NELE VANDERMAESEN

Foto

Through the lense of a camera

Vor gut zwei Jahren bin ich in Belgien das erste Mal auf Nele Vandermaesen gestoßen, die auf Konzerten Fotos machte. Da stand diese junge Frau, hoch gewachsen und unerschütterlich, stets mitten im größten Gerangel vor und auf der Bühne. Fotos machen kann jeder, aber bei den Schwarzweißbildern von Nele fällt sofort auf, wie großartig sie es schafft, die Emotionen eines Konzertes einzufangen. Unter dem Titel „10 jaar Punkfotografie“ gab es Ende 2018 die erste Ausstellung ihrer Fotos in der Bibliotheek Park in Antwerpen, was ich zum Anlass nahm, sie zu kontaktieren.

Was hast du anstellen müssen, damit deine großartigen Fotos dort gezeigt werden?


Während der letzten Jahre haben mich immer wieder Leute gefragt, wann ich endlich mal eine Ausstellung machen werde, aber ich hatte nie die Mittel, um diesen Plan umzusetzen. Letztes Jahr habe ich mich entschieden, endlich aktiv zu werden. Nach zehn Jahren hatte ich das notwendige Geld und dazu ausreichend gute Fotos zusammen, um sie in einer guten Location auszustellen. Gemeinsam mit meinem guten Freund, dem Künstler Karl Geysbregts aka Grímur Art, haben wir das Konzept entworfen. Antwerpen ist die Stadt, in der ich lebe, daher war es für mich naheliegend, dort auch meine erste Ausstellungen stattfinden zu lassen.

Wieso hast du überhaupt angefangen zu fotografieren? Was war dein Hauptinteresse, was du mit dem Fotografieren umsetzen wolltest?

Ich habe schon in sehr jungen Jahren angefangen. Als Kind habe ich Fotos von meinen Barbie-Puppen in verschiedenen Spielsituationen gemacht. Danach habe ich mit 14 Jahren in einer örtlichen Kunstschule angefangen, das Fotografieren zu erlernen, und mit 19 Jahren bin ich nach Antwerpen gezogen, um an der Royal Academy of Fine Arts zu studieren, wobei ich das Studium aber nicht abgeschlossen habe. Ich war eine faule Studentin und habe lieber Party gemacht! Aber ich habe nie aufgehört zu fotografieren. Wie du auf meinen Bildern erkennen kannst, sind meine bevorzugte Motive die Menschen des alltäglichen Lebens. Mir macht es Spaß, Menschen zu beobachten, ihr Verhalten, ihre Bewegungen ...

Arbeitest du jetzt hauptberuflich als Fotografin oder ist das mehr ein Hobby?

Während der vergangenen drei Jahre hatte ich einen „sehr sexy“ Job als Sekretärin in einer Musik- und Kunstschule. Nur um es einmal klarzustellen: Ich trage niemals diese typischen Sekretärinnen-Outfits! Ich habe stets versucht, einen normalen Job mit meiner Arbeit als selbstständige Fotografin zu verbinden. Ich habe auch gut zwölf Jahre in einem Fotogeschäft gearbeitet, das leider pleite gegangen ist. Das lag daran, dass all die großen Ketten wie Media Markt ihre tollen Webshops eröffneten und damit den Einzelhandel kaputtgemacht haben.

Mir ist aufgefallen, dass du relativ viel unterwegs bist, wie in New York, Leeds, Russland, Tschechien, Deutschland. Gibt es von dir dazu irgendwelche Foto-Specials zu diesen Reisen?

Das Reisen ist mir sehr wichtig und ich wähle immer Ziele aus, wo man gute Motive erwarten kann. Ich denke aber auch, dass man dafür gar nicht weit fahren muss, es gibt in jedem Land interessante Menschen, Orte und Landschaften. Natürlich verbinde ich meine Reisen auch mal gerne mit Musikfestivals oder einem guten Konzert. Zu sehen, dass Menschen trotz eines niedrigeren Lebensstandards glücklich sind und wie sie das Beste aus ihrem Leben machen, das hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, wie unglaublich verwöhnt wir in der westlichen Welt sind. Ich liebe es, neue Orte, Länder, Kulturen und Religionen kennen zu lernen.

Wann hast du angefangen Fotos auf Punk-Konzerten zu machen? Und wie sieht deine Verbindung zur Punk-Szene in Belgien aus?

Im Alter von 25 Jahren habe ich meinen Ehemann kennen gelernt, der zu der Zeit Sänger der Band SL-27 war. Ich bin damals mit ihm zusammen auf Konzerte gegangen und mir gefiel die Atmosphäre auf Anhieb, und so habe ich angefangen, Fotos zu machen. Am liebsten beobachte ich das Publikum. Und um ehrlich zu sein, für mich ist das Publikum interessanter als die Bands. Mir gefällt es zu beobachten, wie die Leute stagediven, tanzen, schreien, schwitzen, lachen ... Das alles zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht. Und wenn du dann einen Sänger wie Joe Denunzio von INFEST vor dir hast, dann ist es unmöglich, ihn zu ignorieren. Er ist in der Tat sehr photogen. In den vergangenen 14 Jahren habe ich viele Leute in der belgischen Szene kennen gelernt, wobei du ja weißt, dass Belgien nicht gerade sehr groß ist und die Hardcore- und Punk-Szene noch kleiner. Man trifft immer die gleichen Leute, aber das macht mir einfach Spaß!

Hast du einen speziellen Fokus bei den Motiven, also geht es dir mehr um die Bewegung, die Action oder eher darum, Emotionen einzufangen?

Da entscheide ich mich definitiv für letzteres. Ich denke mir aber, dass das klar ersichtlich ist, wenn du meine Bilder betrachtest. Jemand hat mir mal gesagt, dass ich eine sehr feminine Art und Weise des Fotografierens habe, mit all den erfassten Emotionen. Ich werte das als großes Kompliment.

Ich bin der Meinung, dass deine Fotos am besten wirken, wenn der jeweilige Club pickepacke voll ist. Ist dir dabei irgendwann mal was kaputt gegangen oder bist du gar verletzt worden?

Bisher ist mir und meiner Kamera noch nichts passiert, aber es kann in der Tat schon manchmal heikel sein. Ich finde aber meist einen einigermaßen sicheren Ort in einer Ecke auf der Bühne oder direkt davor. Man muss für ein gutes Foto einfach ein Risiko eingehen. Und soweit ich weiß, ist bisher noch niemand an ein paar blauen Flecken, Kratzern oder Bierspritzern gestorben, haha!

Ich mag besonders deine „Crowd Shots“, weil du es sehr gut verstehst, diese gewissen Momente eines Live-Konzerts einzufangen. Muss man quasi vorhersehen, wie die nächste Körperbewegung eines Menschen sein wird, damit man einen guten Eyecatcher fotografieren kann?

Alles geschieht innerhalb von Sekunden, das ist wahr. Ich bin mir in diesen Situationen nicht bewusst, was ich mache, denn alles läuft auf eher unbewusste Weise ab. Natürlich mache ich auf den Konzerten viele Fotos, und wenn ich nach Hause komme, beginnt die langweilige Arbeit. Ich stehe nicht auf Computer, aber ich muss die guten Fotos heraussuchen und ein bisschen was an Nachbearbeitung machen. Das gehört einfach dazu.

Die meisten deiner Bandfotos sind schwarzweiß. Wie kam es zu der Entscheidung, deine Fotos nur so zu veröffentlichen?

Für mich reduziert Schwarzweiß ein Bild auf das Wesentliche. Man wird nicht durch die Farben abgelenkt, und außerdem denke ich, dass Schwarzweißfotos wesentlich besser die rauhe Atmosphäre widerspiegeln. Das ist auch der Grund, warum ich in meinen Fotografien viel Kontrast verwende. Es geht darum, ein Bild einfach zu halten.

Hast du Zukunftspläne, was weitere Fotografie-Sessions betrifft? Was steht als Nächstes auf deiner Agenda?

Im Moment plane ich, meine „10 Jahre Punk Fotografie“ Ausstellung in verschiedenen Locations in Belgien zu zeigen. Und falls andere Leute außerhalb von Belgien interessiert sind, würde ich die Ausstellung auch in Berlin, London oder woanders zeigen. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Und ich werde weiterhin auf Konzerte gehen und Fotos machen. Mich kann man nicht stoppen!