BRUTUS

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Ganz in Schwarz mit Regenbogenschuhen

Die Stimmung beim belgischen Trio BRUTUS ist gut. Als wir Stijn, Peter und Stefanie am Telefon erwischen, sind es nur noch wenige Wochen, bis das zweite Album „Nest“ in den Läden stehen wird, ein wilder Mix aus Punk, Shoegaze, Black Metal und Post-Rock. Aufgenommen wurde wieder mit Jesse Gander in Kanada. Und diesmal nicht, weil er der Erste war, der sich meldete, sondern weil die Zusammenarbeit beim letzten Mal so gut geklappt hat.

Wie wörtlich ist der Albumtitel zu nehmen?

Peter:
Das Album heißt „Nest“, weil es darum geht, eines zu bilden als Band, oder um Beziehungen, die wir mit unseren Familien und Freunden haben.

Stijn: Nach dem Debüt waren wir sehr viel auf Tour und weg von daheim. Es geht darum, was in unseren Beziehungen passiert ist und diese Momente, wenn du zum Beispiel nicht auf eine Beerdigung gehen kannst, weil du irgendwo gerade ein Konzert spielst.

Stefanie: Aber natürlich nicht nur um negative Dinge, es sind auch sehr viel positive Sachen passiert.

Es scheint nicht so, als ob ihr kalkuliert an die Musik herangeht, alles wirkt sehr emotional und spontan.

Stijn:
Wir treffen uns regelmäßig und sind sehr streng mit unserem Zeitplan. Wenn wir zusammen sind, arbeiten wir meistens konzentriert an einem Stück, aber es kann auch vorkommen, dass wir in einer Probe nur darüber reden, was wir machen möchten und wie etwas klingen soll.

Streitet ihr euch auch über Musik?

Stijn:
Ja, und wenn wir nur zwei Leute wären, könnte es schwieriger sein.

Stefanie: Vier Leute, das kann ich aus Erfahrung sagen, sind am besten. Da kann man Zweiergruppen bilden, bei drei Leuten ist eben immer einer überstimmt. Das ist manchmal schwer. Aber wir haben gelernt, wie man positiv streiten kann. Wir streiten um die Sache und nicht des Streitens willen. Es geht darum, den bestmöglichen Song zu machen.

Peter: Wenn zwei gegen einen stehen, dann bringt es dich automatisch dazu, ganz tief über den Kern der Sache zu reden. Es ist eine starke psychologische Kraft, die da mitspielt.

„War“ ist eure erste Single, warum?

Stefanie:
Für mich markiert dieser Song eine Wendung in der Art, wie ich für BRUTUS schreibe. Manchmal hat man das Gefühl, dass ein Song einfach alles aussagt, und es fühlt sich richtig gut an. Bei „War“ war es so, und von diesem Song ausgehend haben wir dann andere Stücke geschrieben. Unser Gespür dafür, was gut ist und was besser werden kann, hat sich damit weiterentwickelt.

Peter: Er wurde so eine Art Standard für alle anderen Songs. Meiner Meinung nach ist es auch der beste auf dem Album.

„Blind“ ist mein Lieblingssong momentan, aber er endet sehr plötzlich und es wirkt, als ob ihr keine Band für fulminante Enden seid.

Stefanie:
Wahrscheinlich kümmern wir uns zu sehr darum. Wir versuchen immer zu vermeiden, nach der normalen Struktur zu schreiben. In unseren Ohren scheinen die Songs niemals fertig zu sein, wir haben einen größeren Plan im Kopf. „Blind“ ist eher eine eingefangene Stimmung und wir wollten einen Song mit einem guten Vibe schreiben. Für mich fühlt sich BRUTUS so an: Wir sind komplett schwarz angezogen, aber unsere Schuhe sind regenbogenfarben.

Der ungewöhnlichste Song ist „Space“, er dauert weniger als drei Minuten und scheint doppelt so lang zu sein.

Peter:
Genau, deshalb heißt er „Space“, weil er sich schwerelos angefühlt.

Stefanie: Für mich ist das der schönste Song auf dem Album, auch wenn das ein schwerer BRUTUS-Song ist.

Ein Song heißt „Techno“. Ich habe gehört, dass ihr SCOOTER mögt.

Stefanie:
Es ist nicht so, dass wir uns das voll reinziehen, aber wenn uns auf Tour allen langweilig ist, kann es schon sein, dass wir mal SCOOTER hören.

Was muss eine Band mitbringen, um euch zu begeistern?

Stijn:
Es muss mich berühren.

Stefanie: Ehrlichkeit.

Peter: Sie müssen meinen, was sie sagen, und keine Show abziehen, einfach sie selbst sein.

Emotionen sind wichtiger als gute Fingerfertigkeit?

Stefanie:
Auf jeden Fall. Wobei man ja ganz ohne Begabung auch kein Instrument spielen kann.

Habt ihr noch die REFUSED-Coverband?

Stefanie:
Peter kam auf die gute Idee, dass wir doch einfach selbst nach Punk-Shows das Album „The Shape Of Punk To Come“ spielen könnten, so dass die Leute ein bisschen darauf abgehen können. Ich war zu jung, um REFUSED jemals live gesehen zu haben. Also haben wir eineinhalb Jahre dafür geübt, dann angefangen zu spielen und nach acht Monaten gingen die Gerüchte um, dass REFUSED zurückkommen. Wir haben sofort aufgehört, wir wollten sie und das beste Punkrock-Album, das jemals geschrieben wurde, ehren und keine wirkliche Tribute-Band sein.

REFUSED und BAD RELIGION, sind das eure Haupteinflüsse?

Peter:
Nein, eigentlich nicht, es sind ganz unterschiedliche Einflüsse. Die beiden genannten sind schon gut, aber ich würde die jetzt nicht als unsere Einflüsse nennen.

Stefanie: Also, um ganz ehrlich zu sein, ich höre REFUSED gar nicht mehr.

Zwei von euch arbeiten in einer Musikschule, wie habt ihr eure Instrumente gelernt?

Stefanie:
Mittlerweile arbeite ich in einem Musikladen. Ich selbst habe Schlagzeug studiert, aber nicht auf dieser Schule, sondern an einer richtigen Universität.

Stijn: Ich arbeite noch an dieser Musikschule und die meisten meiner Freunde sind Gitarrenlehrer. Sie haben mich zwar nie unterrichtet, weil ich mir in jungen Jahren alles selbst beigebracht habe. Aber jetzt sagen sie mir schon, dass ich an der einen oder anderen Stelle etwas falsch mache.

Ich würde schon sagen, dass ihr im Vergleich zum Debüt deutlich besser geworden seid. Habt ihr sehr hart dafür gearbeitet?

Stefanie:
Ja, wir alle haben hart gearbeitet. Es ist besser geworden, weil wir drei Tage in der Woche proben. Wenn man so viel spielt, wäre es wirklich schlimm, wenn es nicht besser werden würde.

Das hört man oft, dass Berufsmusiker erst anfangen, Unterricht zu nehmen, wenn sie schon in einer Band sind.

Peter:
Je mehr man spielt, umso mehr merkt man, was man noch können möchte. Und wenn man nie Unterricht hatte, lässt sich manches nur schwer erreichen. Mein bester Freund ist Gitarrenlehrer, er hat mir viel beigebracht und ich kann ihn immer fragen, wenn ich irgendwas wissen möchte.

Bekommt ihr oft Kommentare dazu, dass ihr eine Frau in der Band habt, die Schlagzeug spielt und singt?

Stefanie:
Ja, einige sprechen darüber, aber für ist das nicht relevant.

Stijn: Wir werden das jedes Mal gefragt. Innerhalb der Band ist es total uninteressant, dass Stefanie eine Frau ist, sie ist einfach in der Band. Ich mache seit zwanzig Jahren Musik und kenne viele andere Frauen in Bands.

Stefanie: Für das Schlagzeugspielen an sich zählen auch ganz andere Dinge. Du musst eine gute Körperspannung, gute Atmung und ein gutes Rhythmusgefühl haben. Ich bilde mir aber auch ein, immer mehr Frauen hinter dem Schlagzeug zu sehen.

Ich finde, die Wahl eines Heftcovers, darf nicht abhängig vom Geschlecht der Bandmitglieder getroffen werden. Gleiches gilt für die Festivalquote, es soll nach Qualität und nicht nach Geschlecht entschieden werden. Trotzdem muss man sich mit dieser Frage beschäftigen, aber eher von einem anderen Punkt aus.

Peter:
In Belgien wird die Frauenquote auch in der Regierung diskutiert, große Firmen wie Nike führen sie schon ein, es ist also keine Diskussion, die sich nur auf die Musik beschränkt. Aber die Frage ist eher, warum sind die Männer so präsent und die Frauen nicht? Dass jetzt als Band zu beantworten, ist irgendwie schwer, weil wir eben nicht darüber nachdenken. Stefanie war die Beste, so ist es eben. Das Primavera Festival hat eine Quote eingeführt, oder?

Ja, und viele Festivals haben zumindest darüber nachgedacht.

Peter:
Das wäre auch nicht so cool für richtig gute männliche Künstler, wenn sie dann ihre Chance nicht bekommen, weil eine Frau gebucht wird, nur um die Quote zu erfüllen. Das will ja auch niemand.

Ihr kommt aus Brüssel, dem Zentrum Europas, aber ihr würdet euch nicht als politische Band bezeichnen. Schließt ihr das bewusst aus?

Peter:
Wer weiß, was auf dem nächsten Album passiert. Wir schreiben über das, was uns bewegt, und im Moment war das einfach nicht Politik. Wenn Stefanie nächste Woche ins Gefängnis kommt oder irgendwas sehr Politisches in unserem Leben passiert, dann schreiben wir eventuell darüber. Es ist für uns nicht ausgeschlossen.