40 Jahre später: BUZZCOCKS - Another Music In A Different Kitchen (LP, United Artists, 1978)

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Die BUZZCOCKS machten zum ersten Mal 1977 mit der EP „Spiral Scratch“ auf sich aufmerksam, aus meiner Sicht ein ewiger Klassiker des Punkrock. Auf dieser fanden sich vier Tracks aus der ersten Demo-Aufnahmesession der Band. Am Mikro agierte damals noch Howard Devoto, welcher die Band kurz nach dieser Platte verließ, um sein eigenes Projekt MAGAZINE zu gründen. Howard Devoto war ein herausragender Sänger, gleichermaßen melodisch und aggressiv, mit einer Stimme, die eher im Hochtonbereich angesiedelt war. Gitarrist und Mitbegründer der BUZZCOCKS, Pete Shelley, übernahm an seiner Stelle zusätzlich den Gesang – und setzte in puncto Stimmhöhe, inklusive einer gewissen Leidensfähigkeit und Verzweiflung, noch einen drauf. Dieses war von Beginn an ein Alleinstellungsmerkmal der BUZZCOCKS, im Verlauf der erst einmal recht kurzen Karriere (um sich Anfang der Neunziger Jahre wieder zu vereinigen) noch unterstützt durch eine Flut an Hits und Ohrwürmern, welche bis heute Bedeutung haben. Anders als bei den ebenfalls sehr poppigen UNDERTONES schwang bei den BUZZCOCKS eine deutlich dreckigere Attitüde im Songwriting mit, auch wenn die Texte nicht von politischen, sondern eher von Dingen des täglichen Lebens handelten, wie beispielsweise Liebe, Sex, Telefone und Autos. Nach dem Abgang von Howard Devoto wechselte Steve Diggle außerdem vom Bass an die zweite Gitarre, John Maher übernahm das Schlagzeug, Garth Smith kurzfristig den Bass, er wurde dann aber bald durch Steve Garvey ersetzt.

In dieser Besetzung spielte die Band „Another Music in A Different Kitchen“ ein. THE CLASH waren politisch, die SEX PISTOLS wild, RAMONES schnell, WIRE rudimentär – aber die BUZZCOCKS waren außergewöhnlich. Krachig und melodisch zugleich, mit dem Gespür für tolle Arrangements. Songs wie „Fast cars“, „No reply“ oder „Love battery“ knüpften an die Rotzigkeit von „Spiral Scratch“ an, doch Tracks wie „I don’t mind“, „Get on your own“ oder „I need“ standen bereits Pate für die poppige Seite der Band, welche sich im gleichzeitigen, immensen Output von sieben (!) Singles und der zweiten LP „Love Bites“ im Jahr 1978 verfestigte. Denn diese Flut an Tonträgern beinhaltete Evergreens wie „What do I get?“, „Ever fallen in love“ oder „Promises“. Dazu kommen noch der ungewöhnliche, sieben Minuten lange und von Drumrolls geprägte Song „Moving away from the pulsebeat“ und das kraftvolle, treibende „Autonomy“. „Another Music in A Different Kitchen“ zeugt sowohl von der Vielseitigkeit der Band als auch deren Mut, Konventionen, die dem Punkrock anhafteten, einfach über Bord zu werfen.