PROFESSIONALS

Foto© by Christian Poffet

Never Mind The Pistols

THE PROFESSIONALS waren bei ihrer Gründung 1979 die legitimen Nachfolger der SEX PISTOLS. Das kann man mit großer Gewissheit so sagen, denn schließlich waren mit Paul Cook und Steve Jones gleich zwei Ex-Pistols dabei. Musikalisch knüpften die beiden an die Songs an, die sie für den Soundtrack zu „The Great Rock’n’Roll Swindle“ geschrieben hatten. Der große Erfolg blieb allerdings aus. Jetzt, 35 Jahre nach ihrer Auflösung, gibt es die PROFESSIONALS wieder, ohne Jones, aber mit Cook und „What In The World“, einem ziemlich starken neuen Album. Darüber unterhalte ich mich mit Paul Cook.

Paul, das neue PROFESSIONALS-Album fällt zeitlich zusammen mit neuen Songs deiner Tochter Holly, die Reggae und Rocksteady spielt. Gibt es jetzt Rivalitäten innerhalb der Cook-Familie?

Haha, nein, nicht wirklich. Wir unterstützen uns gegenseitig. Ihr Album kommt im Januar 2018, meins ist bereits erschienen. Sie arbeitet sehr hart und bereitet sich gerade auf ein paar Konzerte vor. Sie hat mit Merge Records ein neues Label, auf dem „Vessel Of Love“ erscheinen wird, übrigens produziert von Youth, dem Bassisten von KILLING JOKE. Es klingt toll. Viel los also im Cook-Haushalt!

Die Tatsache, dass dein neues Album „What In The World“ fast auf den Tag genau vierzig Jahre nach „Never Mind The Bollocks“ erschien, ist also ein Zufall?

In gewisser Weise schon. Es kam eben so hin. Am Tag des Jubiläums spielten wir mit THE PROFESSIONALS eine Release-Show in London, da unser Album am Tag zuvor erschienen war. So konnten wir das eine mit dem anderen verbinden. Normalerweise spielen THE PROFESSIONALS keine Songs der SEX PISTOLS, aber an dem Tag haben wir eine Ausnahme gemacht. Und so gab es als Zugabe „Bodies“ und „Pretty vacant“.

Auf dem Cover des Albums befindet sich ein Sticker mit der Aufschrift „40 years after ,Never Mind The Bollocks‘ Paul Cook of THE SEX PISTOLS returns“. Man könnte also glauben, du wärest in dieser Zeit komplett weg vom Fenster gewesen.

Nein, das war ich überhaupt nicht. Nach dem Ende der Pistols ging es mit den PROFESSIONALS weiter. Danach war ich an diversen Plattenproduktionen beteiligt, zum Beispiel mit Vic Godard von SUBWAY SECT. Darüber hinaus habe ich lange in der Band von Edwyn Collins gespielt und war bei MANRAZE dabei, die 2008 ein Album veröffentlichten. Außerdem war ich natürlich bei den Reunion-Tourneen der SEX PISTOLS in den Jahren 1996, 2000 und 2002 mit von der Partie. Ich war vielleicht nicht die ganze Zeit ausgebucht, aber die meiste schon. Es hört eben nie auf.

Was hat dazu geführt, dass es THE PROFESSIONALS jetzt wieder gibt?

Steve Jones lebt schon lange in Los Angeles. Die anderen drei ursprünglichen Mitglieder Paul Myers, Ray McVeigh und ich, sind in London zu Hause und wohnen nicht weit von einander entfernt. Eines Tages trafen wir uns, um die alten Zeiten ein wenig aufleben zu lassen, und spielten dabei natürlich auch Songs der PROFESSIONALS. Das klappte nicht nur sehr gut, sondern machte auch tierischen Spaß. Ich hatte die Lieder seit Ewigkeiten nicht gehört und wusste gar nicht, wie gut sie immer noch waren. Den anderen beiden ging es genauso. Und so entwickelte sich die Idee, daraus mehr werden zu lassen. Steve konnte aus offensichtlichen Gründen nicht dabei sein, denn Los Angeles ist nun mal nicht eben um die Ecke. So kamen wir auf unseren Freund Tom Spencer, der den Part am Mikro und an der Gitarre übernahm. Und auch das haute prima hin. Zudem brachte Universal vor ungefähr zwei Jahren mit „The Best Of The Professionals“ ein Boxset heraus. In diesem Kontext haben wir mehrere Konzerte gespielt, die sehr gut ankamen. Ich wollte aber nicht nur den alten Zeiten nachhängen, sondern die Band weiterentwickeln und neue Songs schreiben, um zu sehen, was daraus noch werden kann.

Das hat soweit sehr ja gut hingehauen.

Wir sind sehr zufrieden mit dem Album. Da Steve nicht mehr an Bord ist, sind Tom und ich jetzt die Songschreiber. Wir verstehen uns sehr gut, wenn wir uns zusammensetzen, fließt es sozusagen. Tom ist jemand, der viel Energie und Kreativität in die Band einbringt. Deswegen hat es auch nicht lange gedauert, bis wir genug Songs für das Album zusammenhatten.

Was sagt Steve Jones zu dieser Reunion ohne ihn?

Steve lebt, wie gesagt, in Los Angeles und arbeitet dort als Radio-DJ. Er kann also nicht mehr touren und all so was. Er gab uns aber nicht nur seinen Segen, sondern hat bei gleich drei Songs die Soli beigesteuert. Er ist also auf dem Album vertreten und hat ansonsten die Fackel an Tom weitergegeben. Unser Verhältnis ist nach wie vor sehr gut.

Steve ist aber nicht der einzige Gast auf „What In The World“.

Stimmt. Die Sache war so, dass die Chemie mit unserem Gitarrist Ray nicht mehr so recht stimmte und wir gemeinsam beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Plötzlich gab es also eine Vakanz an der zweiten Gitarre. Wie ich gerade erklärte, konnte Steve Jones bei unserer Reunion nicht dabei sein. Er hatte sich aber bereit erklärt, für unser Album ein paar Soli einzuspielen. So kam ich auf die Idee, ein paar von meinen alten Bekannten zu kontaktieren. Die meisten der Angerufenen sagten sofort zu. Und so kam es, dass mit Mick Jones von THE CLASH, Marco Pirroni von ADAM AND THE ANTS und Billy Duffy von THE CULT noch ein paar weitere tolle Gitarristen auf unserem Album vertreten sind.

Dein alter Kollege Glen Matlock ist auch ein guter Gitarrist.

Glen lebt zwar wie ich in London, aber wir sehen uns nur gelegentlich. Ich wollte Glen nicht auf dem Album haben, damit die Leute nicht glauben, es ginge bei den PROFESSIONALS nur um die Pistols. Glen macht sein eigenes Ding.

Als Johnny Rotten die SEX PISTOLS verließ, nach dem berühmt-berüchtigten Konzert in San Francisco seinerzeit, machten Steve und du zunächst weiter und spielten den Soundtrack zu „The Great Rock’n’Roll Swindle“ ein. War die anschließende Gründung der PROFESSIONALS da der logische nächste Schritt?

Ja, ganz eindeutig. Steve und ich sind gemeinsam aufgewachsen und standen uns schon immer sehr nahe, fast wie Brüder. Als die Pistols sich auflösten, war uns beiden klar, dass wir zusammenbleiben und eine Band gründen wollen. Wir suchten also zunächst einen Sänger. Aber finde mal einen, nachdem du mit Johnny Rotten in einer Band gespielt hast! Deswegen übernahm Steve diesen Part und wir begannen, Rock-Songs im Stile der SEX PISTOLS zu schreiben. Das Ganze war, wenn man so will, ein natürlicher Prozess.

Trotzdem bekamen THE PROFESSIONALS bei weitem nicht die Aufmerksamkeit wie zuvor die SEX PISTOLS. Was meinst du, woran das lag?

Schwer zu sagen. Nach den Pistols fielen Steve und ich zunächst in ein Loch und mussten uns erst einmal sammeln. Für unser Album „Didn’t See It Coming“ schrieben wir dann tolle Songs, die aber nicht besonders gut produziert waren. Uns war auch nicht ganz klar, was die Leute von uns erwarteten. An den Liedern kann es auf jeden Fall nicht gelegen haben, denn die waren klasse. Ich denke, manche der Fans haben erst im Laufe der Zeit gemerkt, wie gut das Album tatsächlich war und nach wie vor ist. Es kommt häufiger vor, dass ich nach unseren Konzerten von Fans angesprochen werden, die mir erzählen, was für einen Einfluss „Didn’t See It Coming“ für sie gehabt hat. Das war mir gar nicht so bewusst.

Die Umstände damals waren auch nicht auf eurer Seite. Ihr hattet einen schweren Verkehrsunfall in den USA. Hinzu kamen Steves Drogenproblem zu der Zeit.

Ja, es war sehr schwierig. Eins führte zum anderen. Die Tour in Amerika lief eigentlich sehr gut, als dann dieser Unfall passierte und uns buchstäblich das Genick brach. Zwar kehrten wir danach in die USA zurück, um den Rest der Tour zu Ende zu spielen, allerdings verlief dann alles sehr chaotisch aus den unterschiedlichsten Gründen. Man kann sagen, die Band implodierte förmlich in den Staaten. Steve flog dann auch nicht mit uns zurück nach London, sondern blieb dort, was gleichbedeutend mit dem Ende der PROFESSIONALS war.

Eure damaligen Frisuren waren unter Umständen auch nicht gerade hilfreich.

Vielleicht ist da tatsächlich was dran. Nach den Pistols mit den ganzen Nietengürteln, Lederjacken und Bondage-Hosen wollten wir weg von diesen Punk-Klischees und einfach wir selbst sein. Post-Punk-Powerpop, wenn man so will. Vielleicht war es das, was den Leuten damals nicht gefiel. Vielleicht waren wir einfach nicht Punkrock genug.

Im Mai 2017 habt ihr eine Show in Hamburg gespielt. Wird es weitere Konzerte in Deutschland geben?

Hoffentlich. Der Gig in Hamburg kam durch einen Freund von unserem Sänger Tom Spencer zustande. Das Konzert dort war großartig. Wenn unser Album ähnlich gut ankommt, würden wir liebend gerne nach Deutschland kommen. Punkrock hat bei euch einen hohen Stellenwert.