35 Jahre später: WALL OF VOODOO - Granma’s House – A Collection Of Songs By Wall Of Voodoo (LP, I.R.S., 1984)

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Der facettenreiche Sound der aus Los Angeles stammenden Formation WALL OF VOODOO um den charismatischen Sänger und Multiinstrumentalisten Stan Ridgway ist schwer zu fassen: Italowestern-Soundscapes, New Wave, Film noir, Psychedelic, Krautrock-Schnipsel, TUXEDOMOON-affine Sounds und experimentelle elektronische Kollagen finden Eingang in ihre Songs. Dass diese Tracks oft wie bessere Soundtracks klangen war kein Zufall, den Stan Ridgway hatte ursprünglich mit Acme Soundtracks eine Firma (direkt gegenüber dem Punk Club The Masque in Central Hollywood gelegen) für Filmmusik ins Leben gerufen. Und war ein Bewunderer der Produktionen von Phil Spector, daher rührte auch der Bandname. Denn als Ridgway mal etwas aufnahm, was als Referenz an Phil Spectors Wall of Sound gedacht war, meinte ein Freund von ihm wenig begeistert, dass ihn das bestenfalls an eine „wall of voodoo“ erinnere, womit der Bandname geboren war. „Granma’s House“ ist eine Werkschau, die das Frühwerk der Band abdeckt (Stan Ridgway verließ die Band 1983, um solo mit Songs wie „Camouflage“ und „Big heat“ durchzustarten) u.a. mit dem Übersong „Mexican radio“, der Johnny Cash-Coverversion „Ring of fire“, „Call box“ oder „Red light“. Die Idee zum größten WALL OF VOODOO-Hit „Mexican radio“ (1982) entstand im Mustang von Stan Ridgway, als er mit Gitarrist Marc Moreland (ex-THE SKULLS) nach Mexiko fuhr und Moreland unbedingt einige mexikanische Radiostationen durchhören wollte. Die ausgeprägten cineastischen Momente von WALL OF VOODOO, die bereits für THE RESIDENTS und DEVO als Support spielten, manifestierten sich massiv in Ridgways Songs („Music is more than just chords and notes to me, it has the ability to make pictures in the mind“). Dabei mag es eine Rolle spielen, das Ridgway aus dem Hinterland von Los Angeles stammt und ihn die Weite des Landes stets faszinierte, so wie auch Sergio Leone, dessen Spaghetti-Western aber überwiegend in Spanien entstanden. Mundharmonika und Western-Gitarre waren sehr bewusst gesetzte Stilelemente. In der Welt von Stan Ridgway verschmolzen im Songwritting Film, Musik, Kunst und Literatur zu einem Gesamtkunstwerk. Der San Francisco Chronicle schrieb über ihn: „He conjures Burroughs, Bukowski and Brecht“. Musik und Kunst sind gleichwertig für ihn. Seine Songs müssen für den Hörer visualisierbar sein, ein Film muss geistig im Kopfkino kreiert werden, aber mit dem Anspruch Unterhaltungswert zu schaffen, oder in seinen Worten: „Mystery and irony are attractive to me but that said, I have no problem with entertainment. Orson Welles was a magician as well as a Shakespearean actor. There’s a certain brilliance to that.“