BUSTER SHUFFLE

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Rückbesinnung auf alte Zeiten

Ihr Debüt „Our Night Out“ war 2009 eine Offenbarung, angesichts des langweilig werdenden und einschläfernden Offbeats seinerzeit. Frisch und unverbraucht, poppig, rockig, punkig, bediente man sich eines unnachahmlichen Cockney-Slangs à la ART BRUT oder SERIOUS DRINKING, mixte schnellen 2Tone-Ska, wie ihn MADNESS oder SPECIALS spielten, sowie einen Schuss 77er-Punk hinzu. Es folgten zwei Alben mit dem einen oder anderen Hit. Mir persönlich gefielen diese Experimente weniger, auch wenn BUSTER SHUFFLE von Jahr zu Jahr erfolgreicher wurden. Auch meine erste Live-Erfahrung mit der Band war eher zwiespältig. Das neue Album „I’ll Take What I Want“ ist wieder deutlich griffiger, fast so wie zu Beginn. Es ist also viel passiert, so dass ich Sänger und Pianist Jet(hro) Baker vor der bevorstehenden Deutschlandtour ein paar Fragen stellte.

Idon’t trust a word you say“, der Opener und die erste Single, geht richtig ab. So sehr ich die dynamische Vielfalt eurer Musik zu schätzen weiß, sind es vor allem die punkigen Stücke, die mich auf dem neuen Album faszinieren.


Wir lieben Punkrock. Punk geht Hand in Hand mit Ska und Reggae. Schon THE CLASH haben sich über alle Genres hinweggesetzt und mit Ska und Reggae experimentiert. Und wenn THE CLASH sagen, dass das okay so ist, dann ist das auch okay so. Genau das haben wir gemacht, auch wenn manche neue Stücke etwas schwerer und düsterer wirken mögen.

Nicht nur musikalisch gab es Änderungen. Unter anderem ist die Band vom Sextett zum Quartett geschrumpft. Was ist passiert?

Wir haben uns zurückbesonnen auf unsere ursprünglichen East-London-Wurzeln als vierköpfige Band. Unser Bassist Tim und Sängerin Carrie wollten und konnten nicht mehr so viel live spielen. Nachdem wir in Amerika waren, wollten sie eine Pause einlegen. Also mussten wir etwas verändern. Aber wir treffen uns immer wieder auf Konzerten in London und sind in regelmäßigem Kontakt. Es ist also alles gut.

Und trotzdem könnte man den Eindruck bekommen, dass BUSTER SHUFFLE nach fast zehnjährigem Bestehen nun doch dein ganz persönliches musikalisches Projekt geworden sind?

Wenn ich eine Idee habe, arbeiten wir alle gemeinsam als Band an dem jeweiligen Stück. Hat Jim was Interessantes auf der Gitarre, entwickelt sich der Song vielleicht in eine andere Richtung. Grundsätzlich glaube ich daran, dass ein gutes Lied sowohl auf der Gitarre als auch auf dem Klavier gut funktionieren soll, gleich welche Stilrichtung. Wir wollen Stücke schreiben, die sowohl gemeinsam als Band rocken als auch akustisch, nur gesungen funktionieren.

Eine weitere Veränderung bei BUSTER SHUFFLE ist, dass ihr nach zwei Alben nun zu Burning Heart Records gewechselt seid. Was erhofft ihr euch davon?

Steve Whale ist ein sehr guter Freund von uns, der nur unser Bestes im Sinn hat. Deshalb hat er uns mit Burning Heart verkuppelt. Nach ein paar Telefongesprächen trafen wir uns in Berlin und beschlossen, von nun an miteinander zu arbeiten. Wir hoffen, mit Burning Heart international noch aktiver zu werden. Wir wollen noch viel mehr in den USA und Mexiko spielen. Auch Südamerika ist ein Thema und noch viele andere Länder mehr. Burning Heart veröffentlichen „I’ll Take What I Want“ in den USA. Den amerikanischen Markt wollten wir schon lange erschließen, was uns bislang allerdings noch nicht möglich war.

Große Ereignisse werfen ja ihre Schatten voraus. Deshalb besinnen wir uns mal kurz zurück auf die drei Vorgängeralben. Was geht dir da spontan durch den Kopf?

„Our Night Out“ nahmen wir vor acht Jahren in unserem Haus auf. Das war eine großartige Zeit mit so vielen Erlebnissen, Enttäuschungen und Überraschungen. Wir nahmen auf, spielten ständig irgendwo in London, nahmen wieder auf und tranken Unmengen Guinness. Das war eine unglaubliche Zeit. Bei „Do Nothing“ unterstützten uns dann einige unserer Helden, die bereits bei THE CLASH, THE SPECIALS, MADNESS oder THE BLOCKHEADS gespielt haben. Und all diese Leute spielen von dir geschriebene Stücke und nehmen sie mit dir auf. Das war überwältigend. Für „Naked“ waren wir unentwegt in der U-Bahn unterwegs, um von einem Studio ins nächste irgendwo in London zu fahren und aufzunehmen. Neu war auch, mit einem Produzenten zu arbeiten, der Ideen einbrachte und einen ganz eigenen Sound kreierte. Das war eine interessante Zeit mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen.

Kommen wir zur nächsten Neuerung, dem Wechsel der Booking-Agentur. Hofft ihr, mit Destiny mehr Publikum zu erreichen?

Bei Destiny sind einige großartige Bands, auch aus den USA. Und genau die wollen wir erreichen, um so einige weitere Beziehungen aufbauen zu können.

Welche Musiker, vor allem Sänger, die sich selbst auf dem Klavier begleiten, haben dich beeinflusst? Kannst du dich noch daran erinnern, wann du dich das erste Mal selbst begleitet hast?

Fats Domino und Little Richard sind meine Helden auf dem Klavier. Es gibt keine Besseren als die beiden. Als ich das erste Mal solo live gespielt habe, war ich gerade mal elf Jahre alt, das war bei einem Auftritt der Band meines Vaters. Ich war noch zu klein, um an die Tastatur des Keyboards kommen zu können, deshalb musste ich mich auf eine Bierkiste stellen, um mich begleiten und das Mikrofon erreichen zu können.

London spielt in deinem Leben wie in deinen Texten eine große Rolle. Ihr alle lebt immer noch dort, trotz Gentrifizierung.

Die Gentrifizierung ist im vollen Gange und die cooleren Gegenden verlagern sich mehr und mehr an den Stadtrand Londons. Es ist einfach unglaublich teuer geworden, in London zu leben. Als Band arbeiten wir allerdings nicht nur von London aus. Wir halten uns auch immer mal längere Zeit in Devon oder Cambridge auf.

Großbritannien steht derzeit im Zeichen des Brexit. Andere europäische Länder würden ebenfalls lieber für sich bleiben. Der europäische Gedanke scheint angesichts des Zulaufs bei konservativen und nationalistischen Parteien auf dem Rückzug. Wie siehst du das?

Das Ganze ist desaströs. Wir sind so wütend auf unser Land und besonders Mittelengland. Bereits jetzt geht das große Bedauern los, nachdem sie realisieren, welche Dummheit sie dadurch in Gang gebracht haben. Etwas spät. Diese Entwicklung ist nicht gut für Europa, geschweige denn für Großbritannien. Scheinbar müssen erst wieder Kämpfe und Kriege stattfinden, damit sich die Menschen vertragen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es für alle ein ganz großer Rückschlag sein wird. Vor allem die jungen Leute werden versuchen, ins europäische Ausland auszuwandern. Und für neue Bands wird es schwieriger und vor allem teurer werden, im Ausland zu touren. Das sind traurige Aussichten.

Ihr seid in den letzten Jahren viel rumgekommen und wart nun auch das erste Mal in den USA. Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen, welche Erfahrungen habt ihr dort machen können?

Wir lieben Amerika. Es ist ein wunderschönes Land und die Leute sind sehr freundlich. Natürlich ist auch dort nicht alles perfekt, aber das ist es ja in Europa auch nicht. So haben wir es einfach nur genossen und nehmen die positiven Eindrücke mit. Wir haben viele Menschen kennen gelernt, darunter großartige Musiker, und das alleine ist schon fantastisch.

BUSTER SHUFFLE haben ihren eigenen Stil, irgendwo zwischen 2Tone-Ska und Britpop. Aus London kommen seit Jahrzehnten Künstler, die den Offbeat ganz individuell und unverwechselbar interpretieren. Ist London also immer noch die Wiege innovativer Musik?

Wir haben einfach unser eigenes Ding gemacht und keine Bands kopiert. Musikalisch beeinflusst wurden wir von der ersten Punkrock-Welle hierzulande und von Ska, aber auch von Rock’n’Roll, wie Jerry Lee Lewis diesen auf dem Piano spielte. Das ist unser Sound. London ist eine unglaubliche Stadt und in Vierteln wie Brixton, Hackney und Peckham wirst du immer noch viel Early Reggae hören können. Diesbezüglich existiert in London eine große Musikszene. Aber in Sachen Punkrock und D.I.Y. scheint mir Deutschland die aktivere Szene zu besitzen, auch wenn hier in Großbritannien in Blackpool das beste und größte Punkrock-Festival der Welt veranstaltet wird. Blackpool ist wie das Juwel in der Krone, das so viele Bands aus aller Welt einmal im Jahr zusammenkommen lässt.

Warum trauen sich nicht mehr Bands, ihren eigenen Stil zu finden, anstatt ständig zu kopieren?

Natürlich ist es einfacher, einen alten Sound zu kopieren, als zu versuchen, was eigenes zu kreieren. Copy & Paste ist nicht unser Ding. Aber viele andere Bands machen es so. Einige davon sicherlich gut, also warum nicht.

Kannst du dich noch an ein Stück mit einem Offbeat erinnern, das in aller Munde war?

Nicht, seitdem die ganz Großen damals einen Hit nach dem anderen landeten. Aber darum geht es auch nicht. Frag doch mal den Mainstream nach einem Punkrock-Song. Und ich meine jetzt nicht „Should I stay or should I go“ von THE CLASH. Da draußen gibt es schon noch einige Bands, die ihre Sache recht gut machen und etwas voranbringen, zum Beispiel THE INTERRUPTERS aus den USA.

Mit wem würdest du gerne mal zusammenarbeiten?

Mit TOOTS AND THE MAYTALS im Studio One oder mit Fats Domino in New Orleans, aber das geht ja leider nicht mehr.

Und bei wem würdest du nicht für viel Geld mitmachen wollen?

Bei jedem mit einer rechten Gesinnung, die können sich verpissen!

Da Deutschland Ende November auf dem Plan stand, wie kam eigentlich der Kontakt zustande mit Vom, dem Schlagzeuger von DIE TOTEN HOSEN?

Vom Ritchie ist wirklich einer von den Guten. Ein echter Star! Wir haben ihn vor ein paar Jahren auf einem Gig kennen gelernt, mit ihm etwas gearbeitet und hingen gemeinsam rum. Sein musikalisches Wissen und seine Leidenschaft sind unübertrefflich. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden. Nun gut, er ist zwar ein Spurs-Fan, aber etwas macht ihn definitiv sympathisch: er mag Little Richard. Wir haben’s einfach drauf: Rock’n’Roll, Punk und Fußball. Ganz einfach. Oi!

 


Track by track

Als großer Fan von Linernotes, bat ich Jet Baker um ein paar Worte zu jedem Stück von „I’ll Take What I Want“.

„I don’t trust a word you say“

Ich sage nur: das britische politische Establishment.

„We fall to pieces“
Brexit.

„Pretty boy“
Ein Papagei in einem Käfig bei Bob Marley in Jamaika. Das arme Ding schaut den ganzen Tag auf den Regenwald, während es in einem Käfig eingesperrt ist.

„See you next week“
Hier geht es um ständig jammernde und nörgelnde Partner.

„The estate“
Dieses Stück handelt von der Angst, in London nachts nach Hause zu gehen.

„I’ll be in Peckham“
Hier dreht sich alles um Peckham, einen Stadtteil Londons.

„I’ll take what I want“
Ein Lied über das Erreichen von selbstgesteckten Zielen.

„Your mommy is so hot for me“
Der Titel spricht für sich.

„The tables have now turned“
Vegetarismus.

„Take them all“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich alle Texte betrunken geschrieben habe. Aber in diesem Fall befand ich mich in meinen Gedanken irgendwo im Mittelalter.

„Banana thief“
Nachdem ich eine Banane in einem Tankstellen-Shop gestohlen hatte, verursachte ich dadurch eine automatische Türverriegelung. Was dann geschah, davon handelt der Text.

„Outro song“
Eines meiner Lieblingsstücke auf dem Album. Ich mag einfach das Arrangement.