GLUECIFER

Kellerasseln

Der Skandinavien-Rock-Hype ist vorüber, zum Glück, und wenn heute noch eine Band ernsthaft diese Schiene fährt, ist sie ziemlich blöd oder naiv oder beides. GLUECIFER aus Oslo, Norwegen waren mit den HELLACOPTERS die Speerspitze dieser „Bewegung“, und nachdem die Schweden es schon vor zwei, drei Jahren geschafft hatten, sich aus der Klischeefalle zu befreien, ist dies nun auch GLUECIFER geglückt, um die es im letzten Jahr ja verdächtig ruhig gewesen war. Mit „Basement Apes“ haben Biff Malibu (Vocals) und Captain Poon (Gitarre), die beiden einzigen verbliebenen Mitglieder des ‘94er Gründungs-Line-Ups, ihren vierten Longplayer raus, auf dem sie unterstützt werden von Raldo Useless (Gitarre), Stu Manx (Bass) und Danny Young (Drums). Ich hatte Mr. Malibu am Telefon.

Biff, ihr seid gerade auf Promotour in Deutschland. Haben GLUECIFER eigentlich eine besondere Beziehung zu Deutschland?


Es war ‘97 das erste Land, von Skandinavien mal abgesehen, wo wir auf Tour waren. Es ist für Rockbands ein gutes Pflaster: es kommen ‘ne Menge Leute zu den Shows, sie kaufen deine Platten, sie mögen dich. Und es ist der zweitgrößte Musikmarkt der Welt, das darf man auch nicht vergessen. Ganz besonders mögen wir Berlin, das ist ‘ne coole Stadt.

Ich muss sagen, ich war richtig überrascht, als ich im Februar euer neues Album in den Fingern hielt: Es war lange ruhig um euch, man hörte kaum was, keine Tour, und plötzlich eine neue Platte. Was war los?

Naja, wir hatten mit ‚Tender Is The Savage‘, das auf White Jazz erschienen war, hohe Erwartungen. Wir hielten und halten es für eine gute Platte, gingen damit auf Tour, spielten vor mehr Leuten als je zuvor, aber irgendwie kam dann alles zum Stillstand: Mit unserem alten Label White Jazz lief es nicht mehr so gut, wir wollten in den Staaten auf Tour gehen, mussten jedoch die Shows absagen, weil wir mit SubPop Ärger bekamen.

Was lief da?

Ach, das übliche Rock’n’Roll-Business eben, es ging um Geld, ganz blöd. Der eine macht Versprechungen, der andere weiß von nichts, und so weiter. Ich meine, wir sind realistisch genug, um zu wissen, dass man mit so einer Band nicht richtig Geld verdienen kann, aber wir haben auch klar gemacht, dass wir eine US-Tour nicht aus unserer eigenen Tasche bezahlen würden. Ich opfere nicht meine Ersparnisse, nur um in der Lage zu sein, irgendwo anders Konzerte zu spielen. Und so kam eines zum anderen: die Platte lief nicht so toll, die US-Tour war gestorben, und wir beschlossen dann, einfach mit neuen Songs zu beginnen und weiter zu machen. Wir nahmen hier und da mal ein paar Songs auf, probten eher selten, und mit der Zeit kristallisierte sich dann ein neues Album heraus.

Und wie kamt ihr an einen neuen Plattenvertrag?


Wir hatten in den Jahren zuvor ‘ne Menge Visitenkarten zugesteckt bekommen und kramten die dann noch mal raus und fingen an zu telefonieren. Und so kam’s, dass wir letztendlich in Norwegen und Schweden bei Sony unterschrieben und für den Rest der Welt bei SPV aus Deutschland. Bis jetzt ist noch nicht klar, wo die Scheibe etwa in den USA erscheint. Wichtig war uns, dass wir uns erstmal auf Europa konzentrieren.

Wenn die ganzen Labelquerelen etwas Gutes bewirkt haben, dann dass euch das neue Album als Band ein ganzes Stück weiter gebracht hat. Um ehrlich zu sein, war mir „Tender Is The Savage“ ein ganzes Stück zu vorhersehbar ausgefallen.

Hm, also nachdem wir unsere alten Plattenverträge losgeworden waren, schrieben wir neue Songs. Als wir das erste Mal damit ins Studio gingen, hatten wir gleich fünf Tracks fertig, die richtig gut klangen. Ja, wir waren angepisst, und das hat sich vielleicht positiv auf die Songs ausgewirkt. ‚Black book lodge‘ ist übrigens einer der Songs aus dieser Session. Wir merkten, dass wir gute Songs am Start haben, das ermutigte uns. Und so machten wir uns an die Arbeit, schrieben jede Menge Songs, spielten ein paar Konzerte und genossen es, einfach mal wieder längere Zeit zu Hause bei unseren Freundinnen verbringen zu können.

Darf ich ganz offen fragen, ob die Band denn so viel abwirft, dass ihr es euch leisten konntet, ohne Zusatzjob zu Hause zu sitzen und Songs zu schreiben?

Also einen ‚richtigen‘ Job hat keiner von uns mehr, seit zwei Jahren leben wir von der Band. Es war letzten Herbst aber auch richtig schwierig, und bevor wir den neuen Vertrag unterschrieben haben, waren wir alle ziemlich klamm, um nicht zu sagen pleite. Ein paar von uns haben rumgejobbt, aber das machst du auch so mal, denn nach einer Weile macht es keinen Spaß mehr, nur zu Hause auf dem Sofa zu sitzen. Ich persönlich habe aber nichts anderes gemacht, ich hatte mit der geschäftlichen Seite der Band genug zu tun.

Sprechen wir über euer neues Album, das mir persönlich sehr gut gefällt, viel besser als „Tender Is The Savage“. Ihr habt es nämlich geschafft, die Klischees hinter euch zu lassen und euch von ein paar neuen Seiten zu zeigen, etwa bei „Easy living“, ohne jedoch eure alten Stärken zu vernachlässigen – und ohne die Skandinavienrock-Stereotypen zu erfüllen, mit denen die Welt nun schon seit geraumer Zeit geplagt wird.

Hahaha...! Danke, danke. Ja, also das war schon ganz klar unser Ziel. ‚Tender...‘ war in gewisser Weise die Platte, die wir schon mit den ersten beiden Alben machen wollten und die wir dann endlich hinbekommen hatten, doch die Reaktionen darauf, gerade auch von guten Freunden, deren Meinung uns wichtig ist, waren von der Art, dass sie uns rieten, beim nächsten Mal doch besser was unerwartetes zu bringen. Sie meinten, es würde langweilig, wenn wir die sichere Karte spielten. Wir wagten also, auch mal was Neues auszuprobieren und wurden von Aufnahmesession zu Aufnahmesession mutiger. Wir haben insgesamt 25 Songs eingespielt, zwölf sind auf dem Album, und manche von denen, die´s nicht geschafft haben, waren auch echt nicht gut, da wagten wir uns zu weit vor, in Gefilde, in denen wir uns nicht auskannten. ‚Easy living‘ etwa war so ein Experiment, dem wir eine Chance gaben, und es hat geklappt. ‚It won’t be‘ oder ‚Losing end‘ sind beides eher ruhige Songs, das ist auch neu für uns, und ich denke, wir haben das Ziel erreicht, dass Leute sich erstaunt fragen, ob das wirklich GLUECIFER sind, bei genauem Hinhören aber dann doch feststellen, dass das eindeutig wir sind.

Die HELLACOPTERS, alte Bekannte von euch, haben genau das mit ihrem letzten Album auch geschafft.

Naja, das war sicher nicht der Grund für uns, aber es ist schön, das zu hören. Als wir die Band gründeten, waren wir deshalb für viele Leute so interessant und was besonderes, weil wir eben mit diesen Hardrock-Klischees spielten und es mit diesem Rock-Gepose so schön übertrieben. Eine Weile war das dann auch okay, es war eben was anderes als das, was all die anderen Bands abgezogen haben. Aber als dieses Spiel dann zur neuen Norm wurde und scheinbar jede Band das machte, als wir auf Tour zig Platten von Bands zugesteckt bekamen, die alle ganz ähnlich klingende Namen hatten und die gleichen Tattoos und witzige Bühnen-Pseudonyme, da war uns klar, dass es vorbei ist. Ganz zu schweigen davon, dass diese Bands alle nicht gerade frisch klangen. Das heißt, so eine Platte hätte mich 1994 begeistern können, vor zwei oder drei Jahren und heute langweilt das erst recht. Aber wir wollen fair bleiben, also gib’ ein paar von diesen Bands noch ein paar Jahre und vielleicht werden die eines Tages richtig gut.

Macht es dich neidisch, wenn die HIVES, die ja ganz klar nach euch kamen und die eigentlich erst nach HELLACOPTERS und GLUECIFER möglich waren, mittlerweile über 300.000 Platten verkauft haben?

Das ist unglaublich, oder? Ich finde das cool, und schon als ich die das erste Mal live gesehen habe, wusste ich, dass diese Typen richtig gut sind. Bei der ersten Show in Oslo waren gerade mal siebzig Leute da, und heute ist die Brixton Academy in London zwei Tage nacheinander ausverkauft, wenn sie dort spielen. Du bist nicht der erste, der fragt, ob ich Neid empfinde, weil die HIVES ‚unseren Erfolg gestohlen haben‘, und die Antwort ist nein. Ich freue mich, dass ein paar Leute da draussen, gerade auch bei den großen Plattenfirmen, kapieren müssen, dass Rock immer noch und wieder da ist. Die dachten, Rock sei so ein Underground-Ding von ein paar Typen mit Chainwallets und Denim-Jackets, und plötzlich müssen sie feststellen, dass die Leute aber genau das wollen – und nicht ihre aseptische, langweilige, vorhersehbare Retortenmusik. Da kommt diese kleine Garagen-Rock’n’Roll-Band daher und zeigt ihnen, dass Rock doch was für die Massen ist, und das ist cool.

Zurück zu eurem Album, gib‘ mir Namedropping: Wer hat wann was gespielt und produziert und so weiter und so fort?

Produziert hat unser neues Album Kåre Vestrheim, ein Norweger, der mal bei einer Band names LOKOMOTIV gespielt hat, einer Popband, die hier recht erfolgreich war. Er ist ein sehr guter Musiker, hat an der Hochschule für Musik studiert, kann Kirchenorgel spielen und so weiter. Er mag unsere Musik und hat viele gute Ideen eingebracht, forderte uns aber auch heraus, neue Wege zu gehen. Gemischt wurde ‚Basement Apes‘ von Ulf Holand, der ein sehr gutes Studio hat und sowohl mit MOTORPSYCHO und A-HA arbeitet – als wir fertig waren, tauchten die gerade mit ihrem Equipment auf, das war ein komisches Gefühl. Was die Gastmusiker anbelangt, so war Cato von CATO SALSA EXPERIENCE dabei – sie machen übrigens auch gerade ein neues Album – und spielte Gitarre und Orgel, und auch Martin Hederos von THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES war ein paar Tage mit dabei. Dazu noch ein paar Freunde, die hier und da mitgeholfen haben.

Euer Line-Up änderte sich schon direkt nach dem letzten Album.

Ja, Jon Average stieg direkt nach den Aufnahmen aus. Er und seine Frau erwarteten ein Kind und er wollte verständlicherweise lieber zu Hause sein, als im Tourbus zu sitzen. Für ihn kam Stu, das neue Album ist sein erstes mit uns. Ansonsten ist alles wie gehabt.

Was sind die nächsten Pläne?

Wenn dein Heft erscheint, haben wir ein paar wenige Shows in Deutschland gespielt, werden auch den Rest von Europa bereisen – das Ziel ist so viele Konzerte wie möglich spielen, bevor die Leute in den Sommerurlaub verschwinden. Im Sommer sind wir dann wohl auf den großen Festivals zu sehen, aber da steht derzeit noch nichts fest, und im Herbst gibt’s dann eine sechswöchige, große Europatour mit einer coolen Supportband – ich hätte da DANKO JONES, AMULET oder CATO SALSA EXPERIENCE im Kopf...

Letzte Frage: Was waren die letzten Platten, die du gekauft hast?

Von T.REX ‚Electric Warrior‘ und vor allem verschiedene Eric Burdon-Platten, nämlich die mit WAR. Das sind echt großartige Scheiben. Und ich freue mich auf das neue QUEENS OF THE STONE AGE-Album, und ich höre auch sehr gerne AMULETs ‚Freedom Fighters‘.