NORWEGISCHER HARDCORE/PUNK IN DEN ACHTZIGERN (TEIL1)

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Teil I

DIE URSPRÜNGE DER BANDS

Es scheint, als ob die Anzahl der Punk- und Hardcore-Bands während den Achtziger Jahren in Europa schier unüberschaubar war. Punk vermittelte, dass man kein abgeschlossenes Musikstudium benötigte, um diese Art von Musik zu spielen, da sie einfach und direkt war. Die Motivation für viele Bands war es, ihre Wut und Aggressivität laut und unmittelbar zum Ausdruck zu bringen. Musik und Texte wurden zu unserer Art, gegen die Scheiße zu protestieren, die sich um uns herum abspielte. Natürlich gab es auch Bands, die sich mehr für den Fun interessierten oder Freund Alkohol abfeierten. Aber in den meisten Fällen waren die Gründe, die Punks dazu veranlassten, eigene Bands zu gründen und aktiv zu werden, der negative Zustand der Gesellschaft sowie die politischen Bedingungen und Trends. Während der frühen Achtziger Jahre haben die meisten der jungen Punk- und Hardcore-Bands kaum Shows spielen können, da es fast nur rein kommerzielle Clubs gab. Daher bauten sich die Bandmitglieder sowie zahlreiche weitere Leute aus der Szene eine eigene Infrastruktur auf, die es ermöglichte, Hardcore-Punk-Shows zu veranstalten und selbst organisierte Tourneen zu spielen, was zu einem intensiven Austausch mit ähnlich denkenden Menschen in anderen Städten und Regionen oder Ländern führte. Viele Freundschaften in verschiedenen europäischen Punk-Szenen, die in dieser Zeit entstanden sind, dauern bis heute an. Deshalb befragte ich einige Mitglieder von nicht mehr existierenden oder noch aktiven norwegischen Bands zu den Anfängen in den frühen Achtziger Jahren.

Jens-Petter Wiig, ANGOR WAT


ANGOR WAT starteten 1981. Außer unserem Gitarristen hatte niemand vorher in einer Band oder auch nur irgendein Instrument gespielt. Ich kaufte mein Schlagzeug zwei Tage vor unserer ersten Probe, während unser Gitarrist eine selbstgebaute Gitarre mit nur fünf Saiten hatte. Wir baten einen Freund von uns, einen Verstärker für unseren Sänger zu bauen. Es gab überhaupt kein Ziel, wir wollten nur sehen, ob wir zusammen Musik machen können. Vor unserer ersten Probe entschieden wir uns, „A look at tomorrow“ von DISCHARGE zu lernen, und das war der erste Song, den wir spielten. DISCHARGE waren sehr wichtig, denn sie klangen wie etwas, das wir spielen konnten. Die frühen Punkbands wie CLASH, SEX PISTOLS, DAMNED, RUTS und so weiter waren für uns anfangs viel zu gute Musiker, als dass wir uns darauf beziehen konnten.

Gunnar Nuven, SVART FRAMTID, KAFKA PROSESS, SO MUCH HATE

Wir wollten etwas mit der Band erreichen. Zum einen wollten wir erst einmal unseren Lebensstil durchsetzen und auch dafür sorgen, dass für uns ein Platz in der Gesellschaft da war. Und dann war es natürlich auch der Musikstil, der uns gefallen hat. Und wir wollten natürlich auch politisch etwas erreichen. Es muss 1983 gewesen, als wir SVART FRAMTID gegründet haben. Am Anfang war das alles ziemlich schwierig, weil wir keinen eigenen Proberaum hatten. Wir haben uns deshalb immer in irgendwelche anderen Proberäume eingeschlichen. Auf jeden Fall hat es eine Weile gedauert, bis aus SVART FRAMTID eine ernsthafte Band geworden war. Mit SVART FRAMTID haben wir dann eine Single auf unserem eigenen Label X-Port Plater herausgebracht. Danach gab es noch eine Kassette mit vier Songs. Mehr haben wir nicht eingespielt. Danach ist die Band auseinandergegangen. Ein Teil der Band wollte die ganze Sache ernsthafter betreiben, während der andere Teil ernsthafter saufen wollte. Irgendwann hatten unser Bassist Nils und ich die Schnauze voll. Die Probleme zogen sich über einen längeren Zeitraum hin, wir hatten dann einfach keinen Bock mehr.

1985 haben wir mit KAFKA PROSESS weitergemacht. Das waren Nils an der Gitarre, Fridtjof am Bass und Thomas, der vorher bei BANNLYST gespielt hatte, am Schlagzeug. Die Split-LP mit DISORDER zu veröffentlichen, hat sich durch unsere gute Freundschaft fast von selbst verstanden. Wir hatten Konzerte mit DISORDER in England gespielt und anschließend noch mehrmals zusammen mit ihnen in Norwegen. Teilweise haben einige Leute von DISORDER es nicht geschafft, nach England zurückzukommen. Die waren dann Halb-Norweger. Der Grund für die Auflösung von KAFKA PROSESS waren musikalische Differenzen innerhalb der Band. Einige in der Band tendierten dazu, die melodische Seite zu bevorzugen, während ich gerne in eine schnellere Richtung gegangen wäre. Zu dieser Zeit begann Nils bereits, mit den RAGA ROCKERS zu spielen, die kurz darauf in Norwegen richtig groß wurden. Nils und ich haben fast alles für die Band gemanaget, und nachdem wir diese letzte Show in Kopenhagen gespielt hatten, wussten wir sicher, dass wir uns nach der Rückkehr nach Hause als Band trennen würden.

1987 haben sich dann SO MUCH HATE gegründet. Das war bereits vor dem Ende von KAFKA PROSESS geplant, weil es klar war, dass die Leute von BANNLYST von Molde nach Oslo ziehen werden. Danach stand schnell fest, dass sie als Band aufhören und wir dann etwas zusammen machen würden. Erst war Per-Arne gekommen und danach Börre und Finn-Erik. Es war also nicht so, dass KAFKA PROSESS sich wegen SO MUCH HATE aufgelöst hatten. Das Ende wäre sowieso gekommen, da wir uns musikalisch auseinanderentwickelt haben und unterschiedlicher Meinung waren, wie es weitergehen sollte. Das hat einfach nicht mehr funktioniert. Deswegen war das damals ein eher unspektakulärer Übergang.

Roger Andreassen, BARN AV REGNBUEN, LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT?

Mit LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT? ging es durch eine Art Unfall in Oslo im Sommer 1988 los. Ich und mein Bruder Tom hatten einige Jahre lang zusammen in einer Hardcore-Band namens BARN AV REGNBUEN gespielt. Es war eine ziemlich extrem klingende Band, verglichen mit dem Sound der meisten Gruppen damals. Ziemlich stark beeinflusst von „Land Speed Record“ von HÜSKER DÜ und verhasst in unserer Heimatstadt Harstad im hohen Norden Norwegens. Wir hatten ein paar Gigs in Oslo gespielt und kamen gut mit der dortigen Szene zurecht, so dass wir uns entschlossen haben, nach Süden zu ziehen. Allerdings war unser Schlagzeuger zu diesem Zeitpunkt erst 14 Jahre alt, also blieb er zurück, um die Schule zu beenden. Auf der Suche nach einem neuen Schlagzeuger versuchten wir, mit ein paar anderen Leuten zu spielen, und fanden Dyret, der ebenfalls aus dem Norden Norwegens stammt. Wir passten sowohl sozial als auch musikalisch gut zusammen, aber sein Drumstil klang überhaupt nicht wie der Schlagzeuger von BARN AV REGNBUEN.

Das war der Anfang von etwas Neuem. Da die Musik, die wir mit Dyret gemacht haben, um einiges langsamer und melodischer klang, als wir es von BARN AV REGNBUEN gewohnt waren, passte damit auch der alte Gesangsstil, der mehr ein Schreien war, nicht mehr dazu. Wir brauchten eine Sängerin. Mir ist Katja aufgefallen, als sie im Blitz-Squat im Café arbeitete. Sie war jung, wütend, und hatte eine intensive Ausstrahlung, die sofort Aufmerksamkeit erregte. Es gab keine Möglichkeit, sie zu ignorieren. Du hast sie geliebt oder gehasst. Ich bat sie, zu einer Probe zu kommen, damit sie sehen konnte, was wir vorhatten, und es zeigte sich, dass sie einfach ein natürliches Talent für Punkrock-Gesang hatte. Wir waren eine Band! Katja Benneche Osvold – Gesang; Roger Andreassen – Gitarre; Tom Andreassen – Bass; Geir Petter Jensen alias Dyret – Schlagzeug.

Frank Østrem, FADER WAR

Wir gründeten die Band, weil es für Jugendliche in unserem Alter nichts anderes zu tun gab, als rumzuhängen und uns zu besaufen. Wir mussten selbst aktiv werden, um etwas zu erreichen. Wir waren von der D.I.Y.-Bewegung beeinflusst und wollten unsere Gedanken, unsere Erfahrungen mit dem damaligen Systems und all das Schlechte, das Religion verursacht, herausschreien.

Finn-Erik Tangen, BANNLYST

BANNLYST wurden 1982 in meiner Heimatstadt Molde gegründet. Molde ist eine Kleinstadt in Norwegen, 1982 betrug die Einwohnerzahl circa 20.000. Ich begann 1980/81, in meiner ersten Punkband zu spielen. Sie hieß NEVROSE und war im Grunde genommen eine Coverband, die Songs von den frühen englischen und amerikanischen Punkbands spielte. Keiner von uns hatte jemals zuvor ein Instrument in der Hand, und ich bekam den Job als Sänger. Wir haben am Ende ein paar eigene Songs geschrieben. Es gibt ein Stück von NEVROSE auf der norwegischen Compilation „Hurra For Norge – Norsk Pønk-Rock Vol. 5“, es heißt „Tvilsom frihet“. Jedenfalls warteten wir eines Tages im Proberaum, als unser Gitarrist auftauchte und uns erzählte, dass er plötzlich herausgefunden hätte, dass Punkrock beschissen sei und er die Band verlassen würde. Das war das Ende von NEVROSE. Wir teilten uns den Proberaum mit einigen anderen Jungs, die erst ein paar Wochen vorher eine Band gegründet hatten, und ich beschloss, sie mir anzusehen. Die Jungs hatten alle schon in Punkbands gespielt. Der Bassist Per Arne Haugen war vorher mit dem Schlagzeuger Geir Danielsen in der Band STYGGE FØT, an der Gitarre war Børre Løvik von der Band SKABB. Ich ging zu ihnen und erzählte, dass NEVROSE sich aufgelöst hätten und der Schlagzeuger sagte: „Du singst jetzt bei uns.“ Also blieb mir nichts anderes übrig, als das Mikrofon zu schnappen und zu schreien.

Etwa ein Jahr später verließ der Schlagzeuger die Band und wurde durch Thomas Fosseide von der Band PSYKISK TERROR ersetzt. Ein paar Jahre später spielte Thomas Schlagzeug in Bands wie KAFKA PROSESS und STENGTE DØRER. Das erste Mal, dass ich mich erinnern kann, von Punk gehört zu haben, war, als ich in einer Zeitung ein Bild einer Band sah, die am Vortag, am 20. Juli 1977, in Oslo gespielt hatte. Die Band waren die SEX PISTOLS und das war etwas, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich dachte: Was zur Hölle ist das hier?! Es war das ganze Auftreten der Jungs in der Band, einer von ihnen trug nur seine Leopardenunterhose und bespritzte die Journalisten mit Bier. Das war eine Zeit, in der in Norwegen Bands wie SMOKIE und BONEY M angesagt waren – aber das war ... anders. Erst ein paar Jahre später bekam ich endlich eine Kassette von „Never Mind The Bollocks“ von einem Klassenkameraden, der sie sich gekauft hatte und sie hasste. Als ich mich an das Bild erinnerte, das ich in der Zeitung gesehen hatte, kaufte ich sie ihm ab und ging nach Hause, um sie mir zum ersten Mal anzuhören. Und es hat mich total umgehauen. Ich habe es sofort geliebt und es war wie eine Sucht, ich kann es nicht anders beschreiben. Für mich war das der Grund, in den Punkrock einzusteigen und schließlich selbst in einer Band zu spielen.

Ein weiterer großer Einfluss war eine Band aus Molde namens ANFALL. Ihr Gitarrist Anders Eide zog später nach Oslo und spielte dann bei SVART FRAMTID. Sir waren noch ziemlich jung und spielten Cover von frühen Punkbands. Und sie waren einfach brillant. Es waren ungefähr die ersten Konzerte, die ich je gesehen habe, und es hat mich sehr beeindruckt. Also dachten wir, vielleicht kriegen wir das auch hin. Die Hauptmotivation für die Gründung einer Band war damals also, dass wir ein Teil dieser neuen Bewegung sein wollten, weil sie so voller Energie war und eine Alternative bot zur öden Normalität des Alltags. Natürlich behaupteten bereits 99,99 % der Leute in der Schule und zu Hause, dass Punkrock tot sei – so stand es in der Zeitung – und du im Grunde ein verdammter Idiot wärst, wenn du deine Zeit damit verschwendest. Nun, die Idioten waren sie, weil sie etwas verpasst haben.

Kjartan Kristiansen, WANNSKRAEKK

Wir haben irgendwann im Frühjahr 1978 angefangen. Es gab eine Party und jemand hatte das DAMNED-Album mitgebracht, und als ich diesen Krach hörte, wusste ich einfach, dass mein Leben nie mehr so sein würde wie früher. Wir fingen noch in dieser Nacht an Pläne zu schmieden. Am nächsten Tag rief ich den Sänger der Coverband an, in der ich seit ein paar Jahren spielte, und erzählte ihm, dass etwas passiert sei, und es gäbe diese Sache namens Punkrock, und ich müsste die Band verlassen, weil echte Bands ihre eigenen Songs schreiben. Vorher hatte ich keine Ahnung von Punkrock. Ich wohnte in der dritten Stadt südlich vom Nordpol und meine Freunde und ich langweilten uns zu Tode, so dass die Entdeckung von „Zieh an, was immer du willst, und spiele laute, schnelle und widerwärtige Musik“ uns sehr willkommen war. In einer Band zu sein und das „Wir gegen die“-Gefühl war die einzige Belohnung.

Viggo Mastad, ANGOR WAT, ISRAELVIS

ISRAELVIS waren eine Erweiterung von ANGOR WAT. Nach einigen Besetzungswechseln wurde uns bei ANGOR WAT klar, dass es Zeit für einen Neuanfang war, da sich sowohl die Bandmitglieder als auch die musikalischen Einflüsse im Laufe der Jahre verändert hatten. Die Wurzeln der Band lagen immer noch sehr stark im Punkrock und in der Independent-Musikszene, aber ISRAELVIS wollte sich nie auf einen bestimmten Musikstil beschränken. Der Hauptgrund, in einer Band zu sein, war der gleiche, der es immer war: die Möglichkeit, Ideen durch Musik und Worte auszudrücken und die D.I.Y.-Idee durch Plattenaufnahmen und Tourneen zu fördern.



EINFLÜSSE

Niemand kann ernsthaft behaupten, in der Jugend nicht auf die eine oder andere Weise von einer bestimmten Band oder Einzelperson beeindruckt gewesen zu sein. Aber was hat die verschiedenen Bands in Norwegen beeinflusst? Wie fühlte es sich an, in den Achtziger Jahren eine Band zu gründen? Was waren die Dinge, die damals für die Bandmitglieder wichtig waren?

Roger Andreassen, LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT?


Ich schätze, man könnte sagen, dass wir Texte zu vielen verschiedenen Themen hatten, sowohl politisch als auch inspiriert durch zwischenmenschliche Beziehungen, also eher auf einer persönlicheren Ebene. Nach einer Weile wurde es für mich und Katja wichtig, Texte zu schreiben, die je nach Zuhörer unterschiedlich interpretiert werden konnten. Meistens geschah dies absichtlich, aber von Zeit zu Zeit kamen Leute auf mich zu, die mich baten, ihnen Teile von Texten zu erklären, die für sie eine völlig andere Bedeutung hatten. Ich finde, das ist eine tolle Sache. Eindimensionale Texte sterben schnell. Wenn sie für unterschiedliche Menschen eine unterschiedliche Bedeutung haben, bleiben sie lebendig. Wow, ich schätze, wir sind Dichter, haha!

Kjartan Kristiansen, WANNSKRAEKK

Da ich damals 15 Jahre alt und nie irgendwo ohne Mama und Papa war, denke ich, dass meine Einflüsse wenig mit der Band zu tun haben. Bis zu dieser THE DAMNED-Erfahrung hörte ich die ROLLING STONES, Alex Harvey, NAZARETH, DEEP PURPLE, aber dann entdeckten wir Stiff Records und die unzähligen Bands, die in England auftauchen. Zu viele, um alle zu erwähnen, und die meisten von ihnen haben nur eine einzige Platte gemacht. Wir waren sehr offen und beeinflusst von sämtlichen Krach, der in den späten Siebziger, frühen Achtziger Jahren erzeugt wurde, von SEX PISTOLS über THE CURE zu CRASS zurück zu JOHNNY MOPED, ONLY ONES, Iggy Pop, RAMONES, BLONDIE ... die Liste ist endlos!

Finn-Erik Tangen, BANNLYST

Früher waren Punk-Einflüsse nicht leicht zu finden, denn die Plattenläden in Molde waren nicht gerade gut mit Punkrock-Scheiben bestückt. Wenn man Glück hatte, fand man etwas von RAMONES, SHAM 69 oder BUZZZCOCKS. Ich habe mir dieses englische Magazin namens Sounds gekauft. Darin gab es früher kleine Anzeigen für Indie-Plattenläden/Labels wie Small Wonder und Rough Trade, und wir kauften im Grunde genommen alles mit einem Bandnamen, der so klang, als ob sich eine Punkband dahinter verbergen könnte. Von den norwegischen Bands muss ich die „Spontan Abort“-7“ von BETONG HYSTERIA erwähnen. Sie kam Anfang 1982 raus und war definitiv sehr wichtig für mich. Aber sonst beeinflussten uns um 1982 herum hauptsächlich die englischen und frühen amerikanischen Bands wie DISCHARGE, BLACK FLAG, CRASS, HÜSKER DÜ, „Hardcore 81“ von D.O.A. und die erste LP von MDC. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich in dieser Zeit die erste BAD BRAINS-Kassette gehört habe. Aber es gibt so viele Bands, dass ich nicht wirklich sagen kann, ob mich diese oder jene Platte mehr beeinflusst hat als andere, bei mir war es mehr das ganze Punk/D.I.Y.-Ding, das mich dazu brachte, selbst Musik und Texte zu schreiben.

Wir wollten unbedingt spielen und ein Teil von Punkrock sein, aber wir wollten einen Sound machen, der uns gehört, und nicht wie die Kopie einer anderen Band klingt. Das war sehr wichtig für uns damals bei BANNLYST. Wir wollten keine Regeln, wenn wir Musik machen. Die Bands, die wir am meisten mochten, waren die, deren Sound irgendwie einzigartig war. Ob uns das selbst gelungen ist, müssen andere beurteilen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass BANNLYST damals kritisiert wurden, weil wir zu viele Gitarrensoli hatten, ich meine, what the fuck? Wenn es euch nicht gefällt, hört nicht hin. Meiner Meinung nach sollte Punkrock bedeuten, alles zu tun, was man will. Scheiß auf die Regeln! Regeln sind der Feind der Kreativität. Das Wichtigste für uns war, als Freunde und Verbündete etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen, ob wir jetzt Musik machten oder den Übungsraum einrichteten, Fanzines veröffentlichten oder Gigs organisierten, für etwa 13 zahlende Zuschauer, wie 1984 beim BANNYLYST- und ANGOR WAT-Konzert in Molde. Aber es war uns egal, wir hatten die beste Zeit unseres Lebens.

Jens-Petter Wiig, ANGOR WAT

Es war 1981, also war unser Haupteinfluss Hardcore und vor allem DISCHARGE, obwohl wir selbst nie so klangen. Aber wir hörten uns eine Menge anderer Sachen an, auch Nicht-Punk-Sachen. Ich schätze, unsere Lieblingsbands waren damals DISCHARGE, CRASS, BIRTHDAY PARTY, KILLING JOKE, RUDIMENTARY PENI, RESIDENTS und EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN.

Viggo Mastad, ISRAELVIS

Es gibt eine lange Reihe von musikalischen Einflüssen, beginnend in den frühen Siebziger Jahren, was die gesamte Geschichte von Punk und New Wave einschließt. Am wichtigsten war uns wohl die Anarchopunk-Szene und insbesondere die Platten von CRASS. Dies war bei ANGOR WAT sehr offensichtlich, ist aber auch ein wesentlicher Teil des Hintergrunds von ISRAELVIS. Zu der Zeit, als ISRAELVIS Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger Jahre begannen, sahen wir eine Menge Bands, die eine mal mehr, mal weniger aufregende Mischung aus Punk und Metal spielten, aber auch andere, die sich der verfügbaren Technik wie Sampler und Sequenzer bedienten. So könnte man sagen, dass Bands wie VOIVOD, PRONG, MELVINS und sogar MINISTRY, PRODIGY oder YOUNG GODS unseren Musikstil beeinflusst haben. Gleichzeitig war es uns wichtig, Teil der Independent-Musikszene zu sein. Um das zu erklären, könnte ich hinzufügen, dass Punk für uns schon immer so viel mehr war als eine bestimmte Art von Songs oder Gitarre und Schlagzeug zu spielen. Es bedeutete und bedeutet auch, den musikalischen und textlichen Ausdruck weiterzuentwickeln, offen zu sein für neue musikalische Ideen und für das Kombinieren verschiedener Stile und Genres. So erreichten ISRAELVIS nicht nur die eingefleischten Punk-Puristen, sondern ein Publikum, das offen war für diesen fast experimentellen Ansatz.

Frank Østrem, FADER WAR

CRASS und DISCHARGE waren damals unsere musikalischen und menschlichen Vorbilder. D.I.Y., Vegetarismus, gegen Krieg, Gewalt und Religion zu sein, das waren die wichtigsten Einflüsse auf die Art und Weise, wie wir gelebt haben.

DIE HEIMATSTÄDTE

Die Aktivitäten der europäischen Hardcore-Punk-Szene haben sich Mitte der Achtziger Jahre schnell ausgeweitet. Wie ein Virus verbreitete sich das Interesse an Bands, Fanzines und Plattenfirmen in den Städten Europas. Berlin, Mailand, Hamburg, Amsterdam, Turin, Oslo, Kopenhagen, Pisa oder Nottingham hatten eine große Anziehungskraft, so dass es allgemein üblich wurde, in diese Städte zu reisen. Egal wo du hinkamst, auch wenn du niemanden kanntest, immer gab es ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Es war berauschend zu entdecken, dass es überall in Europa Punks gab, die ähnlich dachten, fühlten, tranken und liebten wie man selbst. Eine Reise in andere Städte oder Länder, um sich dort mit befreundeten Punks und Bands zu treffen, war für viele von uns ein besonderes Highlight. Es war ganz einfach, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, um eine Freundschaft zu pflegen. Das war wie ein Vorläufer der sozialen Netzwerke, Jahrzehnte vor dem Computerzeitalter.

Die Gastfreundschaft war großartig. Diese Art des Reisens ermöglichte es uns, andere Städte und Länder auf eine kostengünstigen Weise zu erkunden, und oft wurde man von den Familien, bei den man wohnte, regelrecht „adoptiert“. Im Sommer 1983 erlaubte mir ein günstiges Interrail-Ticket, Freunde in ganz Deutschland zu besuchen, 1984 dehnte ich den Radius meiner Reisen dann auf verschiedene westeuropäische Länder aus. Eigentlich habe ich nie viele Sightseeing-Touren gemacht, aber ich konnte zu Konzerten gehen oder in vielen coolen Squats und Konzertsälen übernachten, wo ich eine riesige Menge interessanter Leute und Bands getroffen habe. Doch wie sah das Leben in den Städten und Regionen Norwegens aus? Welche Squats oder Konzerthallen waren wichtig, welche Bands spielten dort?

Kjartan Kristiansen, WANNSKRAEKK


Trondheim war 1978 wohl eine der langweiligsten Städte der westlichen Hemisphäre. Aber es gab dort einen Ort namens Hard Rock Kafé/Trondheim Rockklubb und einen Filmclub. Es gab auch eine Universität und einige tausend Studenten mit eigenen Unterkünften in der Stadt. Das hat wirklich geholfen. Bands aus der ganzen Welt kamen und spielten im Studentenhaus und auch lokale Bands bekamen dort einen Auftritt. Das war, bevor „Punk“ zu so einer sektiererischen Sache wurde. Wir hatten keine Ahnung, was gerade Mode war, aber es waren Orte, an denen die Außenseiter herumhängen konnten.

Gunnar Nuven, SVART FRAMTID, KAFKA PROSESS, SO MUCH HATE

Ja gut, viel mehr als Oslo und Trondheim war da eigentlich nicht. Teilweise ging vielleicht noch etwas in Bergen. Ich glaube, die Szene in Oslo war ein bisschen anders als in anderen Städten, weil so viele Leute aus anderen Teilen Norwegens nach Oslo gezogen waren. Viele davon waren vorher schon in ihren Heimatorten aktiv gewesen, so dass in Oslo viele kreative Leute an einem Ort zusammenkamen. Es gab auch eine ganze Reihe von Punkrock-Bands, zu den ersten zählten BETONG HYSTERIA oder WANNSKRAEKK aus Trondheim. Es gab auch viele Bands, die aber eher Eintagsfliegen waren. Das lag daran, dass damals die Infrastruktur so schlecht war, dass es Probleme mit den Proberäumen und Equipment gab. Das war auch die Zeit, in der mein Leben ziemlich heftig war, mit Hausbesetzungen und allen möglichen anderen Problemen mit der Polizei wie auch mit anderen Leuten. Dieser Lebensstil war nicht so ganz ohne.

Frank Østrem, FADER WAR

Wir kamen aus der Stadt Bergen an der Westküste Norwegens. Die Szene war sehr klein. Es gab zu dieser Zeit, also 1980, dort nur etwa drei oder vier Bands, und wir alle wurden schikaniert und fertiggemacht von Leuten, die die Art, wie wir aussahen, nicht mochten.

Jens-Petter Wiig, ANGOR WAT

Wir lebten in Trondheim, wo es fast zur gleichen Zeit, als wir als Band begonnen hatten, ein besetztes Haus namens Uffa gab. Dort hatten wir bald auch unseren Proberaum und es war ein wichtiges Zentrum, wo wir Gigs veranstalteten und politische Aktivitäten organisierten, indem wir ein Label und ein Fanzine gründeten. In Trondheim hat sich in den Siebziger Jahren eine alternative Kulturszene entwickelt und die Hippies waren auch ein Teil davon. Es gab auch eine Kunsthochschule, die sich in den späten Siebziger und frühen Achtziger Jahren der Punk-Bewegung öffnete. Aus diesem Grund waren auch einige der Bands etwas experimenteller, weil wir dachten, dass Punk immer wieder etwas anderes wagen und nicht ständig gleich klingen sollte.

Viggo Mastad, ISRAELVIS

In Trondheim hatten wir mit Uffa ein autonomes Jugendzentrum, das auf den gleichen Ideen wie das Blitz in Oslo und zahlreiche andere besetzte Häuser in ganz Europa basierte. Uffa bedeutete alles für uns. Dort trafen wir uns, wir haben dort geprobt und viele Auftritte gespielt, dort haben wir Konzerte für andere Bands organisiert. Wir waren an der Leitung des Uffa-Buchladens beteiligt, wo wir auch Platten, Tapes, Fanzines, Bücher und so weiter verkauften. Letztlich war die Punk-Szene in Trondheim in den Achtziger und frühen Neunziger Jahren gleichzusetzen mit Uffa. In dem Umfeld haben sich etliche Bands entwickelt und hunderte von Bands aus Norwegen und ganz Europa kamen, um dort zu spielen.

Finn-Erik Tangen, BANNLYST

Zu der Zeit, als BANNLYST anfingen zu spielen, gab es in Molde so fünfzehn bis zwanzig Leute, die dem Punk zuzurechnen waren, es war also nicht so riesig. Einige der Punks aus Molde waren bereits nach Oslo gezogen und die Szene war kleiner als zu Anfang der Achtziger. Eine andere wichtige Band damals waren PSYKISK TERROR. Sie waren mit einem Track an der „Nå Eller Aldri“-Compilation-EP beteiligt. Nach Molde kamen eigentlich keine Punkbands von außerhalb, bis wir mit ANGOR WAT aus Trondheim in Kontakt kamen. Wir organisierten ihren Auftritt in einem Jugendclub, der Teil von Kulturelt Alternativ war. Wir hatten unseren Proberaum im hinteren Teil des Gebäudes. 1982 gab es kurz mal ein besetztes Haus in Molde, aber leider wurden wir da wieder rausgeschmissen, so dass wir die ganze Zeit in unserem Proberaum herumhängen mussten.

SQUATS, AUTONOME ZENTREN, LINKE KULTURZENTREN

Ein wichtiges Merkmal der linken Kultur ist die Gründung und Erhaltung von D.I.Y.- und Freiräumen. Die Ursprünge der Haubesetzerszene reichen bis in die frühen Siebziger Jahre zurück. Die frühen Hausbesetzer konzentrierten sich hauptsächlich darauf, eigene Wohnungen und Räume für alternative Lebensstile zu finden. In dieser Zeit entstanden viele der unabhängigen Zentren, die auch heute noch bestehen. Somit haben die Hippies den Boden bereitet für die Freiräume, die später von den Punks genutzt wurden, obwohl viele Punks die Hippies gehasst haben. Im Gegensatz zu den Anfängen der Hausbesetzerszene geht es heutzutage vor allem darum, Squats oder autonome Zentren zu erhalten, in denen man jede Art von sozialen und kulturellen alternativen Veranstaltungen besuchen kann.

Die Entstehungsgeschichte jedes einzelnen Hauses zeugt von der unvergleichlichen Energie und Fantasie der beteiligten Menschen. Es geht hauptsächlich um Selbstverwaltung. Darüber hinaus konnten elementare Bedürfnisse realisiert und befriedigt werden. In diesen selbst geführten Häusern war und ist Platz für eine Vielzahl von Aktivitäten: Cafés oder Bars wurden eingerichtet, außerdem gab es Räume, die von den verschiedensten politischen Gruppen genutzt wurden, sowie Übungsräume für die Bands. Andere Gruppen konnten ihre eigenen Partys oder alternative Theateraufführungen veranstalten. Die Räumlichkeiten wurden auch für kreative Arbeiten genutzt, wie für Siebdruck und Druckgrafik, Holzschnitzerei oder sonstige Kunst. Daneben gab es in vielen dieser Häuser eigene Infoshops, in denen linke Literatur verkauft wurde.

Als Beispiel möchte ich einen Ausschnitt aus der Selbsterklärung dem JuZi in Göttingen zitieren: „Das Verbindende ist eine Verweigerung gegenüber dem auf Geld und Verwertbarkeit ausgerichteten Einheitsbrei – die Palette der Meinungen und Stile ist vielfältig, streitbar und nicht immer einfach. Das JuZi Göttingen versteht sich als antifaschistisch und antisexistisch. Es hat den Anspruch, in politische Belange einzugreifen – was mal besser und mal weniger gut klappt. Das JuZi stand und steht in einem streitbaren Verhältnis zur herrschenden Politik.“ Die norwegischen Squats und Zentren verfolgten oft ähnliche Strategien, deshalb möchte ich von den Bands erfahren, welche Bedeutung diese Orte für sie hatten.

Jens-Petter Wiig, ANGOR WAT


In Norwegen gab es zu dieser Zeit zwei wichtige Squats: eines in Trondheim und das Blitz in Oslo. Ende der Achtziger Jahre gab es auch einige Jugendzentren ähnlich den deutschen AJZs, und das waren die Orte, wo die alternativeren Bands auftreten konnten. Was die „Blitz Route“, die europaweiten Kontakte des Blitz betrifft, so wurde sie hauptsächlich von Osloer Bands genutzt, die zumeist eine enge Verbindung zum Blitz hatten. Das Wichtigste war, dass die Bands dadurch Anknüpfungspunkte hatten, um überall in Europa spielen zu können. Was ANGOR WAT betrifft, so entstanden unsere Kontakte daraus, dass wir ein Fanzine machten und Briefe in die ganzen Welt schrieben. 1984 veröffentlichten wir eine Split-Kassette mit BANNYLIST auf unserem eigenen Label Knall Syndikatet, und so kontaktierte uns Tim vom Bristoler Label Children Of The Revolution und bat uns, das Tape auf Vinyl veröffentlichen zu dürfen. Wir sagten nein und nahmen stattdessen neues Material für ihn auf, die „General Strike“-LP. Durch ihn und unsere anderen Kontakte, insbesondere die britische Anarcho-Band POISON GIRLS, die wir gut kannten, konnten wir 1985 eine UK-Tour machen mit DIRT, SUBHUMANS, ANTISECT, POISON GIRLS und anderen.

Frank Østrem, FADER WAR

In Baneveien existierte ein besetztes Haus zu dieser Zeit. In Bergen gab es damals keine autonomen Jugendzentren. Wir hatten nie Kontakt mit der „Blitz Route“ aus Abneigung gegen ihr politisches und gewalttätiges Auftreten.

Roger Andreassen, LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT?

Das Blitz-Squat war für die politische Fraktion der Osloer Punk-Szene sehr wichtig. Also politisch linksaußen. Mitglieder von LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT?, SO MUCH HATE, STENGTE DØRER, KAFKA PROSESS und anderen Bands haben dort gearbeitet und geprobt. Wir waren dort auch mehr oder weniger eine der „Hausbands“. Ich und Tom halfen 1989 auch mit, den Info/Recordshop zu gründen. Damals war es kaum möglich, in Norwegen Punkrock/Hardcore-Platten zu bekommen. Wir hatten einen Plattenladen, der sechs Tage in der Woche geöffnet war, und wir haben sogar einen Mailorder betrieben, der den Rest des Landes mit guter Musik belieferte. Ich glaube, das hatte damals einen großen Einfluss auf die norwegische Szene. Seit mehr als dreißig Jahren ist das Blitz auch regelmäßig Schauplatz von D.I.Y.-Konzerten von in- und ausländischen Bands. Das ist doch was! Einige Teile der Osloer Punk-Szene hatten wegen der politischen Ausrichtung des Hauses ein Problem mit den Blitz. Aber was soll ich sagen, das war deren Problem.

Gunnar Nuven, SVART FRAMTID, KAFKA PROSESS, SO MUCH HATE

Außerhalb von Oslo gab es ansonsten nichts. Und wenn, dann gab es nur mal einen Abend, wo Leute Projekte machten. Über einen längeren Zeitraum waren keine anderen Häuser aktiv. Das Blitz war das Herz und Seele der Punkrock-Szene in Norwegen. Damals gab es dort eine Mischung, die total perfekt war. Das Blitz war jahrelang der Mittelpunkt meines Lebens wie auch meines ganzes Lebensstils. Das hat damals einen ziemlich großen Einfluss auf mein Leben gehabt. Wenn es diese Szene nicht gegeben hätte, würde ich all diese Menschen, die da involviert waren, wohl nie kennen gelernt. Es war wahrscheinlich der entscheidende Punkt, dass man da prinzipiell als Label und Band überhaupt die Chance, hatte etwas zu machen. Auf einem anderen, normalen Weg wäre das gar nicht möglich gewesen.

Kjartan Kristiansen, WANNSKRAEKK

1981 gehörten wir zu der Gruppe von Leuten, die die Kjøpmannsgata 28 in der Trondheimer City besetzten. Das wurde das erste Uffa-Haus. Verschiedene Bands spielten dort in den ersten Tagen. Wir waren mit dabei, als die Polizei versuchte, es zu räumen und es nicht schaffte. Es war ein elektrisierendes Gefühl, fähig zu sein, einen Raum als unseren eigenen zu beanspruchen und uns gegen die ignorante Kleinstadtpolizei zur Wehr zu setzen und zu gewinnen. Ich bin sicher, dass die Blitz-Route für viele Bands eine Menge bedeutete, aber nicht für uns. Ich habe eine verschwommene Erinnerung daran, dass ich dort einmal gespielt habe, aber wir sind nie wie die späteren Hardcore-Bands auf Tour gegangen, wir waren ja auch keine Hardcore-Band, sondern nur eine laute Rockband. Wir waren auf vielfältige Art und Weise mit der Uffa verbunden, da es unsere Heimatstadt war und von Leuten betrieben wurde, die wir kannten, aber wir haben irgendwie das Interesse verloren, als irgendwann alles organisiert und finanziert war.

Finn-Erik Tangen, BANNLYST

In Norwegen gibt es zwei Jugendhäuser, die sich als die wichtigsten besetzten Häuser in Norwegen erwiesen, die Uffa in Trondheim ab 1981 und das Blitz in Oslo ab 1982. Wir kamen zum ersten Mal mit der Uffa in Kontakt, nachdem wir 83/84 die Leute von der Trondheimer Band ANGOR WAT kennen gelernt und kurz darauf im Blitz in Oslo gespielt hatten. Im Jahr 2010 erhielten wir die schockierende Nachricht, dass die Uffa bis auf die Grundmauern niedergebrannt war, aber die Leute in Trondheim haben in den letzten Jahren sehr hart gearbeitet, und die Uffa ist nun mit einem neuen Haus auf dem gleichen Grundstück wieder auferstanden.

Es ist schwer einzuschätzen, welchen Einfluss diese beiden Häuser in den letzten 35 Jahren auf die Jugendkultur Norwegens hatten. Sie sind nicht nur eine Anlaufstelle für Punks, sondern für alle Leute, die eine Alternative zum „normalen“ Lebensstil suchen. Alle Menschen, die Erfolg und Geld nicht in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen wollten, konnten dort Gleichgesinnte finden. Für mich und viele andere war es wie nach Hause kommen. Und abgesehen davon, dass sie die alternative Musikszene am Leben erhalten, haben sie eine starke politische und soziale Agenda. Wie in vielen ähnlichen Häusern auf der ganzen Welt steht auch hier der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Sexismus und Faschismus im Vordergrund. Im Laufe der Jahre gab es viele andere Squats in Norwegen, einige überlebten und andere nicht. Rund um das Barrikaden in Oslo hat seit über einem Jahrzehnt eine der besten Szenen Norwegens etabliert. Aber last but not least sind das Orte, an denen man alte Freunde treffen und mit etwas Glück neue Freunde finden kann. Freunde, mit denen man sich wohlfühlen kann und mit denen man Ideen und Gedanken austauschen und natürlich feiern kann.

Ich denke, dass die Blitz-Route für viele norwegische Bands über die Jahre hinweg wichtig war. Die Route hat sich im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt, aber ich denke, es ging los, als SVART FRAMTID 1984 bei den Chaostagen in Hannover auftraten. Und durch die BANNLYST-Minitour in England 1985 und dann in Deutschland 1986, die durch Gunnar von SVART FRAMTID, X-Port Plater, KAFKA PROSESS organisiert wurden, durch die Tour von SO MUCH HATE mit IGNITION 1988 und die mit LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT?. 1989 stand die Blitz-Route komplett und es lief. Der Grundstein war gelegt und das Netzwerk ist bis heute gewachsen, dank der vielen anderen norwegischen Punks, die in den letzten 25 Jahren das Gleiche getan haben. Das hat es Bands aus ganz Norwegen ermöglicht, sich an einem Projekt zu beteiligen, das in ganz Europa stattfand und immer noch stattfindet. Im Laufe der Jahre haben sich die norwegischen Bands wohl einen ziemlich guten Ruf in Europa aufgebaut, vielleicht auch gerade in Deutschland, was es einfacher macht, dort Tourneen organisieren, und es kommen tatsächlich Leute zu den Shows. Es hat auch dazu geführt, dass Bands, die wir unterwegs kennen gelernt haben, nach Norwegen gekommen sind, um zu spielen und mit uns abzuhängen.

Viggo Mastad, ISRAELVIS

Die Uffa blieb in der Trondheim-Szene während der gesamten Neunziger Jahre und darüber hinaus wichtig, wobei sich immer neue Generationen von alternativ gesinnten Kids einbrachten. Das Haus wurde vor ein paar Jahren bei einem Brand zerstört, wurde aber wieder aufgebaut und ist noch in Betrieb. In Trondheim verlagerte sich die Szene um die Uffa zu einem großen Teil in den sogenannten Svartlamon, ein früheres Arbeiterviertel, das sich in einen Stadtteil mit alternativen Geschäften, Cafés und preiswerten Wohnungen verwandelt hat. In Oslo ist das Blitz immer noch ein Faktor, mit dem man rechnen muss, und es läuft immer noch fast genauso wie vor zwei Jahrzehnten. Viele norwegische Bands haben im Laufe der Jahre die Blitz-Route eingeschlagen. Zu viele, um sie aufzuzählen, und es ist unzweifelhaft, dass diese Gelegenheit, im Ausland zu spielen, für viele Bands sehr wichtig war. Dadurch waren sie mit neuen Umgebungen und neuen Ideen konfrontiert und hat ihnen Erfahrungen mit Live-Konzerten vermittelt, wie man sie in einem Land wie Norwegen, in dem die Städte klein und weit voneinander entfernt sind, sonst nie erleben würde.

Übersetzung und Bearbeitung: Triebi Instabil

Fortsetzung in Ox #139