Adam Pfahler (JAWBREAKER, CALIFORNIA, J CHURCH ...)

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My Little Drummer Boy Folge 50

Ist es wirklich zu glauben? Als die Serie „My Little Drummerboy“ gestartet wurde, war nicht im Traum daran zu denken, dass es irgendwann einmal eine 50. Folge geben würde. Umso größer war die Freude, als bekannt wurde, dass JAWBREAKER für ein paar Konzerte nach Deutschland kommen würden, denn wen könnte man sich eher für das Jubiläum als Interviewpartner wünschen als Adam Pfahler. Als 1990 „Unfun“ erschien, begeisterte das Album weniger durch seinen ausgefeilten Sound, als vielmehr durch die rohe Energie und Emotionalität der einzelnen Songs, die später für ein ganzes Genre stilprägend sein sollten. Adam Pfahler war schon damals der Motor dieses Sounds, der sich selbst immer eher als Arbeiter, denn als technisch versierter Drummer verstand und stand uns – knapp dreißig Jahre später – vor dem Konzert in Hamburg Rede und Antwort.

Adam, gibt es aus deiner Kindheit Anekdoten, dass du schon als kleiner Junge auf irgendwelchen Gegenständen im Haushalt deiner Eltern herumgetrommelt hast?


Ja, die gibt es tatsächlich. Als ich so ungefähr zwei oder drei Jahre alt war, saß ich mit meinen Eltern in einem Restaurant in so einer abgeteilten Ecke, und in der Sitzecke neben uns saß ein Mann mit einer Glatze. Ich bin also auf die Bank geklettert und habe mit einer Gabel und einem Löffel angefangen, auf dem Kopf von diesem Typen zu trommeln. Meine Mutter war total entsetzt und der Typ war natürlich total sauer, aber ich war ja ein Kleinkind und er war wohl nicht besonders nachtragend. Meine Mutter erzählte mir jedenfalls Jahre später, dass dies der erste Moment war, in dem sie begriff, dass ich gern Dinge in die Hand nahm, um damit auf anderen Dingen herumzuschlagen. Später wollte ich auch immer Drums spielen, aber das schien erst einmal unmöglich zu sein, denn wir hatten nie Platz für ein Schlagzeug.

Kommst du aus einer sehr musikalischen Familie?

Ja, so ähnlich, mein Stiefvater hatte eine sehr große Plattensammlung, so dass bei uns zu Hause immer viel Musik gehört wurde. Die erste sonderbare Musik die ich bewusst wahrnahm, war von Frank Zappa, das „Freak Out!“-Album seiner Band THE MOTHERS OF INVENTION, und als ich noch ein kleiner Junge war, begeisterte mich der Sound dieser Platte total. Aber auch Elvis und die BEATLES liefen bei uns zu Hause sehr häufig. Außerdem war ich von dem Harry Nilsson-Song „You’re breaking my heart“ total fasziniert, weil es ein „Fuck you“ im Text zu hören gab. Den Song habe ich als Siebenjähriger sehr häufig gehört, denn das war wirklich dreckig. Damals war ich natürlich noch nicht darauf aus, die einzelnen Instrumente zu analysieren, sondern die Musik war eine Einheit und ich mochte eben die Songs als Ganzes. Für bestimmte Instrumente habe ich mich erst später interessiert.

Wann hast du dein erstes Schlagzeug bekommen?

Erst als ich 13 Jahre alt war. Vorher hatte ich immer überall mit diesen chinesischen Essstäbchen herumgetrommelt. Die Couch oder Kissen waren meine bevorzugten Objekte zum Trommeln, bis ich dann immerhin ein paar Drumsticks und ein Drumpad bekam, um meine Eltern nicht weiter zu nerven. Mein erstes richtiges Instrument war allerdings ein Bass, den ich mit elf oder zwölf Jahren geschenkt bekam. Dann wurde bei uns eingebrochen und der Bass samt Verstärker wurde gestohlen. Das war für mich aber nicht so schlimm, weil ich mit dem Instrument nie wirklich warmgeworden war, und so dachte ich mir, es wäre vielleicht besser, es mit Schlagzeugspielen zu probieren. Ich habe an Weihnachten Geburtstag und da fielen die Geschenke eigentlich immer etwas größer aus. Mein leiblicher Vater hat mir dann ein CB 700-Schlagzeug in Glitzer-Rot geschenkt. Damit habe ich angefangen zu spielen, ich habe am Anfang sogar ein paar Stunden Unterricht gehabt. Allerdings nur so lange, bis ich wusste, wie man die Drumsticks richtig hält, denn der Unterricht war mir schon bald zu langweilig. Ich kann sagen, dass ich eigentlich Autodidakt bin.

Hast du dich als Anfänger an irgendwelchen anderen Drummern orientiert oder gab es Vorbilder für dich?

Also die Platte, zu der ich am häufigsten gespielt habe, war sicherlich „Pin Ups“ von David Bowie, aber da habe ich mich noch nicht darum gekümmert, wer da eigentlich gespielt hat. Die Songs waren einfach gut und ich wollte sie spielen. Ich hatte einen Plattenspieler in unserer Garage, und damit es nicht zu laut wurde, musste ich Decken über meine Trommeln ziehen. Als ich begann, mich für Punk zu interessieren war zunächst George Hurley von MINUTEMEN mein großes Vorbild. Bill Stevenson, der damals bei BLACK FLAG spielte, fand ich auch großartig. Und da ich immer ein großer BEATLES Fan war, darf ich natürlich nicht vergessen, Ringo Starr zu erwähnen. Für extrem unterbewertet halte ich übrigens Topper Headon von THE CLASH, der so geschmackvoll und virtuos spielte, dass ich immer noch jedes Mal begeistert bin, wenn ich eine CLASH-Platte höre. Von all diesen alten Helden habe ich meine ersten Grooves abgeschaut.

Wann hast du angefangen, zusammen mit anderen zu spielen?

Ich wollte eigentlich immer mit anderen Leuten zusammenspielen, aber zunächst habe ich allein begonnen und dann mit einem Freund, der Klarinette spielte. Zum Punk kam ich dann durch meine Schwester Kembra, die in Los Angeles eine der Punkrockerinnen der ersten Stunde war. Als sie nach New York zog, gab sie mir den richtigen Anstoß, indem sie mich auf die ganzen coolen Platten von THE CLASH, den SEX PISTOLS oder den RAMONES aufmerksam machte. Das waren die ersten drei Punk-Platten, die mich wirklich umgehauen haben. Ich hatte dann das Glück, dass ich in L.A. lebte und die zweite Punkwelle mit den SST-Bands MINUTEMEN, BLACK FLAG und all den anderen erleben durfte. Blake Schwarzenbach, mit dem ich später JAWBREAKER gründete, und ich waren damals noch auf der Highschool und haben eine Menge guter Konzerte gesehen. Unsere erste Band hieß RED HARVEST und wir waren damals ein Trio, das Surfpunk ohne Gesang gemacht hat. Wir spielten auf privaten Partys und in der Schule. Später auf dem College haben wir dann unseren Bassisten Chris Bauermeister kennen gelernt und gründeten unsere erste gemeinsame Band mit dem Namen TERMINAL ISLAND. Wir waren damals die Background-Band für meine Schwester, die in New York eine Rockoper mit dem Titel „Under The Black Star“ am Start hatte. Danach haben wir sehr häufig unseren Bandnamen geändert, sodass wir erst THUMB und später RISE hießen und mit unterschiedlichen Sängern unterwegs waren.

Hast du damals auch schon Erfahrungen im Studio gesammelt?

Ja, wir waren damals in New York bei Don Fury im Studio und haben so eine Art Demo aufgenommen. Das waren unsere ersten Aufnahmen auf mehreren Tonspuren und ich durfte damals sein Schlagzeug spielen. Er hatte so ganz sonderbare schwarze, gummiartige Trommelfelle, die man nur für Studioaufnahmen benutzte und die sich sehr komisch anfühlten. Das muss so um 1986 herum gewesen sein. Die Arbeit im Studio ist natürlich immer sehr anstrengend, weil es schnell gehen muss, damit die Aufnahmen nicht zu teuer werden. Auch die ersten JAWBREAKER-Platten haben wir traditionell immer sehr schnell aufgenommen. Ich selbst spiele jeden Song im Studio mehrmals ein, bis ich zufrieden bin, und dabei wird auch nicht geschummelt, denn wir basteln keine Songs aus mehreren Drumparts zusammen. Ich muss also schon mit dem ganzen Song zufrieden sein, bevor ich mich dem nächsten zuwende. Manchmal läuft man also mehrmals nach einer Aufnahme rüber zum Mischpult in den Kontrollraum und wieder zurück in den Aufnahmeraum, um irgendwann das beste Ergebnis zu erreichen. Ich glaube aber, dass ich relativ schnell bin, auch wenn man im Laufe des Tages natürlich müde wird. Bei den Aufnahmen zu „24 Hour Revenge Therapy“ war ich an einem Tag mit meinen Parts fertig, und für die 18 Songs, die wir für „Dear You“ aufgenommen haben, habe ich auch nur drei Tage gebraucht. Aber wir sind ja schließlich auch keine Jazzband.

Hast du schon immer auf einem relativ kleinen Schlagzeug gespielt?

Ja, ich mag es, wenn das Drumset auf das Wesentliche reduziert ist. Ich brauche nur ein Hängetom und auch bei den Becken genügen mir die vier, die ich zur Zeit spiele völlig. Ich brauche kein Drumset wie Neil Part von RUSH. Das würde mich völlig überfordern. Ich hatte für unser zweites Album und auf Tour mal drei Rototoms, weil ich es cool fand, aber auch die habe ich irgendwann wieder weggelassen. Ich habe mir sogar mal ein Doublebass-Pedal gekauft, um damit zu experimentieren, aber nach einem Tag habe ich aufgegeben, weil es mir einfach nicht gefallen hat. Nein, mein reduziertes Set ist genau richtig für mich.

Hast du nach der Auflösung von JAWBREAKER aufgehört zu trommeln?

Nein, ich habe immer weiter gespielt und war nach JAWBREAKER in diversen Bands aktiv. Ich habe CALIFORNIA gegründet und bei WHYSALL LANE getrommelt, habe lange Zeit mit Lance Hahn bei J CHURCH gespielt und auch bei der Band meiner Schwester, THE VOLUPTUOUS HORROR OF KAREN BLACK, war ich mit dabei, so dass mir wirklich nie langweilig wurde. Die einzigen neun Monate, in denen ich jemals nicht getrommelt habe, waren die nach meinen beiden Schulteroperationen. Durch diese Operationen kann ich zwar auch heute noch trommeln, aber die volle Beweglichkeit in alle Richtungen haben meine Schultergelenke nicht wieder erreicht. Da hat auch viel Krankengymnastik nicht geholfen. Aber ich übe viel und dann geht das schon.

Übst du häufig für dich allein?

Nein, eigentlich nicht. Ich mag es, wenn wir als Band zusammen proben. Obwohl ich schon überall und auf vielen Dingen herumtrommle, selbst wenn wir hier zusammensitzen, aber als wirkliches Üben würde ich das nicht bezeichnen. Aber es kann schon sein, dass mir dabei neue Beats einfallen, die ich dann so nebenbei versuche mir einzuprägen. Das sind dann so rudimentäre Sachen, die ich später im Proberaum mit der Band ausbauen kann.

Gibt es unter den vielen Alben, die du aufgenommen hast, ein bestimmtes, bei dem du mit dem Drumsound besonders zufrieden bist?

Ich mag besonders den Drumsound, den Steve Albini auf „24 Hour Revenge Therapy“ gezaubert hat, und auch der Sound auf „Dear You“ gefällt mir wirklich gut. Ich muss aber sagen, dass JAWBREAKER als Band nie wirklich mit dem Sound unserer Platten zufrieden waren. Irgendetwas war immer anders, als wir uns das vorgestellt hatten, aber JAWBREAKER haben sich auch immer als Live-Band verstanden und den wirklichen Sound der Band muss man sich live im Konzert anhören. Eine wirkliche Studioband waren wir nie und wollten es auch nicht sein.

Betreibst du irgendwelchen Sport, um körperlich fit zu bleiben?

Ich gehe spazieren und spiele Baseball, aber ansonsten beschränken sich meine sportlichen Aktivitäten auf das Trommeln. Ich sollte eigentlich Yoga machen, um etwas für die Beweglichkeit meiner operierten Schultern zu tun, aber bisher bleibt es bei dem Plan, es irgendwann zu tun. Weißt du, es ist doch so: Man weiß, dass bestimmte Dinge gut für einen sind, aber man kann sich selten überwinden, einfach mal damit anzufangen. So ist das mit mir und dem Yoga.

Hast du außerhalb der Band noch weitere musikalische Pläne, die du gern irgendwann umsetzen würdest?

Ich spiele ja außer Schlagzeug auch noch ein bisschen Gitarre und Saxophon, und bin von daher musikalisch sehr flexibel aufgestellt. JAWBREAKER sind aber jetzt wieder sehr aktiv und wir spielen für den Rest des Jahres jeden Monat irgendwelche Shows, so dass für andere Vorhaben momentan keine Zeit bleibt. Wenn wir keine Shows spielen, sind wir im Übungsraum und schreiben neue Songs und sehen, was noch so passieren wird. Ich hätte aber große Lust, irgendwann noch mal mit meiner Schwester in ihrer Band zu spielen, denn das hat mir damals großen Spaß gemacht. Außerdem habe ich zwei Töchter, mit denen ich gern mal Musik machen würde. Meine ältere Tochter hat von der Geige zum Bass gewechselt und meine jüngere Tochter mit dem Saxophon begonnen, spielt aber jetzt Klavier. Das könnte viel Spaß machen. Mit CALIFORNIA würde ich auch gern weitermachen, denn das war ein tolles Projekt.

Wie würdest du in wenigen Worten deinen eigenen Drumstil beschreiben?

Ich bin sicher kein technischer Perfektionist. Ich bin eher ein „Working Class“-Drummer. Ich spiele, was ich meine, und ich meine, was ich spiele. Genauso ist das und es beschreibt meinen Stil ganz gut und wenn das jemandem nicht gefällt: Go fuck yourself.