RADIO HAVANNA

Foto

Wir bleiben laut

15 Jahre sind RADIO HAVANNA jetzt schon im Geschäft. Die Band stammt aus Suhl in Thüringen, lebt und arbeitet aber in Berlin. Das Quartett gehört zu den Punkbands, die nicht nur Party machen und vom Saufen singen, sondern auch politische Botschaften in ihren Texten verpacken. In Songs wie „Homophobes Arschloch“ wird auch auf ihrem neuen, inzwischen sechsten Album „Utopia“ schnell klar, dass sie wie gewohnt kein Blatt vor den Mund nehmen. Sänger Fichte erklärt im Ox-Interview, warum es auch deshalb höchste Zeit war, ein eigenes Label zu gründen.

Am 13. Januar habt ihr euer 500. Konzert im Lido im Berlin gefeiert. Was bedeutet das für euch?


Das bedeutet erst mal, dass wir schon ziemlich lange im Geschäft sind, und dass einem das auch bewusst wird. Andererseits freuen wir uns auch riesig, dass es schon so lange gut läuft. Bei uns gab es ja noch keine Besetzungswechsel. Und dass uns die Leute schon 500-mal ertragen haben, mit dem Zeug, das wir machen.

Ihr wohnt ja inzwischen alle in Berlin. 2007 seid ihr kollektiv aus eurer alten Heimat in Suhl in Thüringen ausgewandert. Was war damals der Grund?

Das lag vor allem an der Lokalpolitik in Suhl. Wir hatten damals keine Möglichkeit, dort zu studieren oder eine Ausbildung zu machen. Wir waren damals schon häufiger in Berlin und haben uns gemeinsam für diese Stadt entschieden. Zur Debatte standen zu dieser Zeit noch Hamburg und Leipzig. Weil wir aber Berlin schon besser kannten, haben wir uns darauf geeinigt. Berlin ist auch nicht so teuer wie Hamburg. Hier konnte dann jeder seine Ausbildung oder sein Studium machen. Das hatte also eigentlich nur berufliche Gründe. Damals sind wir mit unserem gesamten Freundeskreis mit 25 Mann nach Berlin gezogen und haben hier WGs gegründet.

Ist damals die komplette Punkrock-Szene von Suhl ausgewandert?

Die Punkrock-Szene rund um das „Grüne Haus“ in Suhl war damals ziemlich sauer auf uns, weil wir damals noch ein Festival in Suhl organisiert hatten, das „Last Summer“ hieß, weil es eben der letzte Sommer in Thüringen war. Die haben eben gedacht, wir würden uns noch an der Stadt bereichern, weil wir das Festival noch zweimal von Berlin aus organisiert haben. Man kann nicht sagen, dass die Punkrock-Szene in Suhl auf einen Schlag ausgestorben ist, unser Umfeld ist einfach nur komplett aus der Stadt verschwunden.

Wie schwer war es, als linksorientierter Jugendlicher in Thüringen aufzuwachsen?

Also ich wurde schon fast jedes Wochenende durch die Innenstadt gejagt. Damals gab es eine Punker-Szene von etwa 90 Leuten und die Nazis waren auf jeden Fall deutlich in der Überzahl. Also wenn ich höre, dass in Themar letztes Jahr ein Nazi-Konzert mit 6.000 Leuten organisiert wurde, dann ist das schon gruselig. Unsere Eltern dachten immer, das sind so Jugend-Spielchen. Dass es bitterer Ernst ist, haben sie nie so richtig gerafft. Aber an den Wahlergebnissen in der Gegend mit 26 Prozent für die AfD kann man sehen, dass es bittere Realität ist. Wir haben schon in den Neunzigern davor gewarnt, es hat aber keiner auf uns gehört und jetzt haben sie den Salat.

Wie seht ihr denn die aktuelle Entwicklung in Ostdeutschland?

Das ist von Berlin-Friedrichshain aus schwer zu beurteilen. Aber auf dem flachen Land wie in Sachsen oder auch in Thüringen gibt es schon eine krasse rechte Szene. Die Rechten sind da überall auf dem Vormarsch und zwar nicht nur unter Jugendlichen. Und wenn Herr Dobrindt sagt, er wünscht sich eine „rechte konservative Revolution“, dann weiß ich nicht, was der in den letzten zwei Jahren gemacht hat, denn es gab in der ganzen Welt und vor allem auch in Deutschland einen Rechtsruck.

Warum habt ihr eure neue Platte eigentlich „Utopia“ genannt? Eine schöne, sorgenfreie Zukunftsvision zeichnet ihr in den Texten ja nicht gerade ...

Trotz all der ganzen Scheiße auf der Welt mit all diesen Trumps und Erdogans und AfDs muss man ja trotzdem an irgendetwas Gutes glauben. Dass es immer noch einen positiven Aspekt gibt. Dass die Leute immer noch auf unsere Konzerte kommen oder andere linke Bands hören. Bands wie FEINE SAHNE FISCHFILET, die immer große Parties feiern, obwohl sie politisch sehr aktiv sind. Daran merkt man, dass es für eine positive Sicht auf die Welt noch nicht zu spät ist. Eine Utopie kann ja für jeden etwas anderes bedeuten. Für mich ist es ein friedliches Zusammenleben mit allen, ohne dass man Menschen nach Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft beurteilt.

Ihr seid ja bekannt als politisch engagierte Band. Zum Song „Schiffbruch“ gibt es zum Beispiel ein Video, in dem man euch auf einem Flüchtlingshelfer-Boot im Mittelmeer sieht. Und jetzt gibt es den Song „Faust hoch“ mit dem auch eine Aufklärungskampagne verbunden ist. Worum geht es dabei?

Kurz vor der Bundestagswahl haben wir diese Kampagne „Faust hoch“ gestartet. Wir wollten uns einfach mit anderen Bands und Leuten vernetzen, die auch sagen: Faust hoch gegen die AfD! Wir wollten damit zeigen, dass wir auch ein Sprachrohr sein können, deshalb wollten wir mit Info-Materialien auf den Konzerten Leute aufzuklären, die noch nicht Bescheid wissen. Wir waren ziemlich überrascht vom großen Zuspruch, weil es eben schon verschiedene Kampagnen wie „Kein Bock auf Nazis“ oder Organisationen wie Pro Asyl oder Oxfam gibt, die wir auch schon seit Jahren unterstützen. Dass die Leute das Thema immer noch nicht satt haben, lässt uns hoffen. Deswegen feiern wir es total, dass wir so viel Unterstützung bekommen haben.

Ein anderer Song heißt „Mein Name ist Mensch“. Gibt es eine Verbindung zum gleichnamigen Song von TON STEINE SCHERBEN?

„Mein Name ist Mensch“ von den Scherben besitzt natürlich ein ähnliches Thema, aber ist ein völlig anderer Song. Wir haben versucht, die Zerstörungswut durch den Menschen noch aktueller zu beschreiben. Dass es nur noch ums Geld geht, dass unser Planet kaputt gemacht wird und dass Politiker wie Donald Trump Umweltzerstörungen komplett ignorieren. Solche Menschen interessieren sich nur für Steuererleichterungen für irgendwelche Unternehmen. Das finden wir ziemlich schräg.

Was ihr mit den Scherben gemeinsam habt, ist, dass ihr textlich ziemlich direkt seid und schnell auf den Punkt kommt.

Ich glaube, dass viele Menschen keine genügend lange Aufmerksamkeitsspanne mehr besitzen, um sich intensiv mit einer Band und ihren Texten zu beschäftigen. Die hören einen Song über Spotify und dann muss es eben gleich krachen. Deswegen wollen wir unsere Botschaft so direkt wie möglich formulieren, damit die Leute sofort kapieren, was wir zu sagen haben. Deshalb haben wir uns bewusst für eine sehr direkte Sprache entschieden.

„Utopia“ ist das erste Release auf eurem eigenen Label Dynamit Records. Warum ein bandeigenes Label?

Wir wollten uns einfach von niemandem mehr reinreden lassen. Als zum Beispiel SÖHNE MANNHEIMS ein neues Album herausgebracht haben, gab es doch einen großen Aufschrei, dass Xavier Naidoo antisemitische Äußerungen getätigt habe und den Reichsbürgern nahe stehe. Daraufhin haben wir einen Song namens „Hurensohn Mannheims“ veröffentlicht, in dem wir Naidoo ein bisschen dissen. Dann gab es auch gleich einen ordentlichen Shitstorm auf Facebook, und von einem Label, mit dem wir damals in Kontakt standen, wurde uns gesagt: So etwas könnt ihr nicht machen. Dann haben wir gesagt: Okay, dann kommen wir auch nicht zusammen. Deswegen haben wir uns entschieden, das jetzt lieber selbst zu machen.

Wie kam es denn, dass ihr in Erfurt und Magdeburg zwei Shows mit BETONTOD gespielt habt?

Irgendwann wurden BETONTOD in so eine Grauzonen-Ecke gedrängt, wahrscheinlich weil sie ein paar komische Konzerte gespielt haben. Ich konnte das aber noch nie nachvollziehen und als wir dieses Wochenende mit denen gespielt haben, ist mir auch überhaupt nichts aufgefallen. Die haben fast mehr politische Ansagen gemacht als wir. Das war für uns ein rundes Wochenende. Ich kenne Maik, den Schlagzeuger von BETONTOD ganz gut und der hat uns irgendwann mal gefragt, ob wir mit ihnen mal spielen wollen und wir haben spontan zugesagt.