WOLVES IN THE THRONE ROOM

Foto© by Veleda Thorsson

Die kalte Weisheit des Nordens

WOLVES IN THE THRONE ROOM aus der Nähe von Olympia, Washington, mit den Brüdern Nathan und Aaron Weaver als kreativem Kern, sind eine Ausnahmeband. 2003 gegründet, haben sie auf mittlerweile sechs Alben (aktuell erschien „Thrice Woven“ auf dem eigenen Artemisia-Label) eine packende Form von Black Metal perfektioniert, die einerseits über Genregrenzen hinausgeht, andererseits die Trademarks pflegt. Ich unterhielt mich via Skype mit Aaron.

Aaron, hier ist seit kurzem Winterzeit, es wird wieder früh dunkel und ich hasse diese Jahreszeit.


Echt? Ich liebe diese Jahreszeit! Ich mag es, wenn es wieder dunkel und winterlich wird. Wenn draußen der Regen peitscht und drinnen der Holzofen bollert. Und wenn dann das kalte, ruhige Winterwetter kommt.

Wieso nur bin nicht überrascht?

Ich schätze, du hast unsere Musik gehört ... Aber ehrlich gesagt mag ich alle Jahreszeiten gleichermaßen, alle haben ihre eigene Magie und Schönheit. Ich mag den Tod des Winters, ich mag es, wie im Frühling neues Leben entsteht, ich liebe den Glanz des Sommers – und ich mag den Herbst, diese Jahreszeit jetzt, wenn der Schleier zwischen unserer Welt und der der Toten nur sehr dünn ist. Ich träume dann sehr lebhaft, ich fühle mich den Vorfahren und ihren Seelen verbunden. All das gibt mir Inspiration und Stärke.

Zu dieser Beschreibung deines Naturbezugs passt die Optik eurer Band, der Platten. Klappt man das neue Album auf, findet sich dort das düstere Bild eines Gletschertals.

Das Foto zeigt eine Landschaft in Island, die Valnoir gemacht hat, der für das Artwork unserer Albums verantwortlich ist. Er ist ein alter Freund aus der französischen Black Metal-Szene, er lebt in Paris, und er hat das Foto in Island gemacht. Es passt einfach zum neuen Album, das für mich sehr kalt klingt. Es bringt die kalte Energie, die kalte Weisheit des Nordens zum Ausdruck, dieser kalten, gefrorenen Landschaften. Das Album an sich fühlt sich sehr rauh an, es hat was von Magma, das unten in der Erde rumort und sich seinen Weg an die Oberfläche bricht. Island ist eines der Länder auf der Welt, wo diese vulkanische Energie und diese düsteren Landschaften so klar aufeinandertreffen, und dafür steht für mich dieses Foto. Leider war ich, waren wir noch nie in Island, obwohl wir da wirklich mal spielen müssten. Wir mögen auch viele isländische Bands, und ich hoffe, es klappt bald mal mit einem Konzert dort.

Ich stehe ja auf Dokus über Vulkane, Erdgeschichte und so weiter ... und du?

Ehrlich gesagt habe ich seit sicher zehn Jahren nicht mehr ferngesehen. Von diesem Teil der menschlichen Kultur habe ich mich längst verabschiedet. Aber ich habe das Glück, die Hintertür unsere Studios öffnen zu können und direkt in einem riesigen Wald mit uralten Bäumen zu stehen, und nicht weit entfernt ist ein einsamer Strand. Überall sind wilde Tiere, Rehe, Raben, Adler, Reiher, Bären, Pumas ... wirklich direkt vor meiner Tür. Ich bin jeden Tag draußen in der Natur, es ist wunderschön, auch ohne Vulkane und Wasserfälle. Diese Schönheit überwältigt mich immer wieder, und je älter ich werde, desto weniger brauche ich irgendwelche Sensationen und Ablenkung.

Lässt dir dein Musikerberuf genug Zeit für die Natur?

WOLVES IN THE THRONE ROOM sind eine DIY-Band, es ist immer irgendwas zu tun, ich muss mich ums Geschäft kümmern, wir haben unser eigenes Label. Ich arbeite am liebsten tagsüber, vormittags bin ich im Studio, und dann sind immer irgendwelche E-Mails zu bearbeiten, wir leben ja nicht in einer von allem abgeschnittenen Waldhütte, sondern sind mit dem Rest der Menschheit verbunden wie jeder andere auch. Ansonsten bin ich ein ziemlicher „Studio-Typ“, ich probiere neue Sachen aus, speziell mit Synthesizern. Ich experimentiere mit neuen Sounds und Klangtexturen, neuer Technik. Und das nicht nur für WOLVES IN THE THRONE ROOM, sondern auch für andere Bands und Projekte. Und ich arbeite auch viel mit meinem Freund Randall Dunn, der ja mit Ausnahme des ersten all unsere Alben produziert hat. Es ist wunderbar, dass ich so leben und arbeiten kann – es ist die Erfüllung eines Traums. Wenn ich morgens aufwache, verspüre ich als erstes Dankbarkeit, dass ich dieses Leben führen kann, voll mit Kunst und Musik. Und ich bin dankbar für all die Fans und Freunde, die wir haben, die zu unseren Konzerten kommen und unsere Platten kaufen.

2017 jährt sich euer erster Europabesuch das zehnte Mal. Kannst du dich an eine Sache von der ersten Tour besonders gut erinnern?

Vor allem wussten wir nicht, was uns erwartet. Wir waren diese abgerissenen amerikanischen Metal-Crust-Punks, ich hatte ziemlich kurze Haare, und ich fragte mich, was die ganzen altgedienten Metal-Fans in Europa wohl denken, wenn wir vor ihnen stehen. Ob die wohl fauliges Gemüse nach uns werfen werden? Ob die uns körperlich angreifen? Was wird passieren? Und dann kam es ganz anders, wir wurden herzlich begrüßt, fühlten uns willkommen. Und das von Crustpunks und Redneck-Black Metal-Typen irgendwo in Österreich und Künstlern in Berlin oder London gleichermaßen. Ich war beeindruckt, wie verschieden das Publikum bei unseren Konzerten war und wie sich alle mit unserer Musik verbunden fühlten. Meine beeindruckendste Erinnerung an die erste Tour ist also, dass die Menschen wirklich kamen, um uns zuzuhören, und dass sie uns verstanden haben. Und es ist schön, dass wir in Europa so viele neue Freunde gewonnen haben.

Nun romantisiert man bisweilen auch, erwartet als Musikfan in New York etwas vom Hardcore der Achtziger zu finden, in London von Punkrock. Wie war das bei euch in Skandinavien mit Black Metal?

Na ja, ich bin schon eher der Typ, der hinter die Fassade schaut. Klar gibt es da so eine gewisse Mythologie in Sachen skandinavischen Black Metals, aber mir war schon klar, dass es da einerseits die Realität und andererseits den Mythos gibt. Wenn man dann zudem Leute aus der skandinavische Black Metal-Szene trifft, merkt man schnell, dass die auch einen großen Sinn für Humor haben. Sich mit einem geschminkten Dämonengesicht auf die Bühne zu stellen, sich in Leder und Nieten zu kleiden, solche Musik zu spielen, dafür braucht man schon einen Sinn für Humor. Und auch wenn das natürlich sehr düstere Musik ist, voller Horror, Einsamkeit und Sehnsucht, bereitet es ja Freude, diese Musik zu spielen – man erlebt ja ein Hochgefühl, eine Katharsis. Die Musik ist Magie, sie heilt. Black Metal hat eine Größe und Tiefe, die man niemals als Cartoonhaftigkeit abtun sollte – auch nicht, wenn manch neuere Band mit Black Metal als Stil-Elementen spielt, ohne das nötige tiefere Verständnis für dieses Genre mitzubringen.

Sprechen über etwas viel profaneres: euer Album ist 42 Minuten lang, die perfekte Länge für eine LP. Wie bekommt man vier, fünf Songs so hin, dass das passt? Folgt die Musik den technischen Vorgaben?

Ja und nein, lautet die Antwort. Einerseits sind die Songs eben die Songs, die so aus uns rauskommen, die haben ihr eigenes Leben. Andererseits sind alle Musiker auch Handwerker. Ein Album aufzunehmen, ist in gewisser Weise auch nichts anderes, als ein Haus zu bauen. Man benötigt gewisse handwerkliche Fähigkeiten, hat bestimmte „tricks of the trade“. Und so ist es eine Sache, diese Songs, diese Klänge im Kopf zu haben, und eine andere, die auch in die Form eines Albums zu bringen. Musiker schaffen es, diese vergänglichen Ideen, dieses Mystische, mit etwas Alchemie in die Form eines Albums zu gießen und die Lieder dann auch noch auf die Bühne zu bringen.

Nicht dass ich dieses Gefühl bei euch ernsthaft gehabt hätte, aber gerade bei Bands, die man mag, beschleicht es einen bisweilen doch: Was, wenn das neue Album nicht mehr so gut ist wie die davor ...

Ich bin selbst Musikfan und habe nach „... And Justice For All“ aufgehört, METALLICA zu hören. Wenn man selbst Musik macht, darf man aber nicht an so was denken, das ist die einzige Strategie. Denk nicht darüber nach, was die Leute darüber denken werden. Je reiner die Musik ist, je direkter sie aus dem Herzen kommt, je tiefer du dich ins Aufnahmestudio vergraben kannst, ohne einen Gedanken an die Welt draußen zu verschwenden, desto besser ist das Ergebnis. Das ist das Geheimnis guter Musik, die die Menschen anspricht. Viele meiner musikalischen Helden arbeiten schon lange so, beispielsweise Neil Young. Seine heutigen Platten sind genauso gut, voller Schönheit und Gewalt wie die in den Sechzigern. Er macht exakt, was er will, deshalb ist er mein Held. Und „Thrice Woven“ war ja auch so nicht geplant, sondern es entspringt einem Gefühl tief in mir drin, einer Traurigkeit, einer Dunkelheit, und da kam ich nur ran, indem wir uns ins Studio eingeschlossen haben und anfingen, neues Material zu schreiben, das war 2015. Für mein psychologisches Wohlergehen war es essentiell, dieses Album zu machen. Ohne die Musik als Ventil würde ich verrückt werden.