PUNK-TRADITIONEN – TEIL 2: Freier Eintritt

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In grauer Vorzeit, also in den Achtzigern, gingen Punks genauso gern auf Konzerte wie heute. Doch das Geld war knapp und ging für Bier und Anreise drauf, da musste gespart werden – am Eintritt.

In meinem näheren Umfeld gab es damals ein paar Typen, die nicht gerade großes Verständnis hatten für Konzertveranstalter, die irgendwie versuchen mussten, die Gagen der Bands zu erwirtschaften, vielmehr machten sie aus der partiell sicher vorhandenen Not (so viele Konzerte, so wenig Geld als Schüler, Azubi, Zivi, Studi) – nein, keine Tugend – fast schon einen Sport. Sie wurden zu einer Art „Ocean’s Eleven“ des Konzertbesuchens: Wie komme ich rein, ohne zu zahlen? Einer der Jungs hatte sogar so was wie eine Wette laufen, dass er ein Jahr lang auf alle Konzerte geht, die er besuchen will, aber nie zahlt. Heute würde man als Taktik dahinter das Gästelisteschnorren vermuten, aber nein, so lief das nicht – man hatte ja Ehre im Leib ...

... und brauchte willige Helfer. Die einem zum Beispiel das Klofenster öffneten. Und dann kraxelten die Jungs durch das Gebüsch hinter dem süddeutschen Jugendzentrum, hievten sich irgendwie die Wand hoch und schlängelten sich durch das Toilettenfenster, versuchten unversehrt aus zwei Meter Höhe über Kloschüssel, Pissoir und Waschbecken hinweg den Abstieg zu schaffen. Um kurz darauf feixend vom Rest der Clique begrüßt zu werden: „Nee, oder? Wie hast du das wieder geschafft?“ Natürlich kannte man sich, die Veranstalter hatten durchaus eine Idee, wer bezahlt hatte und wer nicht, aber rausgeflogen ist nur selten jemand.

Einfacher war da schon das Einschleichen über den Backstage-Eingang. Am Bandbus mit der Band reden, man kennt sich ja, auf Solidarität hoffen, in Begleitung eines Musikers durch die Stahltür hinter der Bühne schlüpfen, vielleicht noch mit einem Gitarrenkoffer oder Schlagzeugteil in der Hand – schwupp, war man drin. Heute, in Zeiten böse blickender Security-Schränke und allgegenwärtiger Backstagepässe ist das undenkbar.

Genau wie die große Kunst der Stempelmaler aus der Mode gekommen ist. Einer wurde vorgeschickt, ließ sich an der Kasse einen wirklich schönen Stempelabdruck auf Handrücken oder Handgelenk drücken – und kam dann gleich wieder raus. Ab um die Ecke, wo der Rest der Gang wartete, darunter ein künstlerisch Begabter, der den Stempel mit Kugelschreiber oder Filzstift nachzuzeichnen versuchte, wobei es auch Versuche gab, bei Bild- statt Textstempeln durch Anfeuchten des Originalabdrucks mit Spucke einen Abdruck (Obacht, seitenverkehrt!) auf ein zweites Handgelenk zu zaubern, der dann nachgemalt wurde – Spucke drauf, etwas verwischen, ab zur Kasse und hoffen, dass man im Pulk und im Schummerlicht durchgewunken wird. Und oft klappte das.