Punk Art #11: ANTIGHOST

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In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer und Cover gestalten. Diesmal sprachen wir mit Christian (46), Götz (44) und Martin (36) von der Antighost Siebdruckwerkstatt in Mannheim.

Bitte stellt euch vor.

Götz:
Zum Punk bin ich mit 14 oder so über den großen Bruder eines Kumpels gekommen. Zu der Zeit waren wir vor allem Skater, und die Kassette, die er uns eines Tages in die Hand drückte, hat uns sofort umgehauen, von da an war klar: das ist unser Ding. Ich erinnere mich an einen kruden Mix, spontan fallen mir WALTER ELF, SPERMBIRDS, für die ich 2010 auch das Cover ihrer LP „Columbus Feeling“ gemalt habe, DEAD KENNEDYS und CLASH ein.

Christian: ÄRZTE, TOY DOLLS, „Soundtracks zum Untergang“, SLIME ... So in etwa war die Reihenfolge, in der ich Mitte der Achtziger den Punk entdeckte. Danach kam der ganze Rest. Über Punk kam ich dann zu Psychobilly und darüber dann zu allem, was weit genug vom Mainstream entfernt ist und mir gefällt. Ich würde mich als „open-minded music lover“ bezeichnen.

Martin: Ich weiß das gar nicht mehr so genau, ich höre alles Mögliche mit Gitarren, und da fällt schon sehr lange auch die eine oder andere Punkband drunter.

Seit wann betätigt ihr euch künstlerisch, wie fing das an, wie ging es weiter?

Götz:
Ich male und zeichne schon immer. Irgendwann Anfang der Neunziger hat es dann mit Flyern und Plakaten für Bands angefangen, zunächst hauptsächlich für meine Garage-Combo ACHTUNG SPITFIRE SCHNELL SCHNELL!! und für Konzerte und Partys, die wir in Mannheim veranstaltet haben, später dann auch für andere befreundete Bands. 2007 habe ich dann mit Siebdrucken begonnen und mein erstes Gigposter für die ANGRY SAMOANS gedruckt. Seitdem mache ich hauptsächlich Konzertposter. Mir ist dabei weniger wichtig, dass die Band „bekannt“ ist, sondern vielmehr, dass mir die Musik gefällt und die Leute okay sind.

Martin: Auch ich bin mit dem Stift in der Hand aufgewachsen. Das führte dann zu einem Kommunikationsdesign-Studium in Mannheim. Nach dem Praktikum in einer Designagentur war klar, dass ich mir den Arbeitsalltag anders vorstelle. Seither arbeite ich als selbständiger Illustrator. Die freien Arbeiten, die ich nebenher mache, würde ich in meinem Fall dann als Kunst bezeichnen.

Christian: Schon in der Schule bin ich am liebsten in den Kunstunterricht gegangen und habe da auch meinen ersten Erfahrungen mit Druckgrafik gemacht und war sofort Feuer und Flamme. So richtig aufgeblüht bin ich dann, als die ersten Grafikprogramme aufkamen – die Möglichkeiten, die man am Rechner hatte, waren der Hammer, für damalige Verhältnisse. Danach kam ein Architekturstudium und die Gründung einer Designagentur. 2007 habe ich dann durch Zufall den Siebdruck für mich entdeckt und bin seitdem nicht mehr davon losgekommen.

Wie arbeitet ihr? Klassisch mit Papier und Farbe, oder digital am Rechner?

Götz:
Ich habe meine Poster früher hauptsächlich mit Adobe Illustrator entworfen. Seit ein paar Jahren habe ich ein iPad mit diesem Stift, meinen Workflow hat das komplett geändert. Ich mache so gut wie alles auf dem iPad – vor allem muss ich nicht aufräumen, wenn ich fertig bin. Ich zeichne meistens abends im Bett.

Martin: Ich zeichne in den meisten Fällen zunächst mit Tuschestiften auf Papier. Die Linienzeichnung wird dann gescannt und am Computer koloriert.

Christian: Ich wechsle die Medien im Entwurfsprozess mehrfach – vom iPad zum Rechner, von Illustrator zu Photoshop und zurück zu Illustrator, ausdrucken auf Papier und wieder gescannt oder fotografiert zurück in den Rechner. Kommt immer drauf an, was ich vorhabe und mit welchem Tool ich das am besten realisieren kann. Digital oder analog ist für mich nicht relevant – das Ergebnis zählt.

Seid ihr Autodidakten oder könnt ihr auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?

Christian:
Götz und ich sind Autodidakten, Martin ist von Beruf Illustrator und Gerichtszeichner und hat das von der Pike auf gelernt. Er gibt uns auch immer schön Tipps, wo Schatten hingehören und so.

Habt ihr Vorbilder, welche Stile beeinflussen euch?

Götz:
Vorbilder gibt es natürlich viele. Prägend waren neben franko-belgischen Comics mit Sicherheit Jim Phillips, der die Skateboard-Designs für Santa Cruz in den Achtzigern gemacht hat, und die alten Gigposter-Haudegen wie Kozik. Ein Ice-T-Gigposter von ihm war die Initialzündung für mich, ich habe das in Heidelberg im Plattenladen gesehen und gewusst: Ich will Gigposter drucken. Heute gibt es unzählige Künstler auf Instagram, die mich inspirieren. Das Gute an der neuen digitalen Welt ist ja, dass man gesehen werden kann, ohne großartig bekannt zu sein. Da gibt es so wahnsinnig viele talentierte Leute, und zwischendrin Katzenvideos und Besoffene, die auf die Nase fallen – eine perfekte Mischung.

Martin: Viel gelernt habe ich von den Illustrationen und der Arbeitsweise von James Jean, wobei mir das mittlerweile doch alles eine Nummer zu kitschig ist. Und daneben habe ich mir zum Beispiel bei Géza Dámosy und Sterling Hundley ein bisschen was abgeschaut, aber pssssst.

Christian: Ich liebe das minimalistische und aufgeräumte Schweizer Grafikdesign und die Typografie der Sechziger Jahre. Besonders die Arbeiten von Josef Müller-Brockmann inspirieren mich sehr. Außerdem bin ich ein großer Urban-Art-Fan, die Vielfältigkeit, die grafische Qualität und der Einfallsreichtum sind beeindruckend.

Gibt es eure Kunst zu kaufen? Und in welcher Form – Originale oder Drucke?

Martin:
Wir verkaufen unsere Drucke natürlich auf unserer Website. Dazu stellen wir immer wieder mal auf Festivals aus, wie beim Flatstock Europe im Rahmen des Reeperbahn Festivals in Hamburg, beim Maifeld Derby oder dem DIY Wochenende in Mannheim.

Christian: Außerdem kann man immer Donnerstagabend bei uns in Mannheim in der Werkstatt vorbeikommen, ein Bierchen mit uns trinken und sich umschauen. Unsere Drucke kosten größtenteils dreißig Euro, was nicht wirklich viel ist, wenn man bedenkt, dass es sich um handgemachte Kleinstauflagen von etwa dreißig Exemplaren handelt.

Arbeitet ihr völlig frei oder auch im Auftrag? Etwa für Bands oder Konzertveranstalter?

Götz:
Unsere Konzertposter entstehen immer in Absprache und mit Freigabe der Bands oder des Managements, trotzdem arbeiten wir weitestgehend „frei“, da wir sehr wenig bis gar keine Vorgaben bekommen. Manchmal gibt es kleinere Änderungswünsche, aber im Großen und Ganzen lassen sich die Band auf den Künstler und seinen Stil ein. Extrem selten kommt man nicht zusammen und es gibt keine Freigabe, das ist aber dann auch okay. Wir drucken ausschließlich unsere eigenen Designs, einfach weil wir keine Dienstleister sind, sondern die Werkstatt als ambitioniertes Hobby betreiben. Da ist nicht genug Zeit für anderes.

Was ist mit Ausstellungen?

Christian:
Wir haben einige fixe Termine wie das Maifeld Derby im Juni, das Reeperbahn Festival im September, den Mannheimer Nachtwandel im Oktober und die Rollerderby-Spiele der Rhein-Neckar Delta Quads. Ansonsten stellen wir zur Zeit im Kombinat aus, einer Mannheimer Kneipe. In den letzten Jahren hatten wir Ausstellungen in ganz Deutschland, in Wien und in Barcelona.

Martin: Wo wir gerade ausstellen und was ansteht, posten wir auch immer auf unserer Website und auf unserer Facebook-Seite.

Was gibt euch eure Kunst emotional? 

Götz:
Für mich ist das vor allen Dingen Urlaub im Kopf. Wenn ich zeichne, vergesse ich die Zeit und alles andere. Mir hat schon immer gefallen, dass ich mir alles ausdenken kann, es gibt keine Regeln.

Christian: Durch die Gigposter bekommt man einen neuen Zugang zu Musik und zu Bands. Man beschäftigt sich viel intensiver mit den Songs, der Platte und den Musikern, wenn man an einem Konzertposter arbeitet. Außerdem ist es der Hammer, Teil einer weltweiten Community von Gigposter-Artists zu sein.

Martin: Das sehe ich auch so. Und ich freue mich natürlich auch über die Anerkennung, die es mit sich bringt, wenn Leute an unseren Postern Gefallen finden und dafür vielleicht sogar den Geldbeutel zücken.