MARTIN REV

WAS MACHT EIGENTLICH ...

„Ich glaube nicht, dass ich noch böse Erfahrungen machen kann. Ich habe sie alle hinter mir. Mir ist klar, dass man stirbt und dann tot ist.“ (Nico, 1974)

Zusammen mit dem Mitte 2016 verstorbenen Alan Vega war Martin Rev in den Siebziger Jahren Gründungsmitglied der New Yorker Band SUICIDE, deren gleichnamiges Debütalbum 1977 erschien und das die Keimzelle ist, aus der sich so etwas wie dystopischer Electro-Punk entwickeln sollte. SUICIDE waren die ersten, die den Begriff Punk auf einem Flyer verwendeten. Das zweite Konzert im Oktober 1970 in New York bewarb das Duo offiziell mit „Punk Music by Suicide“. Bereits 1973 bezeichneten sie sich selbst dann nicht mehr als Punk, so Martin Rev in einem Interview 2011, noch bevor es mit dem CBGB’s ansatzweise so etwas wie eine Punk-Szene in New York gab. SUICIDE gehörten zu den ersten, die Synthesizer und Drumcomputer einsetzten und Martin Rev traktierte seine teilweise selbstgebastelten Synthies und Billig-Keyboards, beispielsweise ein Wurlitzer, das er für zehn Dollar gebraucht gekauft hatte, mit der notwendigen Hingabe, Radikalität und dem richtigen Gespür für ein apokalyptisches Klanggewitter. Es ging ihnen nicht um Unterhaltung, sondern darum, das Publikum herauszufordern. Sänger Alan Vega legte keinen Wert auf Spaß, sondern wollte den Eintritt in die Hölle, oder wie er es sagte: „Fuck you, buddy, you’re getting the street right back in your face.“ Oft kam es zu Schlägereien zwischen Alan Vega und Teilen des Publikums.

Martin Rev war aber neben SUICIDE – und ist es bis heute – als Solomusiker aktiv und veröffentlichte zuletzt Mitte 2017 sein neuntes Soloalbum „Demolition 9“ mit 34 Tracks, die man durchaus als experimentell kategorisieren kann. Oft handelt es sich um eine offensive Noise-Kakophonie, aber auch neoklassische Arrangements oder Ambient finden Eingang. Martin Rev hat den Karlheinz Stockhausen und John Cage in sich entdeckt und ausgelebt. Vielleicht spielt Jazz auch eine Rolle, denn als Teenager besuchte er in den Nachtclubs von Manhattan Konzerte der Jazzlegenden Thelonious Monk und John Coltrane.

Im Januar 2018 fanden sich mit Martin Rev in der Bowery Electric in New York zahlreiche befreundete Musiker und Wegbegleiter zusammen, um dem 2016 verstorbenem Alan Vega und SUICIDE musikalisch zu huldigen. Mit dabei waren Ric Ocasek (THE CARS), der das zweite Album von SUICIDE produzierte, Peter Zaremba und Keith Streng (THE FLESHTONES), Jim Sclavunos (NICK CAVE AND THE BAD SEEDS) sowie JG Thirlwell aka FOETUS und Kid Congo Powers (THE GUN CLUB, THE CRAMPS). Ein Highlight war sicher, als Alan Vegas Frau Liz Lamere und sein Sohn Dante die Stücke „DTM“ und „Screaming Jesus“ zelebrierten – beides Songs im aufgeladenen Schmerzbereich von Industrial von Alan Vegas Album „It“.

Heute, mit 71 Jahren, steht Martin Rev immer noch auf der Bühne und pflegt sein musikalisches Erbe, ohne das es vermutlich Bands wie SWANS, MINISTRY oder NIN in dieser Ausprägung nicht gegeben hätte.