KOLARI

Foto© by Robin Helm

Verkehrsunfall in Finnland

Mit KOLARI steht eine Band in den Startlöchern, die für eine Menge Unruhe sorgt. Mit ihrer Mischung aus EVERY TIME I DIE und den frühen GALLOWS haben die Hamburger das Potenzial, die deutsche Metal-Hardcore-Szene jenseits des Mainstream-Metalcores wieder interessant zu machen. Dass sie darüber hinaus noch einiges zu sagen haben, zeigt sich im Interview mit ihren Gitarristen Tim und Robert.

Wie war es, über den eigenen Bandnamen zu erfahren, dass er auf Finnisch auch „Verkehrsunfall“ bedeutet?

Tim: Das war schon mindestens ein Vierer im Lotto. Er hätte ja auch für „Darmverschlingung“ oder „Jar Jar Binks ist der beste ,Star Wars‘-Charakter aller Zeiten“ stehen können.

Robert: Darüber hinaus heißt so ja auch noch eine Kaste in Indien und Pakistan, was wir auch nicht wussten, als wir uns den Namen gegeben haben. Er klang gut, hatte für uns keine typische Genreassoziierung und jetzt sind da plötzlich Ebenen, die irgendwie sehr gut zu uns passen. Der Hauptgewinn quasi!

Ich würde euren Sound in der Nähe von EVERY TIME I DIE oder ähnlichen Bands einordnen. Wie fühlt es sich an, wenn die eigene Musik in Schubladen gesteckt wird?

Tim: Dagegen haben wir eigentlich nichts, vor allem nicht, wenn wir mit Bands verglichen werden, die wir überaus schätzen. Mal ehrlich: Wir versuchen zwar, vieles anders zu machen, erfinden aber das Rad auch nicht neu. Jetzt um die Ecke zu kommen mit „Uns kann man nicht in eine Schublade stecken!“ wäre vollkommener Bullshit. Außerdem kommt dieser Satz meistens von Bands, die exakt wie 100.000 andere Bands klingen.

Robert: Schubladen sind bei der heutigen Vielzahl an Bands ja auch hilfreich, um eine Vorauswahl für Musikinteressierte zu treffen. Insofern passt das schon. Und solange uns niemand aufgrund der Nähe zu bestimmten Bands bloßes Kopieren vorwirft, sind solche Vergleiche ja eher eine Bestätigung, dass wir irgendetwas „richtig“ machen, und bringen Menschen vielleicht dazu, sich „Fear / Focus“ anzuhören.

Wie würdet ihr jemand „Fear / Focus“ beschreiben?

Tim: „Fear / Focus“ ist ein großer ulkig-hässlicher Hund, der nichts mehr will, als dich lieb zu haben, weil du für ihn der tollste Mensch der ganzen weiten Welt bist. Außerdem kann er die Farbe wechseln und so schnell schwimmen wie ein Motorboot – mit dir auf dem Rücken!

Ich bin ziemlich von dem Design und der Detailfreudigkeit bei euren Platten beeindruckt. Welche Bedeutung hat das Artwork für euch – vor allem in Zeiten von Streaming und Downloads?

Tim: Wir alle waren uns relativ schnell einig, dass wir nur auf Vinyl und digital veröffentlichen wollten, also das Format CD weglassen. Das hatte den Grund, dass digital nun mal die Zukunft, beziehungsweise Lebensrealität ist, wir aber trotzdem etwas hochwertiges Haptisches haben wollten. Gerade was Detailfreudigkeit angeht, hat man bei einer Schallplatte allein wegen der Größe viel mehr Möglichkeiten. Und das „Ritual“ des Plattenhörens hat einen entschleunigenden Effekt, der dem künstlerischen Aspekt – Musik wie Artwork – mehr Gewicht verleiht. Als Herausforderung empfinde ich es weiterhin, dieses Gefühl in die digitale Welt zu übertragen, wie zum Beispiel durch PDF-Artworks, die man mitliefert. Ich empfinde den digitalen Kosmos da nicht als abträglich, sondern eher als Chance.

Ist Kunst immer eine Form von Widerstand?

Tim: Im Optimalfall ja. Ich würde sagen, Kunst ist in erster Linie ein Kampf. Ein Kampf gegen Gewohnheiten, gegen sich selbst, gegen den Stillstand. An dem Punkt, wo Kunst aufhört, etwas Neues zu machen, schöpft die Kunst nicht ihr volles Potenzial aus. Natürlich ist es auch eine Kunst, Bedürfnisse zu bedienen, aber das wäre keinesfalls mein Ansatz.

Robert: Ich sehe das ähnlich. Jedoch gibt es ja auch so was wie „Staatskunst“, wie die Wandgemälde in der DDR früher oder etwa Auftragsarbeiten von Komponisten. Insofern sollte das wohl der Anspruch sein, der wird jedoch nicht immer erfüllt. Für mich ist die eigene Kunst immer Widerstand, da sie mir ermöglicht mich, mit Themen zu beschäftigen und auseinanderzusetzen, die ich als wichtig empfinde. Und da geht es eben meist nicht um den sonnigen Tag mit Spaziergang am Meer, sondern eher um Dinge, die mich wütend machen oder mir Sorgen bereiten.