SUPERNICHTS

Genies übersehen das Chaos

„Chaosübersehgenie“. Eine verdammt großartige Platte, die SUPERNICHTS aus Köln da aufgenommen und via Vitaminepillen veröffentlicht haben. Wie konnte es soweit kommen? Eine Frage, die ich unbedingt geklärt haben wollte. Also kamen Gitarrenangeber Frank Franksen und Trommelposer Achim Arschloch eines schönen Samstagabends bei mir vorbei, um ein wenig zu plaudern und mir meine Biervorräte wegzusaufen.

Der Rausschmeißer eurer neuen Platte heißt „Ingo Dubinski, Andie MacDowell“. Warum Ingo Dubinski? Warum Andie MacDowell?


Frank: Ingo Dubinski stand schon länger fest, denn der Typ ist so schrecklich langweilig und nichtssagend, obwohl mittlerweile ja bekannt ist, dass der für die Stasi gearbeitet hat. Blieb noch die Frage, welche Frau passt dazu, wir wollten keine Deutsche nehmen, das wäre zu langweilig geworden, und da haben wir lange überlegt...
Achim: Jennifer Lopez stand auch zur Diskussion.
Frank: Aber die ist schon wieder zu flippig, und Andie MacDowell spielt ja grundsätzlich nur nette, lächelnde nichtssagende Rollen, wie in ‚Täglich grüßt das Murmeltier‘.

Der Film ist doch großartig.

Achim: Der Film ist großartig, aber die...

...macht den ganzen Film kaputt?

Achim: Ein bisschen schon. Ich hasse die wirklich wie die Pest. Die steht nur blöd rum, lächelt nett, und spielt immer blöde Spießerfotzen.
Frank: Die sieht ja gut aus, aber ist trotzdem irgendwie asexuell.

So wie meine Klassenlehrerin in der dritten Klasse, in die ich unsterblich verliebt war.

Achim: In der dritten Klasse war ich in Kim Wilde verliebt.

Wer war denn nicht in Kim Wilde verliebt?

Frank: Stimmt.

Achim: Mit euch teile ich meine Kim nicht, ihr könnt die Kim von den MUFFS haben.

„Smalltown Boy“. War’s der Text, der euch zum Covern gebracht hat?

Achim: Das ist doch ein ziemlich punkiger Text.
Frank: Erstens das und zweitens ist das ein sehr gutes Lied.
Achim: Wir wollten auf jeden Fall ein Cover auf der Platte haben, ein Vorschlag von mir war „Touch me“ von Samantha Fox, aber auf „Smalltown Boy“ konnten wir uns alle einigen.
Frank: Und da Achim betrunken genug war, das dann auch zu singen, warum nicht?!

Früher hat aber nur der Bert gesungen?!

Frank: Das stimmt nicht so ganz. Bei den vorigen Platten haben die gesungen, die das auch konnten. Und bei der Neuen war es so, dass wir, um mehr Abwechslung reinzubringen – oder wenn wir das Gefühl hatten, dass eine andere Stimme als die vom Bert besser passen würde –, den singen ließen, der auch den Text gemacht hat, denn bei uns ist das eine Mannschaftsleistung, jeder schreibt Texte und Musik.
Achim: Wir haben Glück, dass jeder so ein bisschen die richtigen Töne treffen kann.
Frank: Es klingt ja auch ganz gut, wenn man bedenkt, dass wir alle beim Einsingen ziemlich voll waren.
Achim: Oh ja.
Frank: Also beim Spielen waren wir nicht voll, wir haben das alles an einem Tag aufgenommen.
Achim: In sechs Stunden.
Frank: Wir waren alle nüchtern, und viel disziplinierter als früher. Bei der „Personennahverkehr“ waren wir extrem voll, selbst der Mixer hat die ganze Zeit gesoffen, so dass wir teilweise selbst vorm Pult saßen und abgemischt haben. Wir hatten auch zuviel Zeit, haben viele Kaspereien mit auf die Platte genommen, und das war jetzt nicht so.

Also einfach nur die Songs runtergerotzt. Vielleicht erklärt das ja, warum das Ding so großartig geworden ist. Die Platte funktioniert, im Gegensatz zu früher, als Ganzes.

Frank: Das Niveau bei der Platte ist auch durchgehend gleich hoch. Das Problem ist, wenn mehrere Leute die Lieder machen, kann es sein, dass die sich total voneinander unterscheiden, und das hast du bei dieser Platte nicht, trotz der unterschiedlichen Einflüsse ist das Ganze aus einem Guss.
Achim: Obwohl, wenn man die Platte hört, merkt man ziemlich schnell, welche Songs von wem sind. Ich find das gut, es verkörpert jede Person in der Band. In der letzten Band, in der ich war, war das eher diktatorisch. Eigentlich gibt es bei uns zwei Fraktionen, ich glaube, wir beide sind mehr für den Punkrock verantworlich, während die anderen mehr so Alternative-, PIXIES-mäßig sind.
Frank: Trotzdem fügt es sich gut zusammen. Und ein Vorteil an dieser Platte gegenüber den Vorherigen ist der Sound.

Das merkt man an der Neuaufnahme von „Wir haben uns total toll verstanden“, was viel druckvoller und auf den Punkt gebracht klingt.

Achim: Das war ein ganz großer Wunsch von mir, den neu aufzunehmen, denn das war mein Lieblingslied von SUPERNICHTS, und ich fand’s schade, dass auf der alten Version so ein bisschen der Bums fehlt.

Du sprichst es selber an, du bist der Neue. Was ist eigentlich mit dem alten Schlagzeuger passiert?

Achim: Das ist ziemlich unspektakulär, der macht eine Ausbildung zum Kameramann. Vor zwei Jahren sollten SUPERNICHTS eine kleine Tour machen, da habe ich ausgeholfen, und jetzt bin ich fest dabei, da der David keine Zeit mehr hat.

Aus was für Menschen besteht euer Publikum?

Achim: Wir haben kein Publikum.

Ihr habt kein Publikum?

Achim: Nein. Zu SUPERNICHTS-Konzerten kommen in der Regel sehr wenig Leute.

Liegt’s am Namen? Die meisten Leute nehmen euch in diesem Deutschpunk-Kontext wahr, wo ihr meiner Meinung nach nicht hingehört. Nervt das nicht, sich deswegen rechtfertigen zu müssen?

Achim: Ich finde das scheiße, dass Deutschpunk in den letzten Jahren zu einem Schimpfwort geworden ist. Das liegt doch an den ganzen Kackbands wie ATEMNOT oder SMEGMA, aber es gab doch auch Bands wie RAZZIA oder SLIME. Ich hab kein Problem mit Deutschpunk. Diese Kategorisierungen sind doch eh unnötig. Entweder es gefällt einem oder eben nicht.
Frank: Wir passen nirgendwo richtig rein, für die einen sind wir ‘ne Deutschpunkband, weil wir auf Deutsch singen, und für die Deutschpunker sind wir nicht deutschpunkig genug, weil wir nicht diese typische, relativ unmelodische Musik machen und es auch keine politischen Aussagen auf der Bühne gibt. Ich mag Popmusik und ich mag Punkrock, weil er simpel ist, und ich mach Texte, mit denen ich mich identifizieren kann. Ich will zu keiner Szene gehören.
Achim: Man kann auf der Platte auch hören, dass wir das bewusst simpel gehalten haben, wir könnten auch anders. Einfache Riffs, selten ‘ne Brücke, dazu eine geile Melodie, das war’s. Nach vorne gestampfter Rock. So Zeug wie MARILLION werde ich nie gut finden.
Frank: Wir haben gar keine Zeit für komplizierte Lieder. Wir haben alle einen Job und ‘ne Freundin. Außerdem ist es erschreckend, dass Bands danach beurteilt werden, wie gut sie spielen können oder was für Instrumente sie benutzen.
Achim: I always liked simple rock. John Lennon. Punkrock soll simpel und aggressiv sein. Und nichts mit einer Ideologie zu tun haben. Es ist Musik. Ideale hat jeder, aber zu sagen, das oder jenes darfst du nicht, weil es kein Punk mehr ist, ist doch bescheuert. Dazu kommt, dass wir für Punk relativ wenig nach Punk aussehen.

Und ihr seid alt.

Frank: Also, ich bin nicht alt und ich glaube, ein bisschen Erfahrung schadet nicht, um vernünftige Lieder zu machen.
Achim: Naja, wir haben neulich mit TINNITUS in Koblenz gespielt, und die sind im Schnitt zehn Jahre jünger als wir...
Frank: Nee, so schlimm war das nicht, die waren auch schon so Anfang zwanzig. Scheiße, du hast recht.
Achim: Und das Publikum war noch jünger, das war schon irgendwie komisch.

Ist das nicht ein bisschen anstrengend in dem Alter, so schnell zu spielen?

Frank: Das ist eine verdammt gute Frage, denn das ist sogar sehr anstrengend. Aber wir haben nur vereinzelt Auftritte, dann geht das schon. Wir wollten zwar auf Tour gehen, aber das hat leider nicht geklappt. Es hat sich keiner richtig drum gekümmert, oder die Gigs sind geplatzt.

Warum gibt’s die neue Platte nicht auf Vinyl?

Achim: Vinyl ist teuer.
Frank: Wir würden schon gerne eine richtige Platte rausbringen, aber es hat sich niemand gefunden, der uns das bezahlen will. Und selbermachen scheitert am Geld.

Was war vor SUPERNICHTS?

Frank: Nichts richtiges, erst als ich wegen meinem Studium nach Freiburg gezogen bin. Da hab ich bei FLEISCHLEGO gespielt, und mit denen zwei Platten aufgenommen, eine habe ich mal meinen Eltern zugeschickt, die haben dann drei Wochen nicht mehr mit mir geredet. Als ich dann aber bei denen zu Besuch war, meine Mutter hatte ein Kaffeekränzchen, da war auch eine etwas jüngere Kollegin von meiner Mutter da, und mein Vater kam dann auf die Idee, die Platte anzumachen, um zu wissen, was die denn davon hält. Sehr peinlich. Dann, als ich nach Köln bin, haben wir SUPERNICHTS gegründet. Der Michael hat vorher in so einer Alternative-Band gespielt.
Achim: Ich hab in einigen Bands gespielt, aber nichts veröffentlicht oder so, und dann halt bei KNOCHENFABRIK. Und jetzt neben SUPERNICHTS bei den SELFMADE MILLIONAIRES. Ich spiel gerne Rhythmusgitarre und bin froh, Menschen gefunden zu haben, die das mitmachen.

Zum Ende ein kleiner Geschmackstest:
RAMONES oder SEX PISTOLS?

Beide: RAMONES.

EA80 oder SLIME?
Achim: EA80.
Frank: SLIME.

SLAYER oder METALLICA?
Achim: SLAYER.
Frank: METALLICA.

KISS oder AC/DC?
Beide: AC/DC.

Pils oder Kölsch?
Beide: Pils.

ÄRZTE oder HOSEN?
Beide: ÄRZTE.

Fastfood oder Selberkochen?
Achim: Selberkochen.
Frank: Fastfood.

Momentanes Lieblingslied?
Achim: Johnny Cash - The Mercy Seat.
Frank: TOY DOLLS - Yul Brynner was a skinhead.

Eins der ewigen Lieblingslieder?
Achim: EXTRABREIT - Der Präsident ist tot.
Frank: FEHLFARBEN - Gottseidank nicht in England.

Vielen Dank.