 1994 veröffentlicht.

Wir waren froh darüber, dass Impact das Material veröffentlicht hat, wenn auch erst Jahre später,. Wir spielen davon heute noch „Die Freiheit“, „Banal“, „Crazy stable“ und „Revolution“.

Warum war 1997 dann erst mal Schluss?

Das hatte mehr mit persönlichen Dingen zu tun. Erst 2015 fiel uns auf, dass wir bei unserer letzten Probe keinen weiteren Termin vereinbart hatten.

Wann kam der Impuls, AUSBRUCH wieder aufleben zu lassen?

Der Impuls kam durch die Wiederveröffentlichung der „Harte Zeiten“-LP durch Twisted Chords. Wir dachten uns, es wäre doch schön, parallel dazu ein Konzert zu spielen.

Und wie ist das für euch heute: AUSBRUCH – zwanzig Jahre später?

Fühlt sich gut an. Es macht wahnsinnigen Spaß, wieder live zu spielen und zu sehen, dass die Leute unsere Songs nach all der Zeit noch kennen. Und man trifft so viele nette Menschen, mit denen man ins Gespräch kommt.

Eines der neueren Stücke von SLIME, „Unsere Lieder“, handelt davon, dass es ihnen lieber wäre, die Inhalte von damals wären längst Geschichte.

Verständlich, hat sich doch in den dreißig Jahren nichts Grundlegendes verändert. Eigentlich schade, dass die alten Texte immer noch aktuell sind.

Wie denkst du über die politische Situation – damals wie heute?

Fremdenhass und Rassismus sind politisch etabliert. Dumme Menschen, die auf solche Parolen reinfallen, gibt es immer noch. Trump ist Präsident in Amerika, was soll man da noch sagen. Es gibt wenig Erfreuliches auf der Welt. Menschen töten und foltern weiterhin. Alles wie immer.

Wie geht ihr damit um, dass man von alten Bands nur die alten Klassiker hören will?

Das ist für uns kein Problem. Wir wissen, dass die Zuschauer die alten Lieder hören wollen. Wenn ich zu einem Konzert gehe, will ich ja auch die Sachen hören, die ich kenne. Und wir spielen die Stücke gern, weil sie wichtig und noch immer aktuell sind. Unser Live-Set besteht aus alten und neuen Songs, und bisher erhielten wir dafür nur positive Resonanz.

Und jetzt gibt es mit „Zahn der Zeit“ sogar eine neue Platte von euch.

Ja. Wir hatten viele neue Ideen, als wir wieder zusammenkamen. Dass schon wieder „Zeit“ im Plattentitel enthalten ist, ist eher Zufall. „Zahn der Zeit“ passt ganz gut, ein kleines bisschen älter sind wir geworden, musikalisch reifer und mit anderen Ansprüchen. Alle Stücke auf dem Album sind uns wichtig. Zum Beispiel „Heiliger Krieg“... der beschäftigt sich mit religiösem Wahnsinn und der Angst davor. „Willkommen in Deutschland“ schildert die Situation mit der AfD und den dummen Menschen, die erneut auf die platten Parolen hereinfallen.

Dazu zählen scheinbar auch „Punks“, die Parteien wie die AfD und Bands wie BÖHSE ONKELZ oder FREI.WILD gut finden und sich als patriotisch und (neo-)konservativ bezeichnen.

So was kann ich persönlich nicht verstehen. Das ist kein Punkrock für mich und hat auch mit den Idealen mal gar nichts zu tun. Aber es funktioniert. Leider. Siehe Onkelz-Konzerte. Warum auch immer.

Ihr habt euch mit Dizl einen zweiten Gitarristen ins Boot geholt, was euren Sound ja doch ziemlich verändert hat.

Nö. Der Sound ist Jahre später natürlich anders und live mit zweiter Gitarre lediglich fetter.

Aber in erster Linie seid ihr langjährige Freunde, die einfach noch mal Spaß am Musikmachen haben wollen. Wie reagieren eigentlich eure Familien, insbesondere eure Kinder darauf?

Die aktuelle Besetzung entspricht schon nicht mehr der Band, die „Zahn der Zeit“ eingespielt hat. Sänger Gerd hat uns aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Vorher war ich am Bass, jetzt singe ich. Neuer Bassist ist Claas. Harti, der die zweite Gitarre spielt, die auf der Platte zu hören ist, wurde mittlerweile ersetzt durch Hape Dizl, der unter anderem bei den BLOWJOBS und den NAZI DOGS spielte. Natürlich wollen wir den Leuten zeigen, dass wir es noch drauf haben, ein gutes Album rauszubringen und auch live noch alles geben zu können, auch wenn wir aus Zeitgründen nur vereinzelt Konzerte spielen. Rene ist Arzt an der Uniklinik Aachen, Günther ist niedergelassener Arzt, Gerd arbeitet als Kranken-, und ich als Altenpfleger. Unsere Familien stehen uns sicher nicht im Weg. Die Kinder finden das super, wenn ihre Papas auf YouTube zu sehen sind. Am 7. Oktober spielen wir in Berlin und die Albumrelease-Party findet am 13. Oktober im AZ in Aachen statt.