DIVISION OF LAURA LEE

Von der Ungnade, ein Nesthäkchen zu sein

Schweden, das dürfte mittlerweile jeder wissen, ist ein schier grenzenloser Exporteur in Sachen qualitativ hochwertiger Musik. Dabei beschränkt sich das Exportgut nicht nur auf Punk, Pop und Hardcore, sondern gerade im Bereich Retro- und Garagenrock werden jährlich neue, großartige Platten auf den Markt gebracht. DIVISION OF LAURA LEE aus Göteborg haben just eine dieser schönen Platten veröffentlicht. „Black City“ heißt diese Platte, ihr Debüt. Ein teils düsteres, teils rockiges Dokument von vier Jungs, die neben Punk und Hardcore auch gerne MY BLOODY VALENTINE, VELVET UNDERGROUND oder THE JESUS AND MARY CHAIN hören.
Verbunden fühlen sich D.O.L.L. jedoch stark mit der Göteborger-Szene. So erklärte Sänger Per Stahlberg im Vorfeld: „Wir, SILVERBULLITT und THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES gehören zusammen, wir haben alle den gleichen Spirit“ – und nicht zu vergessen, den gleichen Produzenten, Kalle Gustafsson, hauptamtlich Bassist bei TSOOL. Ende 2001 waren DOLL im Vorprogramm der THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY hierzulande unterwegs. Die Reaktionen auf die Band waren damals zwiespältig – interessant befand man die Jungs, aber wohl nicht überzeugend genug, weshalb man kürzlich im Kölner Underground vor gerade mal 25 Leuten spielte. Da fragt man sich, warum eigentlich? Warum werden T(I)NC und die HIVES in jeder Disco abgefeiert? Warum sind deren Konzerte überfüllt? Und warum verschmäht der, offensichtlich engstirnige, deutsche Rockhörer DOLL? Fragen über Fragen, die es gilt aufzuklären.

Per, stell dich und die anderen doch erst einmal vor, damit der Leser auch weiß, mit wem er es zu tun hat und sich demnächst nicht mehr davor scheuen muss, euch auf Tour zu besuchen.


Hallo, mein Name ist Per, ich bin einer der Gitarristen und einer der Sänger von DOLL und mit 27 Jahren der Älteste in der Band. Schlagzeuger Hakon ist 26, David unser neuer Gitarrist ist 24 oder 25 und Bassist und zweiter Sänger Jonas ist, glaube ich, 23.

Wann habt ihr die Band gegründet?

Im September ‘97. Wir spielten aber bereits vorher alle in einer Menge anderer Bands. Ich selbst mache am längsten Musik und spiele seit ‘85 in Punkbands, also seit ich zehn bin. Ungefähr ‘87/88 bin ich dann zur Hardcore-Szene gestoßen, was mich dann Anfang der 90er aber nicht mehr so richtig reizte. Dabei kam gerade um ‘93/94 ein riesiger Hardcore-Boom in Schweden auf. Vielleicht kann man sogar von der größten Hardcore-Szene der Welt sprechen. Natürlich mischte ich weiterhin in dieser Szene mit – so wie auch die anderen. Die Szene machte uns gegenseitig bekannt. Tja, und 1997 formierten wir uns eben.

Kannst du mir mal erklären, wie es dazu kommt, dass Schweden derart viel Musik produziert und dies meist auf einem derart hohen Niveau?

Ich habe mir da auch schon Gedanken drüber gemacht und weiß es ehrlich gesagt selbst nicht. Schweden ist der drittgrößte Musikexporteur der Welt. Vielleicht liegt es daran, dass Schweden sehr amerikanisiert ist. Außerdem gibt es hier viele kleine Ortschaften und dort zu leben ist manchmal ziemlich langweilig. Also fängt man an, ein Instrument zu spielen.

Ich habe mal gehört, dass der schwedische Staat mit Zuschüssen und der kostenlosen Bereitstellung von Proberäumen Musiker aktiv unterstützt.

Das stimmt. Wir mussten nie für einen Proberaum Miete bezahlen, wir mussten ihn noch nicht mal mit einer anderen Band teilen. Die Zuschüsse, die wir bekamen, investierten wir in fette Marshall-Türme, gute Drums und PAs. Das Ganze entwickelte sich über die Jahre und irgendwann hatten wir unser eigenes Studio zusammen. Doch mittlerweile leben wir ja alle in Göteborg und da ist es nicht so einfach, einen Proberaum zu bekommen.

Als ihr Ende 2001 mit T(I)NC auf Tour wart, hatte ich das Vergnügen euch im Essener KKC zu sehen. Während eures Auftrittes hast du das Publikum darüber aufgeklärt, dass ihr die neuen Hoffnungsträger von Burning Heart Records seid...

Natürlich ist das bisweilen ironisch zu verstehen, wahrscheinlich hatte ich in dem Augenblick sogar Minderwertigkeitskomplexe, dennoch denke ich, dass wir die beste Band auf Burning Heart sind.

Nun ja, da gab es aber auch mal REFUSED.


Ja, die waren schon sehr gut, auch die HIVES und T(I)NC sind fantastisch. Aber wir machen eben was total anderes als sie. Sie sind Retro-Bands, wir sind die Zukunft. Und wir wissen einfach, dass wir ein verdammt gutes Album aufgenommen haben und verdienen deshalb mehr Anerkennung als eben die HIVES oder T(I)NC. Fragt sich nur, wie wir diese bekommen.

Was mich an eurem Album etwas enttäuscht hat, ist, dass ihr alle drei Songs der „Pretty Electric“-Vorabsingle auf das Album gepackt habt.

Ja, das ist scheiße. Ich muss dabei die Schuld auf Burning-Heart schieben. Wir nahmen die Single etwa sechs Monate vor dem Album auf. Als wir dann probten und Songs für das Album aufnahmen, mussten wir uns entscheiden, welche wir nehmen. Da die Songs der Single so gut waren, entschlossen wir uns, sie fürs Album zu übernehmen. Ausschlaggebend war aber, dass Burning-Heart meinten, es wäre halb so schlimm, schließlich sei die Single nur auf 5000 Stück limitiert gewesen. Naja, die Single war einfach eine Einleitung, ein Vorbote unserer Musik.

Wer ist eigentlich für die schönen Photos in euren Artworks verantwortlich?

Das hat ein Freund von uns aus Washington D.C. übernommen, der sich selbst Prof. Yaya nennt, eigentlich aber Shelby heißt und in einer Band namens FRODUS spielte. Wir erklärten ihm, dass unser Album wie eine neue Scheibe von RITES OF SPRING aussehen sollte. Und das hat er daraus gemacht. Der Aspekt, dass er aus Washington kommt, war dabei umso reizvoller, schließlich wollten wir am Anfang unserer Karriere zu gerne wie FUGAZI klingen.

In einer Burning Heart-Anzeige zu eurer Single stand, dass ihr wie eine Mischung aus FUGAZI, AT THE DRIVE-IN und TSOOL klingen würdet. Findest du das auch?

Wie gesagt sind wir mit Punk und Hardcore groß geworden. Anfang der 90er kamen dann verrücktere Sachen wie SONIC YOUTH, DRIVE LIKE JEHU oder FUGAZI dazu. Dann THE JESUS LIZARD, GIRLS VS. BOYS und amerikanischer Indie-Kram. Später englischer Indie-Rock wie JESUS AND MARY CHAIN oder MY BLOODY VALENTINE. Das sind alles sehr wichtige, einflussreiche Bands. Nicht zu vergessen THE STOOGES und JOY DIVISION, TELEVISION und VELVET UNDERGROUND. Allerdings haben wir uns nie hingesetzt und überlegt, wie wir klingen sollten. Bei uns kam alles aus dem Bauch, wir haben einfach begonnen zu spielen. Der Vergleich mit den SOUNDTRACKS hinkt schon etwas, allerdings haben die die gleichen Einflüsse wie wir auch. Doch wenn man uns mit anderen Bands aus Göteborg vergleicht, stellt man fest, dass wir schon ziemlich einzigartig klingen. Kurz gesagt: Wir sind einfach leidenschaftliche Musikliebhaber.

Auf bereits erwähntem Konzert habe ich eine sehr merkwürdige CD an eurem Merchandising-Stand gekauft. Die Band heißt DIALOG CET und das Album „NY Metall“. Was hat es damit auf sich?

Hakon, unser Schlagzeuger hat damit zu tun. Die Platte ist auf seinem Label Carcrash Records erschienen. Es ist tolle, aber sehr seltsame Musik, es kann einen glatt in den Wahnsinn treiben. Doch je öfter man sich die Songs anhört, desto besser werden sie.

Ich habe ihn damals gefragt, ob Hits auf der Platte wären, die ich auflegen könnte und er sagte Song Nummer drei und sechs – zwei über sechs Minuten lange, kranke Instrumentals.

Ja, ja, Hakon hat einen sehr seltsamen Geschmack. Er liebt total merkwürdigen Spacerock aus den 70ern z.B. TOMITZA. Das sind dann manchmal nur fiepende Geräusche, aber er geht da voll drauf ab. Man sollte ihm nicht trauen, was CD-Empfehlungen angeht.

Der CD lag ein ziemlich informatives Interview bei. In der letzten Frage ging es darum, warum dir ein Schneidezahn fehlt. Die Antwort war „Too many fights“.

Als ich aufwuchs, war ich ein ziemlich aggressiver Typ, ein Punkrocker eben. Ich lebte in einer kleinen Stadt, in der man mich nicht mochte, einer meiner Brüder beging Selbstmord, der andere nahm sehr viele Drogen, saß häufig im Gefängnis und mein Vater starb, als ich 14 war. Ich habe nie Drogen genommen, aber ich war angepisst von meinem Leben. So I went outside and kicked people’s asses! Doch damit habe ich mittlerweile abgeschlossen, ich bin schließlich 27 Jahre als und habe einen Sohn. Mit 18 war die Phase vorbei und ich wurde Straight Edger, wovon die Tätowierung auf meinem Unterarm zeugt. Um 1988 kaufte ich mir die erste MINOR THREAT-Scheibe und ich dachte damals, dass deren Aussagen das einzig Wahre seien. Irgendwann ging mir dann die engstirnige, fast faschistoide Szene auf die Eier und meine SE-Zeit war vorbei. Allerdings trinke ich immer noch nicht viel, rauche nicht und verabscheue Cannabis, weil es die Leute so faul und langweilig macht.

Wer hat sich eigentlich euren Bandnamen ausgedacht?

Ich denke, das war ich. Auf der Verpackung irgendeiner Firma las ich ‚Division of…‘, das klang gut, fehlte nur noch ein Ende. Irgendwann kam mir die Idee, Laura Lee, eine Soulsängerin aus den 60ern dranzuhängen und es klang gut, mehr steckt nicht dahinter.

Was hat es eigentlich mit dem Debüt „DIVISION OF LAURA LEE At The Royal Club“ auf sich?

Darauf sind lediglich unsere ersten drei 7“s und fünf neuere Stücke vertreten. Aber das Material ist mit unserem heutigen nicht zu vergleichen.

Habt ihr bereits neue Stücke geschrieben?

Ja, ‚Upside Down‘ und ‚Loveless‘, die voraussichtlich als B-Seiten für zwei Singleauskopplungen herhalten müssen. Unsere erste Single ist ‚Need To Get Some‘ und das Video dazu hatte gestern Premiere auf einem schwedischen Musiksender. Wir werden dort momentan ziemlich gehypet und dieses Jahr soll unser Jahr werden!

Per, ich danke dir herzlich für dieses Interview und wünsche viel Erfolg für die Zukunft.