TEENAGE BOTTLEROCKET

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Das weisse Album

Es ist der Alptraum jeder Band: der plötzliche Tod eines Bandmitglieds. Auch TEENAGE BOTTLEROCKET ereilte dieses Schicksal, als mit Schlagzeuger Brandon Ende 2015 verstarb, ein Gründungsmitglied und zugleich noch der Bruder von Frontmann Ray. Die Band machte weiter, legte 2017 zur Überbrückung ein reines Coveralbum vor und meldet sich jetzt mit „Stay Rad!“ zurück, dem ersten regulären Album seit dem tragischen Unglück, und präsentiert sich frischer und fröhlicher denn je. Wir sprachen mit Ray über das neue Album und die schwierige Zeit davor.

Ray, euer neues Album strahlt viel positive Energie und eine unbeschwerte Leichtigkeit aus. Ist das gemeinsame Musizieren hilfreich, um solch einen tragischen Verlust wie den Tod von Brandon zu verarbeiten?


Absolut. Während wir im Studio waren und das Album eingespielt haben, haben wir natürlich oft an Brandon gedacht und uns viel an die gemeinsame Zeit erinnert. Wenn früher ein neues Album produziert wurde, war er stets der Erste, der seine Meinung zu einem Song äußerte. Es ist schon ungewohnt und schwierig, jetzt ohne ihn Songs einzuspielen.

Ich kann mir vorstellen, dass Brandon das neue Album geliebt hätte. Was glaubst du, welcher Song hätte ihm am besten gefallen?

Ich bin mir sicher, dass sein Favorit „I wanna be a dog“ gewesen wäre. Ein klassischer Kody-Song mit dem typischen Templeman-Humor, den wir alle so schätzen. Mit dem Track hätte er bestimmt gerne vor anderen geprahlt. Brandon hat Hunde immer geliebt. Seine beiden Hunde Boomer und Shorts leben jetzt bei mir und pissen mir regelmäßig die Bude voll, haha.

In dem Song singt ihr unter anderem, dass sich Hunde das Gehänge lecken können. Das wird aber wohl nicht der Hauptgrund sein, warum man ein Hund sein will, oder?

Kody hat den Song geschrieben, als er morgens das Haus verlassen hat, um zur Arbeit zu gehen. Da sah er seinen Hund Casey, der gemütlich auf der Couch lag und erst mal eine Runde gechillt hat. Er hat dann sofort auf dem Weg zur Arbeit den Song geschrieben, weil er einfach keine Lust hatte, in diesem Moment zur Arbeit zu gehen und stattdessen wie Casey lieber auf der Couch gelegen hätte.

Euer letztes Album „Stealing The Covers“ war ein sehr spezielles Album, da es nur Coverversionen von Songs von anderen Punk-Bands enthielt. Wie waren die Reaktionen auf das Album?

Wir hatten den Eindruck, dass einfach alle das Album genossen haben. Einige der Coversongs waren in den letzten Jahren fester Bestandteil unserer Setliste. Ein Typ hat sich bei einem Konzert tierisch darüber aufgeregt, dass wir beim Song „Robocop“ den Titelhelden verunglimpft hätten. Das sind schon merkwürdige Zeiten heutzutage.

Die Idee hinter dem Coveralbum war auch, einige Lieblingslieder von euch von anderen Bands bekannter zu machen. Ist das Ziel geglückt, wie waren die Reaktionen der gecoverten Bands?

Von den meisten Bands, die wir auf dem Album gecovert haben, haben wir Rückmeldungen erhalten. Bei der Band SPROCKET NOVA hat es aufgrund des Albums sogar eine Reunion gegeben. Die meisten Bands haben nach dem Coveralbum etwas mehr Zulauf auf ihren Bandcamp-Seiten gehabt. Aber es ist natürlich nicht so, dass diese Bands jetzt in Privat-Jets durch die Gegend fliegen können. Alle Songs, die wir gecovert haben, zählen übrigens zu absoluten Lieblingssongs von uns, die Originale hören wir auch heute noch regelmäßig.

Auch euer neues Album ziert wieder euer prägnantes Bandlogo mit dem Totenkopf und den beiden Raketen. Dieses Mal habt ihr Weiß als Coverfarbe gewählt. Schon die BEATLES und WEEZER hatten ihr weißes Album. Hat die Farbe eine spezielle Bedeutung für euch?

Wir haben schon früher immer mit Brandon besprochen, dass wir unser „weißes Album“ einspielen sollten. In Wahrheit war es seine Idee. Und jetzt haben wir gemeinsam entschieden, dass es an der Zeit ist, diese Idee in die Tat umzusetzen. Kody hat dann noch in letzter Minute entschieden, dem Album den Titel „Stay Rad!“ zu geben.

„Rad“ kann unterschiedliche Bedeutungen haben, von phänomenal über irre bis zur Kurzform von radikal. Was trifft auf den Albumtitel zu?

Es ist ursprünglich tatsächlich als Kurzform von radikal gemeint. Wir haben den Spruch von der Kappe eines Bekannten entliehen. Der trägt die Kappe ununterbrochen und die Kappe sieht inzwischen ähnlich schlimm aus, wie sie riecht. Auf die Band gemünzt kann der Albumtitel aber auch als „macht weiter damit, verdammt großartig zu sein“ übersetzt werden.

Kommen wir zurück zu eurem Bandlogo. Bei Punk-Konzerten trifft man ziemlich oft im Publikum auf Bandshirts von euch. Das Merchandising scheint gut zu laufen. Ist das TEENAGE BOTTLEROCKET-Logo quasi als das RAMONES-Logo der 2000er Jahre?

Haha. Ganz soweit würde ich nicht gehen. Ich wünschte, wir würden so viele Shirts wie die RAMONES verkaufen. Aber das Merchandise läuft tatsächlich sehr gut bei uns. Ich kann bestätigen, dass wir auf Tour eigentlich immer schon recht früh bei vielen Größen ausverkauft sind. Bei der Mengenplanung liegen wir oft daneben. Fans sind da oft etwas enttäuscht, wenn wir bei Konzerten nicht mehr alle Größen verfügbar haben. Für uns als Band ist das aber immer noch besser, als nach einer Tour auf einem Berg von Shirts zu sitzen, die kein Schwein haben will.

Mit dem neuen Album seid ihr von Rise Records zu Fat Wreck zurückgekehrt. Wo liegen die Gründe dafür?

Fat Wreck passt einfach besser zur Band. Ich kann jederzeit jeden einzelnen beim Label kontaktieren und nerven. Als Brandon gestorben ist, ist das komplette Label zur Beerdigung eingeflogen, obwohl wir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf Fat Wreck waren. Das hat uns verdammt viel bedeutet und uns ein starkes Gefühl der Verbundenheit gegeben. Außerdem mögen wir die Glaubwürdigkeit des Labels. Bei Fat Wreck zu sein, ist einfach mehr Punk.

Euer Album „Tales From Wyoming“ von 2015 wurde von Bill Stevenson produziert und gemixt. Über diese Zusammenarbeit seid ihr damals echt begeistert gewesen. Warum durfte er beim neuen Album nicht wieder ran?

Der Grund ist ganz einfach, Bill ist viel zu teuer. Er ist ein phantastischer Produzent, und es war unser Traum, einmal mit ihm zu arbeiten, und diesen Traum haben wir uns erfüllt. Das aktuelle Album wurde von Andrew Berlin und Jason Livermore produziert. Sie haben schon einen Großteil unserer alten Alben produziert. Es war wie eine Rückkehr in bekannte Gefilde. Und Andrew und Jason haben wieder einen verdammt guten Job gemacht.

Auf eurem aktuellen Album sind zahlreiche Songs mit „Death“ und „Kill“ im Titel. Ist das euer typischer schwarzer Humor oder handeln die Songs doch auch eher von dunklen Themen?

Im Vergleich zu unseren früheren Alben sind die Songs auf ihre Art schon ein bisschen fies. Was tatsächlich etwas befremdlich ist, ist die Tatsache, dass wir nur einen Song auf dem neuen Album haben, der von Frauen handelt, das ist im Vergleich zu unseren früheren Alben untypisch. Ansonsten ist wieder unser schwarzer Humor am Start, bei einigen Songs gibt es auch kritische Untertöne.

Als ihr mit der Band 2001 gestartet seid, spielte Social Media noch keine Rolle. Heute kommt man an Social Media nicht mehr vorbei. Auf dem Album habt ihr einen Song, der „Anti Social Media“ heißt. Es ist also immer noch besser, gute Freunde im wahren Leben zu treffen und nicht auf Facebook, oder?

Richtig. Leute sind heute richtiggehend darin gefangen, wie viele Likes und Follower sie haben. Das ist echt traurig. Ich bemitleide die jungen Leute heute. Verdammt, hört endlich auf damit, ständig auf Instagram unterwegs zu sein und zerlegt stattdessen mal wieder ordentlich die Half Pipe in der Nachbarschaft. Unser Song dazu handelt von jemandem, der vorgibt, ein Aktivist zu sein. Wenn du auf Facebook ein Foto von einem hungernden Kind postest, bedeutet das nicht automatisch, dass du dich auch um verhungernde Kinder kümmerst. Was soll das, auf Facebook ein Foto von einem verbrennenden Affen zu posten und „rettet den Regenwald“ zu fordern? Verdammt, spendet lieber, macht was, aber gebt nicht nur vor, dass ihr was macht! Das kotzt mich echt an. Ich versuche, mich weitgehend aus Facebook rauszuhalten. Der Scheiß nervt und langweilt.

Was auffällt, auf eurem Album ist kein Song länger als drei Minuten.

Wenn du das, was du zu sagen hast, nicht in weniger als drei Minuten vermitteln kannst, solltest es lieber ganz lassen. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist begrenzt, über drei Minuten wird es schnell langweilig.