Legendäre Compilations: V.A. - Soundtracks zum Untergang (LP, Aggressive Rockproduktionen, 1981)

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Schon vor der Gründung von Aggressive Rockproduktionen hatte Karl Walterbach ab den späten Siebziger Jahren in Berlin Punk-Konzerte veranstaltet und als Mitbetreiber des Punkclubs KZ 36 1980/81 die beiden „KZ 36“ Sampler veröffentlicht. 1981 investierte er den Gewinn der von ihm im SO36 organisierten FEHLFARBEN-Konzerte – drei Tage hintereinander und alle ausverkauft – in die Produktion eines deutschen Punk-Samplers mit dem Titel „Soundtracks zum Untergang“. Aggressive Rockproduktionen war geboren.

Der Sampler erschien Dezember 1981 und vermittelt einen guten Überblick über die damalige bundesdeutsche Punk-Szene, mit einigen der bekanntesten Bands seiner Zeit, darunter ZK aus Düsseldorf, HASS aus Marl sowie RAZORS und SLIME aus Hamburg, die bereits erste Alben veröffentlich hatten. Andere hier vertretene Bands wie MIDDLE CLASS FANTASIES, AHEADS und DAILY TERROR sollten in naher Zukunft ihre Platten auf Aggressive Rockproduktionen veröffentlichen. Und auch die erste SLIME-LP wurde von Aggressive Rockproduktionen als „AG 04“ neu aufgelegt. Mit diesem Sampler begann auch die Zusammenarbeit von Karl Walterbach und dem Berliner Studio Music Lab, in dem bis auf STÖRTRUPP und OFFENSIVE HERBST 87 alle Bands ihre Tracks einspielten. Der Sampler sorgte nicht nur für ein Aufhorchen in der immer größer werdenden Punk-Szene der BRD, auch die Staatsmacht wurde aufmerksam. Stein des Anstoßes waren die Songs „Helden“ von MIDDLE CLASS FANTASIES und „Polizei-SA-SS“ von SLIME. Die Schallplatte wurde schon kurz nach ihrem Erscheinen in verschiedenen Plattenläden beschlagnahmt und ein Ermittlungsverfahren wegen „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ eingeleitet. Das Berliner Amtsgericht Tiergarten verfügte in seiner Entscheidung vom 12.07.1983, dass beide Songs „unbrauchbar zu machen“ und auf der „hier vorliegenden Veröffentlichung ab sofort nur noch an den entscheidenden Stellen mit Signaltönen zu hören“ seien. Die Zweitauflage erschien dann mit den beiden auf dieses Weise zensierten Songs. Anstelle des Aufdrucks „Erste Aggressive Rockproduktion“ prangte nun unter der Überschrift „Zensiert“ der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in der linken oberen Ecke des Covers. Zusätzlich zierte noch ein gelber Aufkleber mit dem gleichen Inhalt das Cover. Der Sampler steht weiterhin auf dem Index. Deshalb sind auch auf den späteren Wiederveröffentlichungen beide Songs nur mit den äußerst nervigen Huptönen versehen zu hören. Mit „Soundtracks zum Untergang“, Katalognummer AG 1, erblickte nicht nur ein wichtiges Label das Licht der Achtziger, sondern es wurde auch – in mehrerer Hinsicht– ein Stück deutscher Punk-Geschichte geschrieben.