TERRY HALL

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Ein Rudeboy wird 60 Jahre alt

Am 19. März 2019 wird Terry Hall 60 Jahre alt. Er ist Sänger sowie Gründungsmitglied der 1977 im nordenglischen Coventry gegründeten THE SPECIALS (zunächst nannten sie sich THE COVENTRY AUTOMATICS). Die Band leitete seinerzeit ein Ska-Revival in UK ein, denn die Ursprünge von Ska lagen in den Sechziger Jahren in Jamaika. Großbritannien war zu dieser Zeit geprägt von gesellschaftlichen Unruhen, Rassenausschreitungen und Streiks in einer Phase des industriellen Niedergangs, der insbesondere den Norden des Landes hart traf.

Die 1979 gewählte Premierministerin Margaret Thatcher legte einen dunklen Schatten über das Land. Dies spiegelte sich in den Songs der SPECIALS wider, ohne dass die Band durch ihr prägendes Rudeboy-Outfit den notwendigen Style vermissen ließ oder den Blick auf die Tanzflächen der Clubs vernachlässigt hätte. THE SPECIALS verkörperten in Zeiten der Straßenkämpfe mit der rechten National Front das Paradebeispiel einer vehement antirassistischen Band. Mit ihren Songs positionierten sie sich klar gegen Rassismus und Diskriminierung jedweder Art. THE SPECIALS veröffentlichten ihre Alben auf dem im Juli 1979 von Bandmitglied Jerry Dammers gegründeten Label 2 Tone Records, dessen schwarzweißkariertes Logo diese Haltung symbolisiert.

Terry Hall, heute Vater zweier Söhne, verließ die Schule mit 15 Jahren, arbeitete kurz als Maurer, und spielte zunächst in der Punkband SQUAD. Erstaunlicherweise war es das David Bowie-Album „Young Americans“ von 1975, das ihn dazu inspirierte, Sänger zu werden. In Sachen Punk zog er den amerikanischen dem britischen Punk vor. Es war eine Zeit, in der seine Schwestern mit Skinheads abhingen und viel Ska hörten, während er mit seinen Freunden auch Reggae für sich entdeckte. Coventry war in diesen Tagen ein kleines Epizentrum in Sachen Reggae. DJ Don Letts, der THE CLASH den Reggae und Dub „beibrachte“, legte auch in Punk-Clubs regelmäßig Reggae-Platten auf.

Nachdem Terry Hall die SPECIALS im Jahr 1981 verlassen hatte und der Rest als THE SPECIAL AKA weitermachte, betrat er mit den ehemaligen SPECIALS-Mitgliedern Neville Staple und Lynval Golding als FUN BOY THREE die Welt der Pop-Songs. Mit FUN BOY THREE spielte er zwei Alben ein, besonders hervorzuheben ist das von David Byrne (TALKING HEADS) produzierte zweite namens „Waiting“ (1983) ist. Songs wie „Our lips are sealed“ (zusammen mit GO-GO’S-Gitarristin Jane Wiedlin für deren Album „Beauty And The Beat“ geschrieben), „Tunnel of love“ oder „The more I see (The less I believe)“ unterstreichen Halls Qualitäten als Songwriter.

Doch so einnehmend die Musik, so beklemmend sind in Teilen die Inhalte. „Well fancy that!“, der letzte Song auf „Waiting“, schildert den Missbrauch durch einen pädophilen Lehrer, als er gerade zwölf Jahre alt war. Allerdings zeigt er auf dem Album auch seinen subtilen Humor. Der Opener „Murder she said“ ist das Thema der bekannten Miss Marple-Kriminalfilms „16 Uhr 50 ab Paddington“.

Noch filigraner wurden seine Elegien in Pop mit dem Folgeprojekt THE COLOURFIELD (1985-1987), was in ihrem bekanntesten Song „Thinking of you“ sichtbar wird. Danach verliert sich Terry Hall in musikalisch vielfältigen Projekten. Beispielsweise mit Dave Stewart (EURYTHMICS) als VEGAS, Kollaborationen mit Tricky, THE LIGHTNING SEEDS, Damon Albarn (BLUR), JUNKIE XL und den DUB PISTOLS. Im Zeitraum von 1994 bis 2003 spielte er drei Soloalben ein. 2003 wurden Ansätze einer Depression bei Terry Hall diagnostiziert, unter der er allerdings schon sehr viel länger litt. Welche Bedeutung die Musik der SPECIALS bis heute hat und wie dies Terry Hall in Verbindung mit sehr speziellen Ereignissen beeindruckt, schilderte er einst anhand einer Begegnung in Los Angeles: Als er sich von einem jungen Mexikaner ein Tattoo auf dem Bein stechen ließ, erkannte dieser erst nach einer Weile, wen er da überhaupt vor sich hatte, und verlor für einen Moment komplett die Fassung. Denn es waren die SPECIALS und deren Musik, die den jungen Mann aus seiner Gangvergangenheit befreit hatten.

2008 haben sich THE SPECIALS reformiert und im Februar dieses Jahres erscheint ihr neues Album „Encore“. Drei Konzerte in Deutschland sind im März geplant – zehn Tage nach seinem sechzigsten Geburtstag wird Terry Hall am 29. März in Köln die Bühne betreten.