THRICE

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Status: Kultband

Es gibt Bands, auf deren neue Veröffentlichung warten Menschen mit einer ernsthaften Liebe zur Musik ganz besonders sehnsüchtig. THRICE gehören in diese Kategorie von Bands. Und 2018 ist wieder ein Festjahr, denn mit „Palms“ schenken THRICE den Darbenden tatsächlich eine neue Platte. Kein Rock-Album wie „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ von 2016, sondern eines, das mitunter still und dezent und einmal mehr so THRICE-typisch unvorhersehbar daherkommt. Die erste Runde Interviews gaben die Musiker dabei in Deutschland, wo die Brüder Eddie und Riley Breckenridge – Bassist und Schlagzeuger – von der Entstehung ihres neuen Albums berichteten.

Eddie, Riley, ihr sprecht hier und heute zum ersten Mal quasi öffentlich über euer neues Album. In Deutschland. Nicht in den USA. Wie kommt’s?

Eddie:
Wir kommen eben schon sehr lange hierher. Und das nicht nur, weil Deutschland ein so schönes Land ist. Sondern vor allem, weil wir das Gefühl haben, dass die Deutschen eine besondere Art des Enthusiasmus’ für Rockmusik hegen. Sie wertschätzen das, was wir machen, extrem und lassen uns stets willkommen fühlen.

Das könnte auch daran liegen, dass THRICE als Kultband gelten. Wie wird man zur Kultband?

Eddie:
Wir waren nie einer gewissen Szene zugehörig. Dazu sind unsere Einflüsse einfach zu vielfältig. Und genau das ist das, was wichtig und gut ist. Denn diese selbstgewählte Freiheit gibt uns die Möglichkeit, zu machen, was wir wollen. Und das wiederum wissen die Leute, die uns als Kultband sehen, an THRICE zu schätzen. Sie können uns niemals vorwerfen, dass wir zu heavy oder zu soft sind, oder zu wenig singen. Weil wir alles abdecken.

Riley: Genau so ist es. Wir passen nirgendwo hinein. Und sobald wir merken, dass wir von irgendeiner Seite aus zu sehr vereinnahmt werden, ziehen wir uns zurück und schlagen eine andere Richtung ein. Dadurch bleibt es für uns – und somit auch unsere Fans – interessant. Nicht durch Stillstand, sondern durch Experimentieren und eine Weiterentwicklung.

Aber irgendeiner Szene fühlt man sich doch immer zugehörig. Ich kann doch nicht etwa Punkrock hören und sagen: Ich bin nicht Teil der Punkrock-Szene, oder? Musikfans neigen dazu, sich zu kategorisieren.

Riley:
Sicher. Aber das ist eher eine Sache der Jugend. So ging es uns früher auch. Da konnten die Bands, die wir hörten, nicht hart genug sein. Wir wollten diese Hardcore-Szene leben.

Eddie: Wenn man jung ist, dann kann so eine Einordnung in eine bestimmte Szene auch durchaus gut sein. Es kann helfen, seine Persönlichkeit zu entwickeln. Aber bei uns war es so: Je älter wir wurden, je häufiger wir spielten und tourten, umso mehr Einflüsse nahmen wir auf. Und umso mehr stieg der Wunsch danach, sich seine eigene, selbst gewählte und kreierte Identität zu verpassen. Und die liegt eben nicht im „immer schneller, immer härter“.

THRICE befinden sich im 20. Jahr ihrer Existenz als Band. Was hat sich seit dem Beginn am signifikantesten verändert?

Eddie:
Ich denke, die Fähigkeit, dass wir uns mit unserer Musik ausdrücken können. Die ist gewachsen. Zu Beginn widmeten wir uns verschiedenen Stilen von Musik, die damals zwar wichtig für uns waren und die wir unbedingt spielen wollten, die aber noch weit von dem entfernt waren, was wir heute machen und was wir heute beherrschen. Wir sind zweifelsohne bessere Musiker als früher. Und das gibt uns viel mehr Möglichkeiten, uns zu verwirklichen. Wir können heute dynamische Songs schreiben. Und Songs, die wirklich Geschichten erzählen. Damals ging es nur um Schnelligkeit und Aggressivität.

Dieser Drang zur Weiterentwicklung äußert sich auch auf eurem neuen Album. „Palms“ ist in weiten Teilen still, zurückhaltend. Es hat weniger Riffing. Und es folgt auf „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ von 2016, das viele Leute nach einer experimentellen Phase von THRICE schon vorsichtig als Rückkehr zum Old-School-Rock gedeutet hatten.

Eddie:
Ich finde, „Palms“ enthält durchaus Riffs. Es ist für mich sogar gitarrenlastig und dazu angetan, den Leuten wieder einen vor den Latz zu knallen. Aber ich weiß, was du meinst: Auf „Palms“ gibt es auch einige, wenn man so will, wunderschöne Songs, die ruhiger daherkommen. Das stimmt.

Genau. Es ist keine harte Rock-Performance, die ihr da abliefert.

Riley:
Songwriting ist einfach immer eine Herausforderung, weil Ideen nach und nach entstehen und man nie weiß, wohin die Reise geht. Wir können die Entstehung eines Albums natürlich immer irgendwie in eine gewisse Richtung lenken. Aber: es kann immer wieder passieren, dass Songs im Verlaufe der Aufnahmen eine ganz andere Richtung einschlagen. Sie entwickeln ein Eigenleben. So läuft es nicht immer, aber im besten Falle. Und so war es eben auch bei „Palms“.

Eddie: Wir sind völlig offen ins Studio gegangen. Und das ist auch mit ein Grund, warum „Palms“ keine reine Rockplatte geworden ist: es ist nämlich gerade bei Rockplatten so, dass Vieles standardisiert und festgelegt ist. Es gibt nicht so viel Raum zum Ausprobieren.

Riley: Bei „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ hatten wir schon vor der Arbeit im Studio die Demos fertig und es war irgendwie klar, dass die Songs am Ende auch in etwa so klingen würden. Das hatte auch damit zu tun, dass wir mit einem externen Produzenten zusammenarbeiteten und er alleine für die Produktion verantwortlich war. Das war Eric Palmquist. Und Produzenten haben immer genaue Vorstellungen davon, was sie am Ende für die Band haben wollen.

Palmquist hat aber auch an „Palms“ mitgearbeitet.

Eddie:
Ja, aber wir hatten uns dazu entschieden, das nun gleichberechtigt mit ihm zusammen zu machen. Bei „To Be Everywhere Is To Be Nowhere“ hatten wir schon manches Mal das Gefühl von: „Das sind eigentlich nicht wir. Das ist er.“

Die Texte auf „Palms“ drehen sich stark um den Gedanken, sich seelisch zu befreien. Den „Place beyond the palms“, wie es in einem Song heißt, zu finden.

Eddie:
Ich kann zwar nicht für Dustin als denjenigen sprechen, der die Texte schreibt, aber klar ist: er hat sich im Vorfeld von „Palms“ stärker als bei den Platten zuvor Gedanken gemacht, an was er glaubt, an welche Werte er glaubt und wie er diese erreichen kann.

Spricht er die Texte in irgendeiner Form mit euch ab, beteiligt er euch?

Riley:
Bei dieser Platte hat er das konsequenter gemacht als früher. Er hat uns dieses Mal schon Texte vorgelegt, als die Songs noch ganz am Anfang standen, und uns nach unserer Meinung gefragt. Früher kam er meist irgendwann mit ihnen an und sagte: „Hier sind die Lyrics.“ Und das war es dann.

Und: Habt ihr von diesem neu erlangten Mitspracherecht Gebrauch gemacht?

Eddie:
Haben wir. Nichtsdestotrotz muss man aber auch sehen: Texte sind vor allem eine persönliche Angelegenheit. Und am Ende steht Dustin jeden Abend auf der Bühne und muss sie singen. Das ist schon hart, vor allem, wenn immer mehr Menschen ankommen, um mit dir über diese Texte zu sprechen. Du bist gezwungen, in solchen Momenten etwas von dir preis zu geben. Das kann nicht jeder. Ich denke, das ist auch der Grund, warum die meisten Songs – gerade auf „Palms“ – trotzdem ziemlich frei für eine Interpretation sind. Dustin will nichts vorgeben. Jeder kann und soll sich etwas nach eigenen Vorstellungen da raus ziehen.

Kommen wir noch mal zurück auf das angesprochene seelische Freimachen: Von Was würdet ihr euch am liebsten befreien?

Eddie:
Von Angst.

Welche Angst meinst du?

Eddie:
Vor allem die Angst vor Selbstzweifeln. Dass es mit der Band einmal nicht mehr so funktionieren könnte. Diese Situation hatten wir ja immerhin schon einmal für drei Jahre. Bei der Auszeit zwischen 2012 und 2015.

Was habt ihr daraus gelernt?

Eddie:
Vor allem haben wir erkannt, wie sehr wir zuvor Dinge als selbstverständlich hingenommen hatten. „Ach, wir reisen wieder nach Europa. Sind wir also schon wieder hier. Na gut. Dann ist das halt so.“

Nun ja, ihr seid Musiker. Musiker gehen auf Tour. Auch mal weiter weg von daheim. Das ist streng genommen tatsächlich selbstverständlich und normal.

Eddie:
Nein, ist es nicht. Die Mehrheit der Amerikaner war nie hier bei euch. Diese Menschen haben die Welt nie gesehen. Genau das ist die Normalität. Und das, was wir machen, was wir machen können als Band, ist das Besondere. Das muss man schätzen.