JAWBREAKER

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Hüter der Bruchstücke

JAWBREAKER waren eine Konsensband der frühen Neunziger, genau wie SAMIAM. Musikalisch in Punk und Hardcore verwurzelt, aber darüber hinaus gewachsen, ohne einfach nur „Indie“ oder „Alternative“ zu sein. Mit dem gerade abklingenden Grunge hatten sie genauso wenig zu tun wie mit dem melodiösen Kalifornien-Punk, der Labels wie Fat Wreck und Epitaph groß machte, auch wenn Sänger Blake Schwarzenbach, Bassist und Sänger Chris Bauermeister und Schlagzeuger Adam Pfahler aus San Francisco kamen, wo sie die Band 1988 gegründet hatten. Sie erlebten das typische Drama einer semi-erfolgreichen Band der Neunziger: nach Platten auf kleinen Labels der Major-Deal, der die Band verändert – und zu deren Ende beiträgt. 1996 war Schluss – und 2017 standen sie in Chicago beim Riot Fest wieder zusammen auf der Bühne. Im Mai nun kommen sie nach über zwei Jahrzehnten wieder nach Deutschland und das nahm ich zum Anlass, mir von Adam Pfahler erklären zu lassen, wie das alles so kam.

Adam, von was halte ich dich ab so früh am Morgen?


Ich bin gerade aufgewacht, habe eben meine Mails gecheckt und gesehen, dass ein neues Konzert reingekommen ist. Das werde ich nachher gleich mal posten. Ansonsten habe ich gerade keinen „richtigen“ Job mehr, ich kümmere mich um die Band – und dafür bin ich dankbar.

Wie stark haben die aufgelösten JAWBREAKER bis zum Reunion-Konzert 2017 dein Leben bestimmt? War die Band immer da oder hattest du die in deinem Kopf ganz nach hinten geschoben?

Als die Band damals auseinanderbrach, blieb ich mit all den Bruchstücken zurück. Ich wurde zum Hüter von buchstäblich allem, was wir je gemacht hatten – ein Keller voll mit Analog-Tonbändern, Siebdruckpostern, Flyern, Fotos, Briefen, Verträgen ... Eben all dem, was mit so einer Band zusammenhängt. Und dann stand da auch noch mein Schlagzeug. 1996 lösten wir uns auf, und in den nächsten Jahren machte ich mich dann daran, die Rechte an unseren Aufnahmen von den verschiedenen Labels, auf denen wir veröffentlicht hatten, zurückzubekommen. Entsprechend gründete ich unser eigenes Label Blackball Records, machte mich daran, die alten Aufnahmen zu remastern, das Artwork zu rekonstruieren, um die Platten neu zu veröffentlichen, passend zum Releasejubiläum, nach etwa 20 Jahren. Außerdem kümmere ich mich um unseren YouTube-Channel, um unsere Profile bei Facebook, Twitter und Instagram, um unsere Website, über die ich unser Merch verkaufte. Das wurde zu einem Halbtagsjob, und ich hatte ja auch noch meinen Laden, meine Videothek, die ich über 20 Jahre betrieb. Stand ich nicht im Laden, kümmerte ich mich um JAWBREAKER-Zeug, was wiederum etwas damit zu tun hatte, dass ich ein Controlfreak bin und keinem anderen traue. Aber auch, weil ich es für wichtig hielt, denn ich bekam ja mit, dass wir vielen Leuten etwas bedeuteten. Und da fand ich es wichtig, unser Vermächtnis zu pflegen. Ich lebte nicht davon, es war eher ein leidenschaftliches Hobby, und rückblickend bin ich natürlich froh, dass ich mich so gekümmert habe – jetzt, wo wir wieder spielen.

Wenn eine Beziehung endet, so heißt es, sei es wichtig, dass man über den Verlust hinweg kommt, um wieder offen sein zu können für Neues. Du bliebst deiner verflossenen Liebe verpflichtet ... Konntest oder wolltest du nicht loslassen?

Ich hielt es für einen Versuch, der den Aufwand wert ist, wieder Kontrolle über unsere Aufnahmen zu erlangen. Wir waren nicht besonders smart gewesen bei unseren Verträgen, und nach unserer letzten Platte waren wir vom Label rausgeschmissen worden, das Album wurde dann von denen nie wieder nachgepresst. Ich hielt das für eine Ungerechtigkeit, da war noch was zu erledigen, und so übernahm ich das. In den Jahren nach JAWBREAKER hörte ich nie auf, in Bands zu spielen, auch wenn die nie so bekannt waren wie JAWBREAKER. Ich spielte in der Band meiner Schwester Kembra, THE VOLUPTUOUS HORROR OF KAREN BLACK, nahm mit der auch auf. Ich war mit J CHURCH unterwegs, war in THE MOONS, in WHYSALL LANE, ich war in einer Band mit Jason White namens CALIFORNIA – ich spielte also immer in einer Band in all den Jahren. Meine Hauptmotivation war aber wirklich, die Musik von JAWBREAKER in einer angemessenen Form zugänglich zu machen. Ich hatte mir damit zwar viel Arbeit aufgebürdet, aber ich machte das gerne, es war, es ist ja meine Band. Ich hätte auch niemand anderem vertraut, das zu machen.

Hattest du denn in all den Jahren die Hoffnung, dass du die Band eines Tages wieder zusammenbekommen würdest, oder hattest du mit dem Thema abgeschlossen?

Mir war klar, dass das eher unwahrscheinlich ist, aber insgeheim hatte ich natürlich die Hoffnung, dass es eines Tages dazu kommt. Ich fand eben, dass wir nicht „fertig“ waren, dass wir zu früh gegangen waren. Da waren Songs, die wir nie aufgenommen hatten. Das Ende der Band war überstürzt gekommen, und ja, tief in meinem Herzen hegte ich die Hoffnung, dass es uns irgendwann wieder gibt. Und ich wusste ja, dass das möglich ist, denn da ich mich um die Verwaltung unseres Erbes kümmerte, kamen bei mir auch immer wieder Anfragen von Festivals an, mit interessanten Angeboten, ich wusste, was die bereit waren zu zahlen. Vor allem waren wir ja nach unserer Auflösung bekannter und beliebter als zu der Zeit, als wir noch aktiv waren. Wir wir wurden von anderen Bands in Interviews erwähnt, und das Aufkommen des Internets nach unserer Auflösung hatte auch was damit zu tun. So wurden wir zu einer Art Kultband. Und ich glaube, das wäre im Großen und Ganzen auch ohne mich und mein Bemühen um das Erbe der Band so gekommen, aber ich habe das natürlich noch befeuert.

Ich hatte Blake Anfang 1996 interviewt, zu eurem letzten Album – und wie du schon sagtest, ihr habt euch aufgelöst, bevor das Internet, wie wir es heute kennen, existierte. Entsprechend gibt es – anders als von Bands, die seitdem aktiv waren – auch fast keine Online-Berichterstattung über euch.

Die Social Media-Profile, die Website zur Band, die sind alle recht neu, die existieren seit weniger als zehn Jahre. Dass die überhaupt auf Interesse stießen, erstaunte mich immer wieder. Irgendwie fanden die Leute uns trotzdem, vielleicht war es YouTube, vielleicht weil wir in Magazinen erwähnt wurden. Und vor allem gab es ja auch noch viele andere Bands, die sich einst aufgelöst hatten und denen anders als uns kein posthumer Erfolg vergönnt war.

In meinem Artikel griff ich die Diskussion auf, die damals tobte: Seinerzeit waren in den USA die Majorlabels in einem Signing-Fieber, nahmen zig Bands unter Vertrag, die aus dem Punk- und Indie-Lager kamen und für die von den Majors teils erstaunliche Summen geboten wurden in Zeiten von GREEN DAY und THE OFFSPRING. Denken wir nur mal an SAMIAM, euch oder SICK OF IT ALL. Bands wie ihr, die aus der Bay Area-D.I.Y.-Szene kamen, wurden damals kritisiert, unter anderem von Tim Yohannan vom Maximum Rocknroll, der solchen Bands vorwarf, dass so das Geld aus der Szene abfloss in die Kassen der Majors. Für kaum eine jener Bands zahlte sich der Majordeal letztlich aus, wie ihr verloren etwa auch SAMIAM die Kontrolle über ihre Platten, nachdem sie bald wieder rausgekickt worden waren. Wie siehst du das rückblickend?

Wir hatten damals kaum Zeit das zu reflektieren. Wir unterschrieben bei DGC, bei Geffen, machten unser „Dear You“-Album und waren sehr darauf fokussiert. Das Album kam 1995 raus, wir spielten zwei kurze US-Touren, gingen nach Australien, um da zu spielen, und – booom! – war es vorbei. Wir haben nicht lange mit dieser Platte „gelebt“. Wir haben wirklich nicht viel nachgedacht, wir waren viel zu beschäftigt – und dann war es vorbei. Wäre die Geschichte der Band ein Film, dann gäbe es da so eine Szene, wo zu dramatischer Musik die böse Maschinerie der Musikindustrie ihr Werk verrichtet, wo ein Label-Manager der Band sagt, er könne bei den neuen Aufnahmen keine Single raushören, die Platte müsse neu gemischt werden, und all so ein Scheiß. Aber so war das nicht bei uns. Wir machten unsere Platte, ziemlich auf eigene Faust, ohne Einmischung des Labels – und dann interessierte sich labelseitig keiner dafür. Und so hatten wir einerseits kaum Unterstützung des Labels, andererseits hatten wir es uns auch mit unseren bisherigen Fans verbockt, die uns nicht verziehen, bei einem Major unterschrieben zu haben. So kam diese Legende auf, die von den Mainstream-Medien verbreitet wurde, dass wir wegen unseres Verhaltens zu so einer Art Pariahs geworden seien, die sich von jener Szene abgewendet hätten, die sie einst hervorbrachte. Das war damals der Vibe. Als ich damals die Reviews zu „Dear You“ las, hatte ich das Gefühl, dass keiner das Album gehört hatte, stattdessen schrieben alle über diese kleine Punkband, die einen Majordeal und einen dicken Scheck bekommen und es dann ruiniert habe. Das war deren Story.

Nun war das Narrativ jener Jahre, zumindest aus „Szene“-Sicht, schon die Tatsache, dass sich viele Leute sehr kritisch fragten, warum Bands sich auf die Verlockungen eines Majorlabel-Deals einließen. Rückblickend kann man das entspannter und differenzierter sehen, aber die allgemeine Wahrnehmung war eben so kritisch.

Sicherlich. Rückblickend sieht man das anders, und zwischenzeitlich gab es auch diesen gewaltigen Paradigmenwechsel, wie Musik gemacht und vertrieben wird. Für jüngere Menschen ist es sicher schwer, den damaligen Zeitgeist nachzuvollziehen. Ich will jetzt nicht schlecht über die Szene reden damals, denn wir wussten ja, worauf wir uns einließen, als wir diesen Vertrag unterschrieben. Die Reaktion der Szene war uns klar, wir machten es trotzdem, trotz des Backlashs, der uns erwartete. So waren wir eben, wir waren auf neue Abenteuer aus, ließen uns nicht aufhalten, die Kritiker ignorierten wir. Die Szene damals war anders, aber sie war cool, sie brachte viel Neues hervor. Es ging viel um Prinzipien, um Politik. Und wie du mit deiner Band geschäftlich agiert hast, sagte eine Menge aus über deine Positionen. Das fand ich cool. Am Ende unserer Bandgeschichte, zehn Jahre nachdem wir uns Ende 1986 in New York getroffen hatten, waren wir einfach bereit für etwas Neues. Und hätten wir „Dear You“ nicht gemacht, hätten wir uns wahrscheinlich schon vor dieser Platte aufgelöst. Das Album war also gewissermaßen unser letzter rettender Strohhalm als Band.

Spulen wir mal schnell vor in die jüngere Vergangenheit. Wie kam es zur Reunion?

Bereits ein paar Jahre nach unserer Auflösung bekam ich Angebote für Auftritte auf großen Festivals. Ich war all die Jahre immer mit Chris und Blake in Kontakt, ich teilte denen die Anfragen mit, aber letztlich hatte jeder von uns was anderes zu tun – Blake hatte JETS TO BRAZIL, ich hatte drei Bands gleichzeitig, meinen Laden und eine Familie, und Chris hatte auch genug zu tun, der war nach Olympia, Washington gezogen, der war auch eher raus aus der Musik. Irgendwie passte das nie mit den Konzertangeboten, war nicht so richtig reizvoll für uns. Die Angebote kamen jedes Jahr wieder, und so um 2010 herum wurden die finanziell immer interessanter, aber irgendwie passte das nicht. 2013 schließlich kam die Idee auf, uns einfach mal in New York zu treffen, zusammen ins Studio zu gehen und zu schauen, ob da noch was geht mit uns. Blake war sich unsicher, ob er unsere Songs überhaupt noch spielen kann. Doch als wir dann zusammen probten, war schnell klar, dass wir das zusammen noch hinbekommen können, ohne uns zum Narren zu machen. Das klang richtig gut! Ich hab das mit dem iPhone aufgenommen und wir klingen da echt gut. Und dann warteten wir einfach ab, ob sich was ergibt, das cool ist. Das war dann das Angebot, 2017 auf dem Riot Fest in Chicago zu spielen – da passten die Rahmenbedingungen, und unsere Shows in Chicago waren immer gut gewesen. Die anderen Bands in diesem Jahr waren auch cool, also sagten wir zu. Im Frühjahr 2017 fingen wir an zu proben und arbeiteten echt hart an dem Set. Wir spielten die Show, es war super, und dann dachten wir uns, warum spielen wir nicht überall da, wo wir ewig nicht mehr waren? Und warum schreiben wir nicht neue Songs? Wir hatten alle drei keine andere Band laufen, es passte einfach.

2017 wurde auch der Dokumentarfilm „Don’t Break Down“ über JAWBREAKER veröffentlicht. Zufall?

Das ergab sich tatsächlich so, dass das passte. Als ich mit den Riot Fest-Leuten sprach, erwähnte ich, dass das ja gut passen würde zur Veröffentlichung des Films. Und das wiederum führte dazu, dass die Filmemacher sich daran machten, die Doku endlich fertigzustellen. Die hatte da auch schon im Schnittstudio Staub angesetzt, denn Keith Schieron, einer der Produzenten, war verstorben, und Tim Erwin, der Regisseur, hatte in seinem Brotjob genug zu tun. Der Film war deren gemeinsame Leidenschaft gewesen, an dem sie arbeiteten, wenn gerade Zeit war, und so zog sich das ewig hin. Riot Fest war dann also für die eine Motivation, denn Film fertigzustellen und dort vorzuführen. Und dann kam auch noch das Buch über „24 Hour Revenge Therapy“ in der Buchreihe 33 1/3 dazu, und so passte das alles zusammen mit dem Herbst 2017.

Wie sieht es mit neuen Aufnahmen aus?

Wir verbrachten gerade erst zusammen eine Woche hier in San Francisco und schrieben neue Songs, spielten Sachen, die wir nicht im Live-Set haben. Aktuell haben wir weder ein Label hinter uns noch eine Idee, in welcher Form wir irgendwas veröffentlichen werden. Vielleicht machen wir ja zuerst eine 7“, um bildlich gesprochen erst mal einen Zeh ins Wasser zu strecken. Wir haben keine Deadline und keinen konkreten Plan. Jetzt sammeln wir Ideen, schreiben Songs, und wenn wir davon genug haben, sehen wir weiter. Wir setzen uns also nicht unter Druck, das würde nicht funktionieren. Und ein paar alte Songs, die wir nie aufgenommen haben, existieren auch noch. Ein Song von Blake stammt noch aus seiner Zeit mit THORNS OF LIFE, den er dann auch mit THE FORGETTERS spielte, der da aber ebenfalls nie aufgenommen wurde. Den hat er nun mit mir und Chris gespielt und so haben wir jetzt außer ein paar alten JAWBREAKER-Songs auch diesen gerettet. Wir spielen live also außer unseren Hits – oder „Misses“, haha – auch einige dieser erwähnten Stücke.

Du lebst bis heute in San Francisco, einer Stadt, die sich seit den damaligen Zeiten von JAWBREAKER extrem verändert hat und stark gentrifiziert wurde. Du hast dort im Mission District bis letztes Jahr deinen Videoladen betrieben, zwei Jahrzehnte lang – und hast dann aufgegeben. Warum?

Gegen meinen Videoladen hatten sich gleich mehrere Entwicklungen verschworen, und ich könnte dir dazu jetzt stundenlang was erzählen. Ganz allgemein gesprochen fing das an mit der Weiterentwicklung des Kabelfernsehens, mit Pay-per-view und View-on-demand. Dann kam Netflix als Online-Videothek mit Postbelieferung und schließlich die Streamingdienste. Eine Rolle spielte auch die Finanzkrise von 2008, und so änderte sich das Konsumverhalten, bestimmte Medien wurden obsolet. Mein Videoladen hielt sich lang genug, um schon wieder cool zu sein, ähnlich wie Vinyl, und wir waren zum Schluss quasi der letzte Videoladen in San Francisco – irgendwo gibt es noch ein oder zwei, die sich als Copyshop über Wasser halten. Mein Geschäftsmodell, das muss man so klar sagen, wurde durch den technologischen Wandel obsolet, weshalb ich den Laden vor rund einem halben Jahr endgültig geschlossen habe. Das heißt, ich verkaufte den an die Alamo Drafthouse Cinema-Kette, eine Firma, die überall in den USA Independent-Kinos betreibt. Und im Eingangsbereich von einigen Kinos betreiben die nun auch eine Videothek. Eines der Kinos ist im Mission District, und ein Teil meines Videobestands überlebt nun als Teil von deren Videothek – „The Video Vortex“ nennen die das. Mein Videostore war letztlich weniger ein Laden als eher eine Film-Bibliothek. Erinnerst du dich noch daran, wie damals mp3s groß wurden?

Das ist gefühlt 20 Jahre her ...

Die Leute fingen damals an alles über das Internet zu teilen. Du musstest damals nicht mehr das Haus verlassen für neue Musik, aber das hatte seinen Preis: Die Qualität des neuen Mediums war schlechter als die des bisherigen. Und die Auswahl geringer. Und so ist es auch heute im Filmbereich: die Menschen sind mit weniger zufrieden, wenn es nur billiger ist und jederzeit auf ihrem Gerät verfügbar. Aber so ticke ich eben nicht, ich bin da altmodisch. Punkt. Ich liebe es, durch Dinge zu blättern, sie mir anzuschauen, ein Risiko einzugehen, wenn ich etwas entdecke, das ich nicht kenne, das aber interessant aussieht. Ich brauche diese taktile Erfahrung, und das betrifft Musik genauso wie Filme. Und zum Glück gibt es auch einen Backlash gegen die neue Technik, das sehe ich auch an meinen Kindern. Manche Kids machen nicht mit bei dieser technischen Entwicklung, begeistern sich etwa für Vinyl, kaufen sich im Thrift Store Platten für einen Dollar, gehen ein Risiko ein. Ich kenne eine Menge junger Leute, die Plattenspieler haben, Vinyl kaufen, ins Kino gehen. Nicht zu vergessen Musikmagazine auf Papier. Viele Leute haben das Gefühl, dass die digitale Revolution das versprochene Ziel nicht erreicht hat. Die wirkt vielmehr wie eine Verschwörung mit dem Ziel, die Leute in den eigenen vier Wänden zu halten. Die Menschen haben aber die Nase voll davon, die ganze Zeit nur auf das Gerät in ihrer Hand zu starren oder auf den Computer-Bildschirm – das müssen sie doch schon den ganzen Tag bei der Arbeit. Und dann haben wir noch nicht über die Massen von Anzeigen gesprochen, die dich „überfallen“, die ganze Spyware. Das alles ist ein einziger Alptraum. Ich habe immer gescherzt, dass meine Videothek ja auch Teil der „conspiracy to stay indoors“ sei, aber bei mir musste man ja zumindest das Haus verlassen, um an den Film zu kommen, und letztlich war mein Laden ein Ort des Austausches, wo sich Gleichgesinnte begegneten, sich unterhielten, einen Kaffee tranken.

So was wie eine Videothekenversion des Plattenladens aus Nick Hornbys „High Fidelity“?

Genau so war das! Bei mir haben so viele Musiker und Künstler und Studenten und Kids aus der Nachbarschaft gearbeitet über die Jahre, da bin ich echt stolz drauf. Bei mir konnten die flexibel arbeiten, auf Tour gehen, was anderes machen, zurückkommen und wieder bei mir arbeiten. Allein das war ein großartiger Aspekt des Ladens, das war extrem Punkrock daran.

 


JAWBREAKER

... existierten in ihrer finalen Besetzung mit Sänger Blake Schwarzenbach, Bassist und Sänger Chris Bauermeister und Schlagzeuger Adam Pfahler seit 1988. Schon vorher spielten Chris und Adam zusammen, allerdings noch mit Sänger Jon Liu und unter verschiedenen Bandnamen. Zusammengefunden haben sich JAWBREAKER an der New York University, Blake und Adam haben allerdings schon zu Highschool-Zeiten in Santa Monica zusammen in Bands gespielt. 1988 erlangten sie die Aufmerksamkeit des Independentlabels Shredder Records durch ihren Song „Shield your eyes“.

1990 erschien mit „Unfun“ das Debütalbum, Ende des Jahres legte die Band eine Pause bis zum Sommer 1991 ein, in der die Musiker ihre Universitätsabschlüsse machten, bevor sie nach San Francisco zogen, um weiter zu arbeiten und gemeinsam zu spielen. 1992 folgte die erste Europatour unter dem Namen „The Hell is On the Way“ mit dem Album „Bivouac“, das durch Tupelo Records veröffentlicht wurde. 1993 brachten JAWBREAKER mit „24 Hour Revenge Therapy“ ihr erfolgreichstes Album raus, das innerhalb von nur drei Tagen aufgenommen wurde. Im selben Jahr spielten JAWBREAKER als Support für NIRVANA auf der „In Utero“-Tour, wodurch Fans der Band den Ausverkauf vorwarfen. Die Vorwürfe wurden lauter, als die Band 1994 beim Majorlabel Geffen Records unterschrieb, wo 1995 ihr letztes reguläres Album „Dear You“ erschien.

1996 lösten sich JAWBREAKER auf. Grund dafür waren angeblich auch die gesundheitlichen Probleme der Bandmitglieder, die durch das exzessive Touren entstanden sind. Blake gründete kurz nach der Auflösung zusammen mit Chris Daly von TEXAS IS THE REASON die Band JETS TO BRAZIL. Chris nahm seine akademische Karriere wieder auf, und Adam eröffnete eine Videothek namens „Lost Weekend Video“ in San Francisco. Das Album „Etc.“, eine Kollektion von B-Seiten, Raritäten und bis dato unveröffentlichten Songs von JAWBREAKER, wurde 2002 veröffentlicht, ein Jahr später ein Tribut-Album, auf dem sich unter anderem FACE TO FACE, NERF HERDER, KILL YOUR IDOLS, SPARTA, FALL OUT BOY und BIGWIG an Songs der Band versuchten. 2017 wurde der Dokumentarfilm „Don’t Break Down“ über JAWBREAKER veröffentlicht. Überraschenderweise fanden sie im selben Jahr wieder zusammen, um eine Show auf dem Riot Fest in Chicago zu spielen – ihr erster Gig seit 21 Jahren. Im März 2018 gaben sie außerdem weitere Reunion-Konzerte bekannt und arbeiten auch wieder an einem neuen Album. Im Mai 2019 machen JAWBREAKER für vier Konzerte auch in Deutschland halt.

 


Diskografie

„Whack & Blite E.P.“ (7“, Blackball, 1989) • „Busy“ (7“, Shredder, 1989) • „Unfun“ (LP, Shredder, 1990) • „Chesterfield King“ (12“, Tupelo/Communion, 1992) • „Bivouac“ (LP/CD Tupelo/Communion, 1992) • „24 Hour Revenge Therapy“ (LP/CD Tupelo/Communion, 1994) • „Dear You“ (LP/CD, DGC, 1995) • „Live 4/30/96“ (LP, Allied, 1999) „Etc.“ (LP/CD/Comp, Blackball, 2002)