MYRA

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Metalcore-Klassenfahrt für Erwachsene

MYRA, das ist hausgemachte Leidenschaft aus Leipzig, und das nun schon seit über einer Dekade im Bereich Metalcore. Grund genug, um uns mit Bassist Felix über wichtige neue Dinge zu unterhalten, unter anderem die Crowdfunding-Idee zur Finanzierung des neuen Albums.

Felix, hat euer Bandname etwas mit der türkischen Stadt Myra zu tun, wo ja der Bischof Nikolaus Gutes getan haben soll, oder standen andere namentliche Assoziationen Pate für euch?


Es wird auf jeden Fall Zeit, dass der Nikolaus mal wieder etwas Gutes tut in der Türkei. Egal ob man etwas über Deniz Yücel liest oder über die Behandlung von Flüchtlingen in türkischen Auffanglagern oder eine gewisse Humorlosigkeit gegenüber deutscher Satire – da hat der Nikolaus 2018 eine Menge Hausaufgaben auf. Mit unserem Namen hat das allerdings wenig zu tun. Sachen, die man liebt, gibt man gern schöne Namen und MYRA war für unsere Kapelle einfach passend.

Ihr geht mit der Band ins 15. Jahr, da gab es ja einige Besetzungswechsel, unter anderem auch am Mikro. Sänger sind ja immer so etwas wie das Aushängeschild einer Band. Mit Sebastian „Spüle“ Spillner ist seit einigen Jahren ein Fast-Gründungsmitglied wieder an Bord, der Florian Batze ersetzt. Erzähl doch mal, warum ihr Spüle wieder an Bord habt, obwohl das mit Flo aufgenommene „Valley“ eigentlich euer „professionellstes“ Album war.

Erst einmal freue ich mich jedes Mal wieder, dass wir nach fast 15 Jahren immer noch zusammen unterwegs sind. Wenn wir so an die anderen Bands aus den Anfangstagen denken, sind da nur noch sehr wenige übrig geblieben. Generell habe ich das Gefühl, dass Musik heute für viele eher ein Projekt ist. Das war bei uns immer anders, es gibt nichts Geileres, als mit seinen Freunden unterwegs zu sein und Shows zu spielen, Songs zu schreiben oder Platten aufzunehmen. Nur weil etwas Neues angesagt ist oder das eigene Genre gerade nicht im Trend liegt, gleich eine neue Band zu gründen, das kam für uns nicht in Frage. Dass Spüle damals die Band verlassen hat, lag an einer räumlichen Distanz, die für diesen Zeitraum einfach nicht zu überbrücken war. Umso dankbarer waren wir Flo für seinen grandiosen Einsatz und seine Mitarbeit an unserem letzten Album „Valley“. Leider kam es im Zuge der Konzerte, die wir im Rahmen der Platte gespielt haben, zu einem unangenehmen Vorfall, so dass die ganze Nummer einen ordentlichen Dämpfer bekommen hat. Zum Glück hat es Sebastian damals wieder nach Leipzig verschlagen, so dass wir relativ zeitnah wieder loslegen konnten. Wie du schon sagst, ist er Fast-Gründungsmitglied und es ist einfach cool, dass wir wieder in gewohnter Formation am Start sind. Wir haben übrigens auf unserer neuen Platte einen Song geschrieben, der sich genau damit auseinandersetzt, also unbedingt „Together“ auschecken!

Ihr habt das Album „Valley“ unter der Regie von Tue Madsen aufgenommen und es hat in vielen Reviews gute Kritiken erhalten. Erzähl uns ein bisschen darüber, wie dies so funktioniert hat. Und wie habt ihr das finanziert, da man euch ja eigentlich immer noch dem Underground zuordnet?

Aufgenommen haben wir bei Jacob Bredahl, der ebenfalls in Dänemark sein Dead Rat Studio hat. Tue hat die Platte dann gemixt und gemastert, wie übrigens auch unsere EP, die nach der „Valley“ erschienen ist. Es war schon immer unser Traum, mal eine Platte fern von zu Hause aufzunehmen, und dann mit solchen Koryphäen zu arbeiten, war die absolute Krönung. An die Zeit in Dänemark werden wir uns auch sicher immer erinnern, das war ein bisschen wie Klassenfahrt für Erwachsene. Zum Thema Finanzierung muss ich sagen, dass die Dinge damals insgesamt auch für Underground-Bands noch anders liefen. Wir haben unsere ersten beiden Alben „The Venom It Drips“ und „Godspeed“ komplett ausverkauft, und in einer Prä-Spotify-Deezer-Welt konnte man so seine Platte finanzieren. Mittlerweile müssen auch wir neue Wege gehen.

Das vorletzte Album der Death-Metal-Band OBITUARY „Inked In Blood“ wurde ja via Crowdfunding finanziert. Ihr wollt euer neues Album namens „FCK VLK“ jetzt ebenfalls „fremdfinanzieren“. Wie läuft es, was kann man tun, wo kann man sich informieren?

Wenn man sieht, dass selbst namenhafte Bands wie OBITUARY oder DARKEST HOUR so einen Weg gehen, bekommt man vielleicht ein Gefühl dafür, dass etwas falsch läuft. Eigentlich kann man ja auch nicht von „Fremdfinanzieren“ sprechen, denn im Grunde machen wir nichts anderes als vorher: Unsere Fans kaufen unsere Platten, Shirts, Tickets etc. und wir können damit die Aufnahmen zumindest anteilig bezahlen. Früher gab es Vorschüsse von Indielabels oder man hatte durch Gagen oder Plattenverkäufe einfach genug übrig, das hat sich aber radikal geändert. Du bist heute froh, wenn du bei Shows nicht draufzahlst und vielleicht hier und da mal etwas hängenbleibt. Trotzdem ist uns Musikmachen und das in guter Qualität enorm wichtig, und wir sind super dankbar, dass wir viele Fans haben, denen es das auch wert ist. Wir haben es ja auch mit Hilfe der vielen Unterstützer geschafft, „FCK VLK“ aufzunehmen. Riesen Dank noch mal an euch da draußen!

2009 habt ihr beim With Full Force Festival gespielt, wenig später habt ihr dann noch für LIMP BIZKIT eröffnet. Wie sah sonst der Tour- und Showkalender aus?

Das waren auf jeden Fall zwei absolute Highlights in unserer Bandhistorie, auf die noch viele folgten. Gerade im vergangenen Herbst haben wir eine kleine Minitour mit den Prog-Metallern DISILLUSION gespielt und auch für 2018 stehen schon ein paar Shows im Kalender. Generell sind die Live-Auftritte so etwas wie der Motor der Band und wir freuen uns auf alle zukünftigen Konzerte, egal ob fettes Open Air oder kleine Club-Show.

Je nach Quelle seid ihr mal eine Hardcore- oder Metalcore- und manchmal auch eine Metal-Band. Was passt für dich am besten?

Irgendwie passt das doch alles und auch wieder nicht. Wir sind über die Jahre immer mal in die eine oder andere Richtung ausgebrochen, ohne uns darüber zu viele Gedanken zu machen. Wie viele Hardcore-Bands haben wir eine politische Message, die man in der Metal-Szene leider manchmal vermisst. Musikalisch würde ich uns dann allerdings doch eher ins Metal-Genre einordnen. Aber da darf sich gern jeder selbst eine Meinung bilden. Entscheidend ist, dass man nicht aufhört, über den Tellerrand zu schauen, denn dann verpasst man eine ganze Menge.

Schon früher habt ihr euch für viele Dinge engagiert, unter anderem gab es eine Kampagne für peta2. Gerade jetzt sind klare Bekenntnisse wichtig. Was ist euch als Band aus Deutschlands wildem Osten wichtig in Zeiten von PEGIDA, AfD und Terrorismus?

Wie du sagst, sind wir schon immer eine Band mit klarer Message gewesen, und egal, ob man sich für peta2 oder gegen Rassismus engagiert, wichtig ist, dass man es tut. Nicht ohne Grund haben wir unsere neue Platte „FCK VLK“ getauft, weil uns gewisse Strömungen hier, aber auch überall in der Welt massiv stören. Dieser rückwärtsgewandte, völkische Traditionalismus/Nationalismus, nenn es, wie du willst, ist unerträglich. Hier laufen Leute durch unser Land, brüllen den gleichen Unsinn wie vor achtzig Jahren und berufen sich dann auf die Meinungsfreiheit, die sie am liebsten abschaffen würden. Hier in Sachsen sitzt die AfD im Landtag und an jeder Ecke werden alte Ressentiments wieder aufgebrüht. Wir versuchen, uns davon nicht entmutigen zu lassen und es im Rahmen unserer Möglichkeiten an allen Stellen zu bekämpfen. Unsere Platte setzt sich in vielen Texten genau damit auseinander, denn auf diese Weise können wir uns ausdrücken und ein bisschen Sprachrohr für ein anderes Sachsen oder Ostdeutschland sein.

Im Rahmen des Lifestyles geht ja eure bandinterne Richtung ziemlich auseinander. Du bist eher straight edge, während Gitarrist Heavy ja schon gerne mal ein Gläschen Hochprozentiges präferiert. Wie sieht das im alltäglichen Bandleben oder auf Tour aus, gibt es da auch mal Auseinandersetzungen? Und wie stoßt ihr auf gelungene Projekte an?

Tja, Geschmäcker sind verschieden und so ist das eben auch bei uns. Ich sage euch, ob man mit Bier oder Brause anstößt, macht für den Moment keinen Unterschied und hat auch bei uns noch nie zu Auseinandersetzungen geführt. Im Gegenteil, je weniger von uns trinken, desto mehr bleibt für Heavy!