ARBEITSLOSEN BAUARBEITER VS. KLABUSTERBÄREN

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Leben in Chemnitz und Halle

Zwei Bands aus den „neuen“ Bundesländern, die allzu oft unter dem bundesweiten musikalischen Radar verschwinden, obwohl sie etliche Qualitäten haben. Wie sieht es aus, das Leben in Chemnitz und Halle, den Städten, wo unsere befragten Bands DIE ARBEITSLOSEN BAUARBEITER und KLABUSTERBÄREN daheim sind. Das wollten wir jetzt mal wirklich wissen.

DIE ARBEITSLOSEN BAUARBEITER

Ihr seid schon 21 Jahre mit DIE ARBEITSLOSEN BAUARBEITER in Chemnitz aktiv, dennoch wart ihr nicht beim „Wir sind mehr“-Abend in Chemnitz mit DIE TOTEN HOSEN auf der Bühne. Schmerzt euch das irgendwie?

Friedhelm:
Nein.

Im Jahr 2008 brachtet ihr eure Scheibe „09113“ – eine Postleitzahl von Chemnitz – heraus, mit dieser bekannten blauen DDR-Briefmarke von Karl Marx auf dem Cover. Ist die BRD zu geschichtsvergessen? Soll heißen, alles, was es in der DDR gab, soll doch bitte nicht mehr erwähnt werden?

Friedhelm:
Die „09113“-Platte ist eine kleine Hommage an unsere Heimatstadt. Wir sind hier geboren – wenngleich noch „Karl Marx Stadt“ im Ausweis steht – und wir leben gern hier. Aus diesem Grund gibt es mit dem Song „Chemnitz“ auch gleich noch eine Liebeserklärung mit einem kleinen Augenzwinkern. Der Albumtitel ist die Postleitzahl unseres Proberaums. Ja, und da es eben zu DDR-Zeiten diese Marke mit dem „Nischl“ gab, haben wir die da einfach mit vorn drauf gehauen.

Wie geschlossen ist in Chemnitz die linke Szene beziehungsweise die Subkulturen im Allgemeinen? Und hat sich die Lage auf den Straßen wieder etwas entspannt?

Friedhelm:
Mit den schrecklichen Ereignissen im August 2018 ist die Stadt zum politischen Brennpunkt geworden. Hier herrschte wirklich Ausnahmezustand – die ganze Stadt voller Polizei, Wasserwerfern und Sicherheitskräften, um Demonstranten, die aus dem ganzen Land angekarrt wurden, auseinander zu halten. Diese extreme Entwicklung fand ich einerseits erschreckend, andererseits vor dem Hintergrund der Ereignisse auch würdelos. Ein Mensch wurde ermordet. Das ist schrecklich. Was die Stadt brauchte, war Ruhe zur Aufarbeitung. Diese Ruhe hat in den Wochen und Monaten danach gefehlt. Erschreckend fand ich auch die extreme Mobilisierung, die es möglich machte, so viele Nazis aus dem ganzen Land in kürzester Zeit hierher zu holen, um für die unfassbaren Bilder zu sorgen, die um die Welt gingen. Chemnitz hat ein Nazi-Problem, das ist bekannt und das ist schlimm. Es gibt von vielen Bürgern sehr große Anstrengungen und Aktivitäten für ein buntes, vielfältiges, tolerantes Miteinander. Die Ereignisse im Herbst 2018 waren auch ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich hier stark gegen Rechts machen. Wir haben ein Nazi-Problem. Das wissen wir. Was wir brauchen können und gern annehmen ist Hilfe, um dieses Problem zu lösen. Was uns nicht weiter hilft, ist ein Fingerzeigen und Abstempeln.

Wo geht ihr in eurer Freizeit gerne in Chemnitz hin?

Friedhelm:
Chemnitz ist eine grüne, schöne und lebenswerte Stadt. Jedoch könnte durchaus mehr los sein hier. Live-Clubs sind reihenweise verschwunden und gerade das Ende des legendären Subway to Peter sowie der Live-Party-Kneipe FlowPo haben auch der subkulturellen Szene einen schweren Schlag versetzt. Das macht es schwer, mal auf Konzerte zu gehen. Dafür haben wir glücklicherweise noch unser AJZ. Ansonsten sieht es mit Live-Clubs jedoch traurig aus. Hier haben wir also definitiv Nachholbedarf.

Markus Franz klabusterbaren.de

KLABUSTERBÄREN

Euch gibt es seit 1994. Was hat sich für euch am prägnantesten verändert im Großen und Ganzen, auch auf politischer Ebene?

Roman:
Wir haben beim Salt City Punk Festival unseren 25. Bandgeburtstag gefeiert! Entstanden ist die Band auf einer Hausbesetzerparty. Wir haben uns auf die Bühne gestellt, ohne Plan, ohne Lieder, ohne Namen. Das hat sich in den letzten 25 Jahren bei uns auf jeden Fall verändert: Wir haben einen leicht bescheuerten Bandnamen, wir haben ganz coole Songs, aber immer noch keinen Plan. Was sich seit dem gesellschaftlich verändert hat? Als wir anfingen, das war ja eigentlich noch die wilde Wendezeit, viele Freiräume, viele Möglichkeiten, aber auch Nazi-Stress auf der Straße. Man könnte sagen: Heute ist es nicht mehr ganz so wild. Aber vielleicht stimmt das auch nicht und wir sind nur alt geworden. Und Nazis gibt es auch noch oder wieder, auch wenn so mancher die Bomberjacke gegen ein Sakko getauscht hat.

Was ist das Lebenswerteste an eurer Stadt Halle und wo geht ihr abends auf ein bis fünf Bier hin?

Roman:
Ein Journalist schrieb mal über uns sinngemäß, wir würden Hymnen auf unsere hassgeliebte Heimatstadt machen oder so ähnlich. Dann versuchen wir das mal: Halle ist nicht so eine rausgeputzte Ost-Vorzeigestadt wie Leipzig, eher die hässliche Stiefschwester oder so. Aber es gibt auch viele schöne Ecken. Man könnte sagen, sie ist nicht so groß und verdichtet, dass es nur nervt, aber auch nicht so klein, dass es zu provinziell kleinstädtisch ist. Wobei es da natürlich auch andere Stimmen gibt. Irgendwie ist es bis jetzt gelungen, die erwähnten Freiräume zu halten beziehungsweise sind sogar noch andere dazu gekommen. Es gibt mit VL, GiG, Hasi und Reil78 insgesamt vier Läden mit, im weiteren Sinne, linkem oder Punk-Background! Gewissermaßen für jede Generation einen Laden. Unser Bier trinken wir am liebsten im Proberaum, hahaha.

Eure letzte LP „Zuversicht und Kippen“ habt ihr richtig DIY gestemmt. Wie läuft es so?

Roman:
D.I.Y.! D.I.Y ! Wir haben halt keine Riesenauflage gemacht und wir sagen mal so: Die Unkosten haben wir wieder drinnen. Ansonsten siehe oben: keinen Plan! Aber man kann die Musik auch bei allen turbokapitalistischen Streamingdiensten hören. Weil: Wer die Platte kaufen möchte, muss zu unseren Konzerten kommen und das Glück haben, dass wir die Merch-Kiste nicht vergessen haben.

Ein Song wie „Atem im Nacken“ könnte von einer Düsseldorfer Band stammen – von FEHLFARBEN bis wem auch immer. Grandios. Habe ich nur das Gefühl, dass ostdeutsche Punkbands von den Labels etwas stiefmütterlich behandelt werden beim Signen?

Roman:
Na, wir hatten ja mal für zwei Veröffentlichungen mit NixGut, ein „Westlabel“, welches ja bekanntermaßen, nun ja, nicht mehr den besten Ruf hat. Die Sampler von denen haben uns aber schon geholfen, bekannter zu werden. Für uns ist aber eigentlich alles okay so. Wir treffen uns, proben ein bisschen, trinken ein paar Biere, rauchen, quatschen dummes Zeug und spielen Konzerte, wenn wir eingeladen werden. Wenn wir genug neues Material zusammen haben, dann nehmen wir was auf und bringen das raus. Braucht man unbedingt ein Label? Aber wir würden schon gerne mehr im „Westen“ spielen, also ladet uns ein! Wir wollen es auf diesem Level halten, Konzerte für 40 bis 400 Leute sind uns am liebsten. Wir machen coole Songs, punkig und poppig zugleich und klischeefreie Texte. Und wer ein bisschen offen ist, sich nicht von unserem Bandnamen auf die falsche Fährte locken lässt und sich auf die Musik und die Texte einlässt, der kann mit uns eine gute Zeit haben. Bei Spotify, vor dem Plattenspieler oder auf unseren Konzerten.