ONDT BLOD

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Böses Blut

ONDT BLOD sind auf Krawall gebürstet. Die Band aus dem hohen Norden Norwegens setzt sich mit ihrem zweiten Album „Natur“ vehement für die Rechte dew Volkes der Samen ein. Das sind die Ureinwohner Norwegens, die von der Bürokratie in Oslo seit Jahrhunderten gegängelt und bevormundet werden. Sänger Aslak Heika Hætta Bjørn trägt als Zeichen der Verbundenheit sogar auf der Bühne die traditionelle Samen-Tracht, zumindest solange bis seine Schweißdrüsen unter dem wenig atmungsaktiven Wollwams explodieren. Im Ox-Interview erklärt er seinen leidenschaftlichen Kampf für seine Landsleute.

Du bist nach einem deiner Vorfahren benannt, der ein grausames Schicksal erlitt.


Das war mein Ururgroßvater. Er hieß auch Aslak Hætta wie ich und lebte in Kautokeino in der Provinz Finnmark. Er war einer der Rebellenführer des Samen-Aufstandes im November 1852. Diese Gruppe war eine bunte Mischung aus religiösen Fanatikern und wütenden Samen-Freiheitskämpfern, die ins Dorf marschiert sind, einen Polizisten ermordet und den Priester ausgepeitscht haben. Aslak wurde wegen Mordes zum Tode verurteilt und im Alter von dreißig Jahren hingerichtet. Auch weil er die Rebellion angeführt hatte.

Sein Leichnam wurde zum Spielball der Behörden, habe ich gelesen.

Viele von den Rebellen wurden lange Jahre in Gefängnissen festgehalten. Aslak und ein anderer Anführer wurden sehr schnell enthauptet und ihre Köpfe wurden von der Polizei beschlagnahmt und einbehalten. Später kamen die Schädel dann in die Universität von Oslo. Zu wissenschaftlichen Zwecken, wie es hieß. Später wurden sie dann an die Universität von Kopenhagen weitergereicht und aufbewahrt. Erst 1997 wurden die Schädel an Norwegen zurückgegeben, damit sie ordentlich beerdigt werden können.

Du bist inzwischen in die Fußstapfen deines Ururgroßvaters getreten und setzt dich aktiv für die Rechte der Samen ein. Was machst du genau?

Zum Glück habe ich bislang weder einen Polizisten getötet noch einen Priester ausgepeitscht. Aber ich sehe mich als Aktivisten und kämpfe für die Rechte der Samen. Die Samen sind die Ureinwohner von Skandinavien. Nicht viele Menschen wissen, dass Norwegen auf dem Land von zwei Völkern basiert: den normalen Norwegern und den Samen. Und das ist auch in anderen skandinavischen Ländern so, denn unser Siedlungsgebiet erstreckte sich auf die nördlichen Teile Schwedens, Norwegens und Finnlands. Seit dem 16. Jahrhundert hat in Skandinavien ein Kolonialisierungsprozess eingesetzt, in dem die Staaten die nördlichen Gebiete einfach vereinnahmt haben. Und in meinen Augen läuft dieser Prozess immer noch. Und mir ist es wichtig, mich um die Angelegenheiten der Samen zu kümmern. Ich komme gerade von einer Sitzung des samischen Parlaments, das von den Samen gewählt und von uns als repräsentatives Organ anerkannt wird. Da arbeite ich, wenn ich nicht mit ONDT BLOD unterwegs bin.

Du bist aber nicht nur im Parlament aktiv, du hast auch schon an verschiedenen politischen Aktionen teilgenommen.

Ich war an direkten, gewaltlosen Aktionen von Umweltschützern und Samen beteiligt. Lustigerweise immer kurz vor unseren Release-Shows. Als wir unser Debütalbum „Finnmark“ veröffentlicht haben, bin ich für ein paar Tage in Bergen im Gefängnis gelandet. Dieses Mal haben sie mich in der Nähe von Trondheim aufgegriffen, als wir gegen die Errichtung von Windrädern protestiert haben. Sie wollten die Windräder in traditionellen Weideflächen für unsere Rentiere aufstellen. Diesmal konnten wir uns selbst von der Polizei freikaufen, aber es war ganz schön aufregend. Das Ganze ist zwei Tage vor der Release-Show von „Natur“ in Oslo passiert.

Was bedeutet der Begriff „Natur“?

Auf Norwegisch bedeutet dieses Wort das Gleiche wie im Deutschen. Für uns ist es wie ein Aufruf zum Widerstand. Ein Aufschrei der Samen aus dem hohen Norden. Gegen Unterdrückung und Kolonialisierung. Wir hatten schon immer diese konfrontative Haltung, aber auf diesem Album sind wir noch politischer als sonst. Wir versuchen, Punkrock und den Willen zum Protest gegen die norwegischen Behörden auf „Natur“ zu verbinden. Es geht aber natürlich auch um den üblichen Hardcore-Kram. Mädchen, Depressionen und solche Dinge. Nicht alle Songs sind politisch motiviert.

Sind die anderen Jungs von ONDT BLOD auch politisch aktiv?

Nein, ich bin der Einzige in der Band, der sich politisch engagiert. Aber ich denke, bei den anderen gibt es ein gewisses Bewusstsein für dieses Thema. Vier von den fünf Jungs in der Band kommen aus dem kleinen Kaff Kirkenes im Nordosten, direkt an der russischen Grenze. Wir sind dort alle aufgewachsen und seit unserer Kindheit befreundet. Aber erst seit wir nach Tromsø gegangen sind, um die Schule zu besuchen, haben wir eine Band gegründet. Dort haben wir dann auch unseren Bassisten Kristoffer kennen gelernt. Und nach vier Jahren in Tromsø sind wir dann nach Oslo umgezogen.

Bei den Studioaufnahmen zu „Natur“ hattet ihr auch einen speziellen Gast aus dem hohen Norden im Studio.

Auf vielen Tracks ist Ella Marie Hætta Isaksen zu hören, sie singt auch bei der Elektro-Band ISÁK. Sie ist eine entfernte Verwandte von mir, eine Art Großcousine, denke ich. Ella ist ein angehender samischer Popstar und ich habe sie ins Studio eingeladen, weil sie auch als Expertin für den traditionellen samischen Gesang gilt, den wir Joik nennen. Und auf „Giron“, dem letzten Song des Albums, singen wir ein Duett in diesem Stil.

Euer Debütalbum „Finnmark“ war in Norwegen extrem erfolgreich.

Wir sind in der ziemlich absurden und auch glücklichen Situation, dass praktisch alle unsere Singles in den norwegischen Charts landen und jede Menge Airplay bekommen. Wir bekommen also viel mehr Aufmerksamkeit im Radio, als wir eigentlich verdienen, haha. Das war bei „Finnmark“ so, genauso wie bei „Natur“. Und diese Aufmerksamkeit ehrt uns.

Ist der Erfolg mit ONDT BLOD nicht ein bisschen komisch für dich, angesichts der anhaltenden Spannungen zwischen Norwegern und Samen?

Bei „Finnmark“ lag der Fokus der Texte nicht so stark auf den Samen. Ich glaube, dass die meisten Menschen in diesem Land nicht viel über die Spannungen zwischen Norwegern und Samen wissen. Und damit meine ich vor allem die Unstimmigkeiten zwischen den Behörden. Es gibt eine Menge Rassismus im hohen Norden, aber ich würde nicht sagen, dass es in großen Teilen des Landes Probleme zwischen Norwegern und Samen gibt. Das Verhältnis zwischen den Bevölkerungsgruppen ist nicht so schlecht. Das Problem ist also eher politischer Natur. Es geht darum, dass die Rechte der Samen nicht respektiert werden, wenn es um die Entwicklung von Industrie und Infrastruktur geht.

Warum hast du deine politische Agenda auf eurem zweiten Album so stark in den Mittelpunkt gerückt?

Ich denke, es ist wichtig, dass die Kultur der Samen nicht nur als etwas völlig Exotisches wahrgenommen wird, dass sie in Form von Andenken an ausländische Besucher verkauft wird. Ich finde, ein Großteil der Bevölkerung müsste auch vom Interessenkonflikt zwischen Norwegern und Samen erfahren. Wenn wir also auf diesem Weg die Augen der Menschen dafür öffnen können und den Norwegern damit ein bisschen Angst einjagen, dann wäre das großartig. Haha.

Ihr wart auch schon in verschiedenen Ländern Europas unterwegs. Wie haben die Leute reagiert?

Wir sind gerade erst von einer zehntägigen Tour durch Deutschland und Holland zurückgekommen. Wir haben ein paar Festival-Shows, einige Headliner-Shows und Support-Shows für THERAPY? gespielt. Das war eine großartige Erfahrung. Großer Spaß, jede Menge Leute. Und für so eine großartige Band wie THERAPY? zu eröffnen, war uns eine große Ehre. Unsere eigenen Shows waren natürlich nicht ausverkauft. Da kamen keine 400 Besucher, weil wir noch nie zuvor dort gespielt haben und in einer Sprache singen, die sie nicht verstehen. Aber im Schnitt kamen zwischen dreißig und fünfzig Leute und die waren wirklich angetan.

Wie ist es denn, gemeinsam mit Helden aus den Neunzigern wie HELMET oder THERAPY? unterwegs zu sein?

Ich bin ein bisschen zu jung, um für THERAPY? und HELMET nostalgische Gefühle zu entwickeln. Ich habe ihre Alben erst Jahre später entdeckt. Aber ich mag diesen Sound, vor allem den von „Troublegum“. Und es war großer Spaß, mit ihnen unterwegs zu sein und auf der Bühne zu stehen. Sie haben inzwischen ein sehr heterogenes Publikum, vom Altersdurchschnitt her bunter gemischt, als ich erwartet hätte. Es gibt eine ganz neue Generation von THERAPY?- und HELMET-Fans. Wir haben viele gute Reaktionen von den Zuschauern bekommen und jede Menge T-Shirts und Platten verkauft. Obwohl es natürlich ein bisschen geschummelt ist, vor so einem großen Publikum würden wir nie spielen, wenn wir alleine unterwegs wären.